Ein reines Herz

Walter Gasser.

Die „Väter“ der alten Kirche haben aufgrund ihrer psychologischen Menschenkenntnis eine klassisch ge­wordene Aufzählung von Leidenschaften in einem „Lasterkatalog“ beschrieben und ihnen die entsprechenden Tugenden gegenüber gestellt. An zwei vergangenen Studientagungen der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) wurde deutlich, dass ein „reines Herz“ nur über einen lebenslangen Prozess Gestalt gewinnen kann.

Durch den Opfertod von Jesus sind Christen rein geworden, be­tonte VBG-Studienleiter Walter Gasser. Gerade deshalb müsse aber anschliessend der Weg der Heiligung be­ginnen.

Der gute Umgang mit Grundgefährdungen

Der Referent nannte verschie­dene Hilfen im Umgang mit den Grundgefährdungen (unten aufgeführt). Wer einer Versuchung erle­gen ist, soll nicht nur um Verge­bung bitten sondern auch unter­suchen, wie es dazu gekommen ist und damit den „Mechanismus“ des Lasters kennen ler­nen. Hilfreich sind „Gegenworte“. Dabei wird einige Minuten lang mit lauter Stimme ein der Versuchung entgegen gesetztes Bibelwort gerufen. Zu „Habgier“ etwa das Wort „Verschliesse dei­ne Hand nicht vor dem Bedürfti­gen, sondern öffne sie ihm und gib ihm, soviel er bittet“ (5 Mose 15, Vers 17). Am besten lässt man sich durch Gottes Geist ein Bibelwort zeigen. Schliesslich könne man von Jesus lernen, bei dem sich sämtliche Tugenden fänden.

Mit übermässigem Essen – dem Laster der Völlerei – werde oft Liebesverlust ausgeglichen. Auf die Erfahrung „Ich bin nicht geliebt“ folge das Verschlingen von Süssigkeiten, Sorgen wür­den im Alkohol ertränkt. Hier würden Fragen zur Selbstbeob­achtung weiterhelfen: Welcher Seelenhunger steckt hinter die­sem Verhalten, welches Gefühl war der Auslöser, welches Ge­spräch hat vorher stattgefunden? Gasser nannte als mögliche Gegenmassnahmen regelmässi­ge Fastenzeiten oder Mahlzeiten, bei denen man sich bewusst nicht satt isst. Es gehe letztlich um die Balance zwischen Ver­zichten und Geniessen.

Auch im Laster könnten sich Lebensenergien, ja sogar verbor­gene Tugenden zeigen. In der Regel sei man unterwegs zur Tu­gend. „Wer dauernd auf der Sei­te der Tugend ist, ist ein Heiliger“. Tugenden könnten auch perfektionistisch oder gesetzlich missverstanden werden und so kippen. Wenn Laster zu stark werden, riet der Referent, könne therapeutische Hilfe angebracht sein.

Das richtige Mass finden

„Gott hat im Gegensatz zu uns ein unbegrenztes Mass“, sagte VBG-Berater Rolf Lindenmann an der Tagung. Es sei leichter, die ei­gene Beschränktheit anzuneh­men, wenn man die Grosszügig­keit Gottes sehe. Massgebend sind laut dem Re­ferenten nicht andere Menschen sondern das, was wir von Gott zu­geteilt bekommen haben. Das können wir nicht wählen, nur ent­decken. Wenn wir das tun, was Gott für uns vorbereitet hat, sind wir nicht überfordert. Dabei sind wir auf tägliche Führung „von oben“ angewiesen. Ein Über­mass an Tätigkeit ist oft mehr Ausdruck von Unglaube als von einem grossen Glauben. Falsche Antreiber seien „der Welt etwas beweisen wollen“, Minderwertig­keit, Menschengefälligkeit, vor­geschobene Sachzwänge und Unklarheiten in der Zielsetzung.

Um aktiv das gesunde Mass zu finden ist es wichtig, die feinen Signale des Körpers und der See­le – etwa Nervosität, Krankheit in den Ferien oder den Verlust an Kreativität – wahrzunehmen. Es sei zwar möglich, kurzfristig über das Mass zu leben, Ziel sei aber ein Lebensstil, bei dem Input und Output in einem gesunden Mass und im Einklang mit den „von Gott vorbereiteten Werken“ stün­den. Aus Erfahrungen gelte es zu lernen, vor grossen Entscheidun­gen sei jeweils eine Bedenkzeit angebracht. Mit Gottes Hilfe sei der Ausgleich zwischen Tätigkeit und Sein anzustreben. Der Refe­rent empfahl, vor allem mit den Stärken zu leben und nicht zu viel Zeit auf Schwächen zu verwen­den. Es gehe weniger um einen Abwehrkampf sondern darum, positive Ziele zu formulieren und sich darauf zu konzentrieren.

Laster und Tugenden

(HPS) Die Kirchenväter haben acht Laster und entsprechende Tugenden beschrieben:
- Völlerei – massvolles Geniessen, Verzichten
- Unzucht – Keuschheit
- Habgier – Genügsam­keit, „Armut“
- Trübsinn – Heiterkeit
- Zorn – Sanftmut, Besonnenheit
- Trägheit – Mut, Enthusiasmus
- Ruhmsucht – Bescheidenheit
- Hochmut – Demut

Die Tagung liegt bereits einige Zeit zurück.

Datum: 12.06.2007
Autor: Hanspeter Schmutz
Quelle: Bausteine/VBG

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