Bausteine: Hanspeter Nüesch, Campus für Christus arbeitet seit etlichen Jahren mit Hilfsprojekten in kommunistischen Ländern wie Nordkorea. Wie können Sie mit Behörden eines Landes zusammen arbeiten, das stalinistische Züge trägt? Wie hat sich der Kontakt zu den Behörden entwickelt? Und kommen sie auch mit dem einfachen Volk in Kontakt? Können die Kontakte auch zum Gespräch über das Evangelium genützt werden? Helfen die Kontakte den Christen im Land? Können Sie Schlüsse aus Ihren Erfahrungen für eine zeitgemässe Missionsstrategie ziehen?
Hanspeter Nüesch: „Wegen Naturkatastrophen stehen wir vor einem kritischen Versorgungsengpass und steuern einer Hungerkatastrophe entgegen, wenn uns niemand hilft. Sie sind doch Christen. Bitte helfen Sie uns!“ Auf diese Anfrage eines hohen nordkoreanischen Funktionärs im Oktober 1995 reagierten wir, indem wir einige hundert Tonnen Reis schickten. Ich begleitete die Reislieferung und sah dabei sehr schnell, dass wir als kleine Organisation besser helfen können, wenn wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Wir nahmen in der Folge Kontakt mit der Schule für Landwirtschaft in Salez auf, dem Schweizerischen Bergbauernverband sowie den uns bekannten gläubigen Agronomen. Sowohl in Nordkorea wie in der Schweiz bilden wir nun seit 1996 nordkoreanische Agronomen und Bauern in Viehwirtschaft, Futterproduktion und Milchverarbeitung aus. Als Folge unserer acht Musterbetriebe sind u.a. über 200 Joghurt-Produktionsstätten in ganz Nordkorea entstanden. Menschen brauchen Eiweiss, auch wenn sie stalinistisch erzogen worden sind.
Als engagierte Christen geniessen wir ein besonderes Vertrauen bei den nordkoreanischen Behörden. „Religiöse“ sind in ihren Augen gute Leute, auch wenn sie als etwas naiv gelten. Wir haben immer mit offenen Karten gespielt, uns nie vor den Statuen Kim Il Sungs verbeugt, vor den Mahlzeiten gebetet etc. Wir bemühen uns, nicht negativ über sie zu reden, sondern sie zu segnen. Mehrmals haben sie das besondere Vertrauensverhältnis zu uns erwähnt. Es gibt meines Wissens kein ausländisches Hilfsteam, das permanent auf dem Land stationiert ist und nicht nur in Pjöng-jang im abgeschotteten Diplomatenbezirk. So haben unsere Leute relativ enge persönliche Kontakte mit der Bevölkerung.
Mit Funktionären und Regierungsvertretern hatten wir manch offenes Gespräch über Gott und unseren Glauben. Bei Kommunisten kann man nur mit absoluter Offenheit etwas erreichen. Solange sie etwas unter Kontrolle haben, ist es in Ordnung. Das heisst aber auch, dass sie es nicht wünschen, dass wir ideologische Fragen mit den Menschen der Basis besprechen. Daran halten wir uns, ausser wir werden nach unserem Glauben gefragt, und das geschieht unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Nordkorea immer wieder einmal.
Leider können wir den Christen im Land nicht direkt helfen. Wir hatten bisher nur Kontakt zu den drei offiziellen Kirchen in Pjöngjang. Diesen haben wir an einem offiziellen Anlass mit Funktionären JESUS-Filme sowie Videorecorder übergeben, worüber sie sehr dankbar waren.
Ob in Russland, China, Kuba, der Mongolei oder eben Nordkorea: Wichtig ist, dass wir transparent sind und offen zu unserem Glauben stehen. Sonst haben sie Angst, wir hätten noch versteckte Ziele. Ich teile die meisten Ziele der Sozialisten. Als Christen können wir ihnen helfen, ihre idealistischen Ziele der Solidarität und Gerechtigkeit umzusetzen. Wir wissen, dass dies nur in enger Verbindung zu Jesus Christus in der Kraft des Heiligen Geistes geschehen kann. Wir sollten diese Erfahrung mit so vielen Menschen wie möglich teilen, unabhängig ihrer politischen Überzeugung. Die praktische Hilfe ist Türöffner für die Verkündigung des Evangeliums. Doch nicht allein deshalb sollten wir helfen, sondern weil uns in den armen, bedürftigen und geschundenen Menschen Jesus selber begegnet (Mt 25: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt …). Ganzheitliche, zeichenhafte Evangelisation ist mehr denn je gefragt.
Datum: 20.10.2003
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Bausteine/VBG