Tsunami

Japan am Rand

Die Beben und der Tsunami erschüttern das Land. Vermisste und Todesopfer, Verwüstungen und die Angst vor Verstrahlung werfen die Menschen auf Grundfragen zurück.
Japan am Rand
Japan am Rand

Die Japaner leben seit Urzeiten mit der Gefahr von Erdbeben. Nach der Katastrophe von 1945 haben sie mit unnachahmlichem Eifer ein Wirtschaftswunder erarbeitet. Nun ist das technologisch führende Land mit der zerstörerischen Wucht von Naturgewalten konfrontiert. Nach dem NZZ-Korrespondenten in Tokio «scheint die gesamte Bevölkerung in ihren Grundfesten erschüttert zu sein».

Die angestammte Religion der Japaner ist der Shintoismus. Seine Geister- und Ahnenverehrung hat sich, mit buddhistischen Praktiken vermischt, bis heute fortgesetzt. Auch moderne Japaner zollen den Geistern Tribut und versuchen sich mit ihnen gut zu stellen. Aberglaube, Wahrsagerei und eine grosse Zahl neuer Bewegungen, die mit Geistern und unsichtbaren Mächten umgehen, gehören zum japanischen Alltag. Geistern wird zudem zur Bewahrung der Identität, in nationalistischer Abgrenzung gegen alles Fremde, gehuldigt.

Bräuche binden

Welchen Trost können die Geister der Ahnen, der Natur und der buddhistischen Religion in der aktuellen Not geben? Die grosse Mehrheit der Japaner gibt sich nicht religiös, doch im Jahreslauf sind sie zu buddhistischen und Shinto-Ritualen bereit, wodurch eine Bindung an die Geisterwelt erhalten bleibt.

Das Christentum hat in Nippon beschränkte Resonanz gefunden. Von den 127 Millionen Bewohnern Japans gehört nur ein Prozent einer christlichen Kirche an. Etwa 500.000 Japaner sind Katholiken, 650.000 Protestanten. Allerdings bleiben viele der Gemeinde meist fern: Der Arbeitsdruck und die langen Pendlerzeiten führen zu einer geringen Beteiligung von Männern.

In der Krise «eine neue Kultur» schaffen

Ein evangelischer Kongress 2009 sprach von einem «Zeitalter der Krise», gekennzeichnet durch «Vielfalt der Werte und ein neues nationalistisches Bildungsprogramm, Finanzkrise, weniger Kinder, mehr Betagte in der Kirche und wenig evangelistisches Wachstum». Pastoren verliessen ihren Posten unter Druck und Gemeinden würden geschlossen, hielten die Teilnehmer weiter fest. «Der Einfluss von Kulten» beeinträchtige das Gemeindeleben, das auch sonst vermehrt gestört werde. In der Erklärung bekräftigten die Christen den Willen, das Evangelium zu den Herzen der Japanerinnen und Japaner sprechen zu lassen und so «eine neue Kultur, durchs Evangelium erneuert, zu schaffen».

Rezession und Überalterung

Grosse Sorge machen seit dem gewaltigen Beben vom Freitag, das mit dem Tsunami die Normalität weggewischt hat, die Atomkraftwerke, deren Reaktoren nicht mehr unter Kontrolle sind. Am Montag kam es in Fukushima zu einer dritten Explosion. Japan hat in der Vergangenheit auf die Kernenergie gesetzt. Wenn damit die Energieversorgung gesichert werden konnte, ist doch die wirtschaftliche Entwicklung des stolzen Inselstaats in den letzten zwei Jahrzehnten holprig verlaufen. Seit die grosse Immobilien- und Investitionsblase platzte, befindet sich Nippon in der Dauerkrise.

2009 wurden die Liberaldemokraten, die über 50 Jahre geherrscht hatten, abgewählt. Damit verbanden die Japaner die Hoffnung auf einen Neuanfang. Die Opposition erhielt eine Chance – und hat sie nicht genutzt. Illegale Praktiken laut der NZZ haben das Ansehen der Regierung beschädigt, die gegen Rezession und Deflation zu kämpfen hat. Japan ist stärker überaltert als jeder andere Staat der Welt.

«Gebete ebenso wichtig»

Nun hat eine Katastrophe das Land getroffen, wie sie die meisten lebenden Japaner noch nie erlebt haben. Daisuke Narui, Direktor des katholischen Hilfswerks Caritas in Japan, dankte für die anlaufende internationale Unterstützung. «Wir haben so viele E-Mails mit Worten des Gebets und Hilfsangeboten aus aller Welt bekommen. Wir sind sehr dankbar für diese Solidarität. Hilfe wird gebraucht, aber Gebete sind in dieser Situation ebenso wichtig.»

Christen in Japan:
Erklärung des 5. Japanischen Evangelisationskongresses 2009

Datum: 15.03.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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