Darin beanstandet Obiora Ike die Zustände in den völlig überfüllten Gefängnissen, die dazu führten, dass den Inhaftierten der von der Verfassung garantierte Schutz der Menschenwürde und das Recht auf eine freie Entfaltung des Bürgers nicht einmal ansatzweise gewährleistet seien. "Die vernachlässigten Gefangenen sind häufig unterernährt, werden in ihrer menschlichen Würde misshandelt und müssen nahezu unvorstellbare Ungerechtigkeiten ertragen. Manche warten jahrelang auf ein gerichtliches Verfahren", empört sich Obiora Ike. Das Justizsystem versage, was dazu führe, dass manche Häftlinge, die von den Strafanstalten entlassen werden, "krimineller" seien als vor deren Inhaftierung. Die Konferenz der Gefängnisseelsorger fordert deshalb alle an der Strafjustiz Beteiligten zu einem würdevollen Umgang mit den Inhaftierten auf. Seelsorger berichten: „Die Gefängnisse sind hoffnungslos überfüllt. Die Inhaftierten leben in verschmutzten Zellen, die sanitären Zustände sind desolat; Infektionskrankheiten verbreiten sich und die Sterblichkeitsziffer steigt an. Die Regierung ist dazu verpflichtet, die von der Verfassung vorgesehenen Schutz aller Bürger, auch der in Gefängnissen Inhaftierten, durch die Gerichtsbehörden, die Polizei und das Gefängnispersonal zu gewährleisten.“ Die nigerianische Konferenz der Gefängnisseelsorger verurteilt die langen Wartezeiten auf die Gerichtsverhandlungen auf das schärfste. Ike: "Diese Situation betrifft mehr als 80 Prozent der Häftlinge und führt zu einer unnötigen Überfüllung der Gefängnisse. Das Rückgrat des Rechtssystems basiert auf der Unschuldsvermutung und auf der Gewährleistung eines fairen Gerichtsverfahrens. Bedauernswerterweise sind viele unschuldige Bürger manchmal bis zu zehn Jahren ohne Verfahren oder Verurteilung in den Gefängnissen. Wenn die Verdachtsmomente nicht bewiesen werden können, müssen die Betroffenen unverzüglich freigelassen werden. Die andauernde Inhaftierung ist eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte." Kritik übt der Menschenrechtler auch daran, dass Akten verloren gehen, Menschen schikaniert werden, Bestechung, Einschücherung und Brutaltität stattfinden - Praktiken, die in klarem Widerspruch zum Gesetz und gegen ein menschliches und demokratisches Rechtssystem stehen. Eine weitere traurige Tatsache betrifft jene Kinder, die in den Gefängnissen Nigerias zur Welt kommen. Die Konferenz verurteilt es in höchstem Masse, dass Frauen in den Gefängnissen geschwängert würden. Die Übeltäter müssten vor dem Gesetz verantwortlich gemacht werden. Die Gefängnisseelsorger bittet darum, dass schwangere Frauen nicht überführt werden sollen, solange die Kinder nicht abgestillt sind. "Kinder sollten nicht dazu verbannt sein, in Gefängnissen und unter dem korrupten Einfluss der Haftanstalten aufwachsen zu müssen. In manchen Fällen werden Eltern und Erziehungsberechtigte von Kindern eingesperrt, ohne auf das Wohl der Kinder Rücksicht zu nehmen, die dadurch einer ungerechtfertigten Vernachlässigung und einem psychologischen Trauma ausgesetzt sind. Es gibt Fälle von minderjährigen Jugendlichen, die eingesperrt, in den Gefängnismauern misshandelt werden. All diese Zustände stehen im klaren Widerspruch zur Verfassung, zu Internationalen Konventionen und zum Gewohnheitsrecht", so Ike. Die Vorgangsweise unter dem System der Scharia in manchen Bundesstaaten in Nigeria habe die Seelsorge in den Gefängnissen erschwert und zum Teil unmöglich gemacht. In jenen Bundesstaaten, wo die Scharia offiziell eingeführt worden ist, werde andersgläubigen Menschen der Zugang zu religiösen Diensten verweigert. Durch Versprechungen der Haftentlassung wurden Gefangene dazu bewegt, zum Islam überzutreten. Laut Ike häufen sich die Fälle, wo christliche Seelsorger daran gehindert werden, Gefangene zu besuchen und zu betreuen. Die IGFM macht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die nigerianische Verfassung jeden Verstoss gegen das Recht auf Religionsfreiheit und auf Selbstbestimmung der Bürger verurteilt, auch wenn diese in Gefängnissen sind. Die derzeitige Situation in den nigerianischen Gefängnissen macht es unmöglich, ihre korrigierende Rolle im Sinne einer Resozialisierung der Häftlinge zu erfüllen. Gefangene verlassen die Gefängnismauern ohne jegliche Bemühung, um eine Verbesserung ihrer Moralvorstellungen und ihres Verhaltens. Unschuldige und solche, die zum ersten Mal eingesperrt waren, wachsen in den Gefängnissen zu Kriminellen heran, was zu einer beängstigenden Rückfallquote führt. In der nigerianischen Gesellschaft sei ein direkter Zusammenhang zwischen der sozialen und wirtschaftlichen Situation der Menschen und der Kriminalitätsrate ersichtlich. Die Armut führe zu einer Steigerung der Kriminalität. Die hohe Arbeitslosigkeitsrate verleite Menschen zu kriminellen Handlungen. Die Konferenz appelliert deshalb an die Regierung, dringend tätig zu werden ein soziales Netz aufzubauen, um gegen den ständig sinkenden Lebensstandard in Nigeria anzukämpfen Die Konferenz der Gefängnisseelsorger und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte rufen zu einer Gefängnisreform auf; vor allem soll den Gefangenen die Möglichkeit gegeben werden im Gefängnis einer Beschäftigung nachzugehen. Dadurch könnten sie zu ihrem eigenen Lebensunterhalt beitragen sowie an der Entwicklung der Gesellschaft teilhaben. Auf diesem Wege würde die Wirtschaft des Landes unterstützt und nicht wie bisher durch eine Belastung der bereits spärlichen Ressourcen weiters geschwächt. Obiora Ike: "Eine unverzügliche Reform des Polizeiwesens in Nigeria ist dringend notwendig. In einem demokratischen System hat der Gesetzgeber die Aufgabe, die Rechte der Menschen und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Konferenz ruft den Gesetzgeber dazu auf, sich unverzüglich um die Verbesserung der Lage in den Gefängnissen zu bemühen, gegen die Verzögerung der anhängigen Prozesse, Missbrauch und Gewaltanwendung in den Gefängnissen und Korruption der Justizbeamten vorzugehen." Quelle: IGFMUnhaltbare Zustände
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Gefängnis- und Polizeireform gefordert
Datum: 15.09.2003