Tagung in Zürich

Evangelisation für die Zukunft der Landeskirche

Sind die Christen noch überzeugt, dass das Evangelium eine gute Nachricht ist? Das Landeskirchen-Forum machte an einer Tagung am letzten Samstag in Zürich Mut, mit Evangelisation Kirche alltagsnah zu gestalten. Die Tagungsteilnehmer beschlossen eine Resolution zu ihrem missionarischen Auftrag.
Eine neue Sicht für wachsende Kirche: Ulrich Mack
In den Alltag hinein sprechen: Verena Aeppli-Kobel
Engagiert: Die Resolution wurde von Pfr. Fredi Aeppli vorgestellt…
…und in Kleingruppen kurz besprochen.

Die bibelorientierten Reformierten, die im Landeskirchen-Forum vernetzt sind, halten unverblümt fest: „Die reformierten Schweizer Landeskirchen leiden an der Basis unter einer Ausdünnung von Glaubensinhalten und verlieren gleichzeitig an gesellschaftlicher Relevanz.“ Eine neue Gewichtung des missionarischen Auftrags sei nötig für die Profilierung im multikulturellen Umfeld.

Evangelium einladend weitergeben

In den 10 Punkten wird unter anderem festgehalten, dass „Mission aus einem Lebensstil wächst, der vom Evangelium geprägt ist“. Das Landeskirchen-Forum ruft die reformierten Synoden auf, „in jeder Landeskirche ein Amt für missionarische Gemeindeentwicklung zu schaffen, das die Weitergabe des Evangeliums und die Einladung zur Nachfolge Jesu Christi fördert“.

Prälat Ulrich Mack, Regionalbischof der evangelischen Landeskirche in Stuttgart, schilderte in seinem Vortrag vor 75 Personen den Umschwung in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): Seit der Synode von 1999 wird wieder über Mission und Evangelisation gesprochen. (Dieser Kurs wurde an der Synode 2007 >> http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/39792, die diese Woche stattfand, bekräftigt.)

Wenn christlich nicht mehr normal ist…

Mack betonte, es liege „im Wesen der frohen Botschaft, dass sie hinausgerufen und laut verkündigt wird“. Von der Reformation her solle jede Christin und jeder Christ über den Glauben nachdenken und Auskunft geben können. Vom Pietismus des 17.-19. Jahrhunderts, der dies förderte, zehrt die Württemberger Landeskirche noch. Ihr Stuttgarter Vorsteher gab sich dankbar für die „Möglichkeiten, die die Kirche heute hat“, ohne die Entkirchlichung seit der Aufklärung zu beschönigen. Drastisch verlief sie in der DDR. Was sie sei, wurde eine Frau in Leipzig gefragt, christlich oder atheistisch? Die Frau, so Mack, antwortete: „Wie, was, christlich, atheistisch – ich bin normal, halt.“

Jesus – oder lieber Bach?

Wenn heute in und neben der Säkularisierung Religiöses wieder Thema wird, sind die Kirchen besonders herausgefordert. Mack fragte: „Wie wird aus einem spirituellen Gefühl Glaube? Wie werden an einem Kultur-Event Interessierte Christen? Wie wird aus einer Johann Sebastian Bach verehrenden Gemeinde eine Jesus Christus verehrende Gemeinde?“ Der Theologieprofessor Eberhard Jüngel habe mit seinem Vortrag vor der EKD-Synode 1999 formuliert, dass Kirche über sich hinauszugehen habe: Wenn die Kirche noch ein pulsierendes Herz hätte, „würden Evangelisation und Mission den Herzschlag der Kirche in hohem Mass bestimmen“.

Gemeinden mit Profil

Ulrich Mack ging auf vier Punkte näher ein, die eine wachsende Kirche auszeichnen: Ein sprachfähiger Glaube, einladende Gottesdienste, „Kinderstuben des Glaubens“, in denen Erwachsene das Leben mit Christus entdecken können, und Gemeinden mit klarem Profil sind Bereiche, in denen die Landeskirchen zulegen sollten. Dabei mahnte Mack, nicht auf kirchliche Programme und Leistung zu setzen, sondern „Wachstumskräfte, die Gott schenkt, wahrzunehmen“.

