Wie ein DDR-Junge zum Bildungsreferenten wird

Konrad Fläming Liess sich durch widrige Umstände nicht abhalten.

"Aude sapere - wage zu wissen!" Das könnte als Motto über dem Leben von Konrad Flämig stehen. Angst vor zuviel Bildung hatte der bärtige Mann aus der ehemaligen DDR nie. Als Referent des Deutschen EC-Verbandes (Entschieden für Christus) gibt er sein Know-how heute an andere weiter.

"Man kann über eine Mitarbeiterzeitschrift viel vermitteln", sagt Konrad Flämig, "eine gute Form der Mitarbeiterprägung. Aber was wir vor allem brauchen, ist die gemeinsame Praxis. Aktionen, mit denen wir zusammen nach aussen gehen, öffentlich werden! Das ist ganz wichtig für die eigene Identität. Da präsentieren wir unsere Gemeinden und bringen evangelikale Jugendarbeit voran!"

Ostdeutsches Multitalent

Konrad Flämig hat es gelernt, Spielräume intelligent zu nutzen. In der Zeit der DDR ebenso wie im wiedervereinigten Deutschland. Ein Kämpfertyp, beharrlich, zäh und besonnen, mit einer beachtlichen Portion Mut und kreativer Kompetenz. Wie eine Bildungsreise der besonderen Art lesen sich die Stationen seiner beruflichen Entwicklung: Prediger im sächsischen Gemeinschaftsverband, Mitglied im DDR-Leitungskreis des Gnadauer Jugenddienstes, Jugendpolitischer Vertreter in der Arbeitsgemeinschaft Christliche Jugend. Während der Wende moderiert er am Runden Tisch, wird dann durch den Deutschen Jugendverband "Entschieden für Christus" (EC) als Leiter des Born-Verlags nach Kassel geholt, zum Bildungsreferenten berufen, als Geschäftsführer der EC-Reisen GmbH eingesetzt. Aufgaben, die er als Multitalent über lange Zeit parallel wahrnimmt.

Wache Ohren

" Ich habe mich weitergebildet, indem ich immer wieder neue Aufgaben übernommen und irgendwann mal den Abschluss gemacht habe", erzählt der 49-Jährige, als er mir in seinem nordhessischen Zuhause gegenüber sitzt, relaxt, mit blaugrauem Hemd, kurzen Hosen, Sandalen: "Was ich gebraucht habe, musste ich mir erst erobern, den PC zum Beispiel, oder die Verlagsleitung." Inzwischen landet fast jeder bei Konrad Flämig, der sich mit einer Spezialfrage an den EC wendet. In der Bundeszentrale ist er bekannt für sein breites Querschnittswissen: Rechtsfragen, Aufsichtspflicht, Jugendpolitik. Seinen Input holt er sich bei Seminaren, aus Fachbüchern oder im Internet, sitzt mit wachen Ohren in Gremien. Doch er liebt auch das Handwerkliche, putzt die Scheune, bastelt am Haus.

Nostalgische Eleganz

Das alte Fachwerkhaus im nordhessischen Helsa haben die Flämigs nach der Wende gekauft: Baujahr 1650, mit niedrigen Räumen, dicken Eichenbalken, kleinen Fenstern, alten Möbeln, Klavier, Grünpflanzen. An den Wänden hängen selbstgemalte Aquarelle und Bleistiftzeichnungen des Hausherrn. Einträchtig zieren Geografica und Pilzatlas, Humor von Lieblingsautor Ephraim Kishon und die Reprint-Ausgabe einer Uralt-Lutherbibel den Wohnzimmerschrank. Das ist kein Zuhause aus dem Katalog. Eher schon Refugium eines bewegten Familienlebens, faltig irgendwie, unverbogen, mit einem Hauch DDR-Ambiente und von eigenwillig nostalgischer Eleganz. Gefunden hat Konrad Flämig das betagte Gebäude mit Zirkel und Landkarte. "Ich habe einfach einen Kreis von 30 Kilometern um die EC-Zentrale gezogen und geschaut, wo es schön ist", schmunzelt er. Auch das ein Zeichen seiner Kreativität.

