„Big Brother“ auf Arabisch funktioniert nicht

Reality TV im Libanon (Szene aus "Al-Hawa Sawa"): Backen statt blank ziehen
Frauen protestieren in Bahrain gegen die Reality-TV-Shows

Vor kurzem ist das erste arabische Reality-TV-Experiment nach dreimonatiger Kontroverse kurz vor dem Höhepunkt geplatzt. Die Verkuppelungs-Show „Hawa Sawa“ (Miteinander auf Sendung), im Libanon produziert, zeigte junge Frauen aus verschiedenen Ländern in einem Ausscheidungswettbewerb. Die Teilnehmerinnen stellten sich in einem Beiruter Hotel den Zuschauern vor; Bewerber konnten anreisen und die Schönheiten im Hotel im Blick auf einen Heiratsantrag persönlich kontaktieren.

Dem Siegerpaar winkte nicht ein Date (was im arabischen Raum als westlich dekadent und völlig unmoralisch gilt), sondern die Heirat und ein Honeymoon in Malaysia. Die Show platzte, als nur noch zwei Frauen im Rennen waren. Die eine Kandidatin, die 21-jährige Algerierin Aisha, brach in Tränen aus und floh die Show mit dem Bekenntnis, dass sie den gegebenen Bräutigam nicht heiraten wolle.
Ein Kommentator, der früher selbst einmal in einer vergleichbaren türkischen Show mitmachte, meint, sie werde nun im konservativen islamischen Milieu dafür verachtet werden, dass sie sich (ohne einen Mann zu finden!) so vielen Männern zeigte. Nichts empöre hartgesottene Islamisten mehr als die Aussicht, ihre jungen Männer und Frauen könnten ungezwungen – und noch schlimmer: öffentlich – miteinander Umgang pflegen.

Untragbar: Zwölf in der Inselvilla

Für diese Einschätzung spricht auch ein anderer schüchterner Reality-TV-Versuch am Golf, der noch rascher, nämlich innert einer Woche scheiterte. Schauplatz: das vergleichsweise liberale Bahrain, wo das Königshaus Reformen durchführte, wo aber islamische Bewegungen die Mehrheit im Parlament haben.

Für die Show wurden sechs ledige Männer und gleich viele Frauen aus der arabischen Welt nach der "Big Brother"-Formel eingeschlossen. Das Konzept war zuvor „arabischen und islamischen Traditionen“ angepasst worden: Boys und Girls schliefen selbstverständlich in getrennten Räumen. Die Geschlechter trafen nur in der Stube, der Küche und dem Hof aufeinander.

Doch die Unterhaltungen, sehr brav zuerst, dann lockerer, waren bald zuviel für die islamischen Sittenwächter. Ende Februar protestierten gegen tausend Islamisten auf der Insel vor Bahrain wo die Produktion lief. Ein Parlamentsabgeordneter rief den König auf, die Show zu verbieten, da die Bewerber „einander küssten, während die Frauen anstössige Kleider trugen“.

Ein prominenter Imam forderte den Rücktritt des Informationsministers, da er es nicht geschafft habe, die Jugend vor importierter Zuchtlosigkeit zu schützen. Das Konzept der Show sei „unserer Kultur fremd“, sagte der Parlamentsabgeordnete Mohammed Khalid.

Drei Tage später, am 2. März, setzte die Satelliten-Fernsehgesellschaft Middle East Broadcasting Corporation (MBC) die Produktion weiterer Folgen aus – und ärgerte damit die Zuschauer. Die Zeitung ‘Gulf News’ schrieb, der Entscheid spalte das Land. MBC ist in saudischem Besitz und wird seit 2002 von Dubai aus geleitet. Angeblich wird eine Verlegung der Produktion nach Katar erwogen.

Laut liberalen Kreisen will die Mehrheit der Bahrainis weitere Folgen sehen. Mansour Al Urayyed, Mitglied der Shura, eines beratenden Gremiums des Königs, sprach von einem negativen Signal, das einen Trend zur Intoleranz in Bahrain anzeige. „Die Liberalen im Königreich lassen eine kleine Minderheit von Islamisten im Land entscheiden darüber, was für alle gut und was nicht gut ist.“

Datum: 11.03.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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