Zu ihrer Profilierung erwägen deutsche Landeskirchen auch die Anerkennung und Förderung von Personalgemeinden, die sich nicht örtlich, sondern über die Leiterperson definieren. Das EKD-Papier „Kirche der Freiheit“ formuliert als Perspektive kühn, dass 2030 nur noch die Hälfte aller Gemeinden durch den Wohnort bestimmt sind. Mack betonte, dass der Gleichgültigkeit in der Gesellschaft – und der entsprechenden Resignation in der Kirche – ein Klima des Glaubens entgegenzustellen sei. Die Kirche solle „Menschen aus einer wabernden Religiosität herausführen und ihre Identität an Christus binden“.

Hilfe für überforderte Eltern

Der Zürcher Kirchenrat Andrea Marco Bianca, der ein Grusswort hielt, betonte mit Verweis auf die letzten Legislaturziele, dass Mission zum Kern des Kircheseins gehört. Im weiteren Verlauf der Tagung ging es um verheissungsvolle Entwicklungen in Gemeinden und Bewegungen. Drei Berichte zeigten, wie Menschen durch das Evangelium verändert werden.

Die Jegenstorfer Erwachsenenbildnerin Verena Aeppli-Kobel bietet Kurse an, die präzis auf Bedürfnisse und Sinnfragen von Paaren, Frauen und Erziehenden zugeschnitten sind. Sie achtet auf eine Atmosphäre von „Wertschätzung, Respekt und Barmherzigkeit“ und sucht den Erwachsenen angesichts der Anspannung in der Lebensmitte konzentrierte Anstösse für gesunde Wandlungsprozesse zu vermitteln. „Kurse sollten erholsam, ermutigend, lustig und schön sein – nicht noch einmal eine Schulung.“ Verena Aeppli motiviert Teilnehmerinnen, Gelerntes und Erfahrenes selbst weiterzugeben.

Wenn Glaube erlebbar wird

Esther Rüegger-Kaspar berichtete von Mitarbeiterforen in der Kirchgemeinde Winterthur-Seen. Diese Foren, Abende mit einer Mahlzeit, Lobpreis, Referat, Diskussion und Gebet, ermöglichen den 20-35 Teilnehmenden, „ungezwungen andere Christen kennenzulernen und zu beobachten, wie sich der Glaube in ihrem Leben auswirkt“. Es gehe um praktische Hilfe, um Mentoring („ich ha gmerkt, im Ernstfall verhebet’s“). Viele seien überrascht von der Qualität der Beziehungen, die sich ergäben, sagte Esther Rüegger. Die Leitenden achten auf eine erwartungsvolle Haltung, indem sie vermitteln: „Es ist noch mehr möglich – und ihr seid ein Teil davon“.

Europäischer Prozess mit Tränen und Lachen

Kathrin Reusser von der Fokolargemeinschaft Zürich und der reformierte Ökumene-Beauftragte Peter Dettwiler schilderten das wachsende Miteinander von christlichen Bewegungen und Kommunitäten im Prozess zwischen ihren Europa-Treffen in Stuttgart 2004 und 2007. Dabei kamen evangelische Charismatiker und traditionelle Katholiken einander nahe als Brüder und Schwestern, was sie tief bewegte – angesichts der konfessionellen Spaltung Europas eine bemerkenswerte Basisbewegung.

Am Nachmittag besprachen und verabschiedeten die Teilnehmenden eine Resolution zum missionarischen Auftrag der Kirchen, die vom Ausschuss des Landeskirchen-Forums erstellt worden war. Zum Abschluss diskutierte das Plenum mit den ReferentInnen. Dabei betonte Ulrich Mack, dass Mission nicht nur in den Ländern des Südens geschehen muss, sondern auch hier. Peter Dettwiler unterstrich, dass die Bewegungen in Europa noch Zeit brauchen, um sich zu finden. Reusser fokussierte auf die lokale Ebene: „Miteinander für Europa“ – nun für Zürich, für Schaffhausen: dafür gelte es wachsam zu sein. „Wo lebt das schon?“

Datum: 09.11.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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