Scharfzüngige Diskussion

Konrad Flämig kann nicht verleugnen, dass er aus Sachsen stammt. "Wenn ich zu reden anfing, wusste jeder gleich, dass der Osten jetzt dazugehört", erinnert er sich an den Einstieg in die Arbeit des EC-Bundesverbandes. Und rattert die wichtigsten biografischen Daten seiner Jugendzeit herunter: Geboren in Callenberg, Vater Vermessungstechniker, Mutter Bürokauffrau, zwei Brüder. Die ersten prägenden Lernerfahrungen macht er in Oberlungwitz, 13 Kilomenter entfernt von Chemnitz, der "Strumpfstadt" der DDR. Die Eltern sind überzeugte Christen, der Grossvater überzeugtes Mitglied der SED. "Da wurde das Leben erklärt", flachst Konrad Flämig, "aus der Bibel und aus dem Neuen Deutschland." Vielleicht aus dieser Zeit stammt seine Vorliebe für analytisches Denken und scharfzüngige Diskussionen. Der Bildungsreferent: "Wir müssen für geistliche Überzeugungen eintreten, Themen und Positionen offensiv besetzen! Sonst sind immer die vorne, die situationsethisch argumentieren. Ich habe da keine Scheu, auch wenn es richtig zur Sache geht!"

Sozialistische Schikane

Zur Sache ging es schon früh in seinem Leben. "Wir hatten einen Offizier als Lehrer, der liess die Klasse aufstehen und jeden auslachen, der in die Christenlehre ging", schildert er eines der schikanösen Erlebnisse seiner Schulzeit. Als Nichtmitglied der Freien Deutschen Jugend wird ihm der Zugang zur Uni zunächst verweigert. So macht der dreimalige Leistungsträger der sächsischen Mathe-Olympiade eine Berufsausbildung als Facharbeiter für Datenverarbeitung und Büromaschinen. Und meldet sich anschliessend zur theologischen Ausbildung am Ostberliner "Paulinum". "Dahinter stand ein klares Berufungserlebnis", begründet Konrad Flämig diese Entscheidung, die ihn nach dem zweiten Examen in den Predigtdienst des sächsischen Gemeinschaftsverbandes führt. Bald ein Schwerpunkt: Mitarbeiterschulung und Materialerstellung. "Eine ständige Herausforderung in der DDR-Mangelwirtschaft", erinnert er sich.

Lust auf Leistung

Die Dinge von allen Seiten betrachten, Entwicklungen wahrnehmen, Informationen speichern, vernetzen und kreativ für andere verfügbar machen - darin sieht Konrad Flämig bis heute seine wichtigste Aufgaben als Bildungsreferent. "Das kann nicht nur über Printmedien laufen", sagt er. "Mitarbeiter müssen sich austauschen können, Erfahrungen machen, das Lernen erleben." Er bietet deshalb vor allem Praxisseminare an, legt Wert auf methodische Schulung, Projektarbeit, praktische Übungen und Einsätze. Sein Ziel: "Horizonterweiterung für junge Christen, Wissenserweiterung, Vermittlung motivierender Erfahrungen, kreative Fitness, Lust auf Leistung."

Kein Wendehals

Renate Flämig serviert Kaffee und Kuchen. "Was ist eine besondere Stärke Ihres Mannes?", frage ich sie. "Seine Toleranz", sagt sie dann, "der Umgang mit Christen, die geistlich anders geprägt sind. Und seine Fähigkeit, mit unerwarteten Wendungen umzugehen, ohne ein Wendehals zu sein." 26 Jahre ist das Ehepaar in diesem Jahr verheiratet. Zur Silberhochzeit haben ihnen ihre fünf Töchter eine Fotocollage geschenkt, die jetzt im Wohnzimmer hängt. Von dort lachen sie dem Papa täglich zu, wenn er sich auf den Weg ins häusliche Arbeitszimmer macht: Bücherregale bis zur Decke, Stammbaum an der Wand, Computerarbeitsplatz, Bettcouch. Hier sitzt der Schriftleiter von "Auftrag und Weg" auch schon mal bis in die Nacht an Manuskripten und Arbeitspapieren. Sein Büro hat er in der EC-Bundeszentrale in Kassel.

Fundiert und offensiv

"Als Hauptamtliche haben wir die Aufgabe, Mitarbeiter geistlich zu fördern, motivierend zu begleiten, für die Herausforderungen unserer Zeit zu schulen und Praxishilfen zur Verfügung zu stellen", sagt Konrad Flämig zum Abschluss unseres Gespräches. Wir sollten Fundamente vermitteln, damit junge Christen ihren Glauben offensiv bezeugen und biblisch fundiert Stellung beziehen können. "Sparen können wir uns ängstliches Überwachen, kleinkarierte Methodenkritik und jede Form frommer Beruhigungspädagogik! Was wir brauchen ist keine Negation, sondern Position!"

Datum: 14.11.2003
Autor: Günther Kress
Quelle: Chrischona Magazin

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