Rula Ghani

Die christliche First Lady von Afghanistan

Bei seiner Antrittsrede tat der neue afghanische Präsident Aschraf Ghani etwas für sein Land Ungewöhnliches: Er dankte seiner Frau ausdrücklich für ihre Unterstützung im Wahlkampf. Die First Lady engagiert sich auch weiterhin politisch. Unter anderem tritt sie als Christin in der muslimischen Republik für Frauenrechte ein.
Die afghanische First Lady Rula Ghani.
Der neue afghanische Präsident Aschraf Ghani.

Rula Ghani stammt aus dem Libanon. Die syrisch-maronitische Christin lernte ihren Mann bei ihrem Journalismus-Studium in Beirut kennen und lebte für einige Jahre mit ihm in den Vereinigten Staaten. Beide erwarben dort auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Nun ist sie Präsidentengattin in einem Land, in dem es keine christliche Kirche gibt.

Neue Wege in konservativem Umfeld

Ihre Vorgängerin Senat Karsai trat während der 10-jährigen Amtszeit ihres Mannes nie öffentlich in Erscheinung. Rula Ghani dagegen unterstützte ihren Mann aktiv im Wahlkampf. Und jetzt unterstreicht dieser, dass sie auch in Zukunft politische Verantwortung übernehmen soll. Dabei wirkt die First Lady offen und weltgewandt, wenn sie mit ihrem französischen Seiden-Kopftuch und doppelreihiger Perlenkette ausländische Gäste empfängt. Auch wenn es im Land keine gesetzlich vorgeschriebene Kleiderordnung für Frauen gibt, tragen andere gebildete Frauen meist Schals und lange Gewänder, um sich bis auf das Gesicht vollständig zu bedecken.

Engagement für Frauenrechte

Ungewohnt ist auch, dass die Präsidentengattin sich für die Rechte von Frauen stark macht. Manchmal muss sie dabei allerdings anschliessend zurückrudern. Vor kurzem lobte sie die französische Initiative, Ganzkörperschleier zu verbieten, die Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit hinderten. Die Burka, ein Ganzkörperkleid mit Sehschlitz, ist in Afghanistan weit verbreitet. Es gab Protest von muslimischer Seite. Daraufhin erklärte Ghani laut Guardian: «Manche behaupten, dass ich gegen den Tschador [Kopftuch] bin. Das bin ich nicht. Im Gegenteil, ich stehe für traditionelle Werte.» Die 66-Jährige ist sich bewusst, dass sie sich auf dünnem Eis befindet. Trotzdem sieht sie im Engagement für Frauenrechte offensichtlich ihre Aufgabe: Auf der Konferenz einer US-Hilfsorganisation in Kabul forderte Ghani bessere Bildungschancen für Frauen in Afghanistan. Mädchen, die in die Schule gehen, sind hier eher Ausnahme als Regel. Circa 80 Prozent der Frauen können daher nicht lesen und schreiben.

Religiöse Spannungen

Als Rula Ghani und ihr Mann 2002 aus den USA an den Hindukusch kamen, wurde Aschraf Ghani Finanzminister. Seine Frau arbeitete für die Hilfsorganisation «Aschiana» (Nest). Diese kümmert sich um Familien und Kinder, die auf der Strasse leben, denn staatliche Unterstützung gibt es kaum. Heute freuen sich viele über den frischen Wind im Präsidentenpalast, auf andere wirkt die emanzipierte First Lady bedrohlich. Laut bayerischem Sonntagsblatt warnte der konservative Abgeordnete Kasi Nasir Ahmad Hanafi: «Wir brauchen einen muslimischen Präsidenten, und seine Familie soll muslimisch sein.» Er drohte, dass der Palast durchaus wegen der Christin gestürmt und zerstört werden könnte. Die Präsidentengattin reagierte auf die Vorwürfe, dass sie keine Afghanin sei, indem sie einen afghanischen Namen annahm. Mit 99,9 Prozent Muslimen in der Bevölkerung hat Rula Ghani als Christin definitiv eine Sonderstellung – und die nutzt sie.

Datum: 09.12.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / TheGuardian / Sonntagsblatt

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