Selbstkritik führt weiter als Entrüstung: Was die Araber falsch machen

Sadam Maske
Dr. Osama Al-Ghazali Harb

Die meisten Araber empören sich über die Besetzung des Iraks durch die Truppen der US-geführten Koalition. Dabei geht, wie sich bei Saddam Husseins Festnahme im Dezember zeigte, die Menschenverachtung seines Terror-Regimes allzuleicht vergessen.

Osama Al-Ghazali Harb stellt sich gegen die populäre Entrüstung. Der Chefredakteur der ägyptischen Fachzeitschrift Al-Siyassa Al-Dawliya (Internationale Politik) begrüsst in der neusten Ausgabe die Ergreifung von Saddam Hussein. Er wendet sich gegen die Stimmungsmache in der arabischen Welt, welche darin eine Verschwörung gegen die Araber und Muslime sehen will.

Laut der Übersetzung durch das Berliner Nahost-Medienforschungsinstitut MEMRI fordert Al-Ghazali die Araber auf, Saddam Hussein endlich als despotischen Führer einzustufen. Diesen Typ von Herrscher habe schon der arabische Denker Abdel-Rahman Al-Kawakabi im 19. Jahrhundert beschrieben: „Sitzt er einmal auf seinem Thron, versteht sich der Despot als ein Mann, der zu einem Gott wurde... Der Despot ist ein Verräter und Feigling, der von einer ihn umgebenden Truppe von Schlägern beschützt und unterstützt wird.“

In seiner Arroganz habe Saddam nicht auf den Rat irgendeines anderen Führers hören wollen. Dass nun seine Verhaftung im Erdloch „eine absichtliche und beispiellose Kränkung aller Araber und Muslime“ gewesen sein solle, weist Al-Ghazali zurück. „Diese Sichtweise setzt voraus, dass Saddam irgendwie ein Symbol für die Araber und Muslime gewesen ist, ein ‚legitimer’ Führer, dessen Handlungen sich tatsächlich an den Zielen und Wünschen des Iraks und der arabischen Welt orientiert hätten.“

Dies sei überhaupt nicht der Fall gewesen, schreibt der ägyptische Publizist, denn sein Handeln habe den Arabern geschadet. „Seine Festnahme war die eines Kriminellen und stellt weder eine Kränkung noch eine Demütigung dar, sondern ein Zeichen von Zivilisiertheit und des Respekts vor dem Gesetz.“

Al-Ghazali legt den Finger auf den wunden Punkt: „Wovon wir uns als Araber wirklich gedemütigt fühlen sollten, sind die herrschenden politischen und sozialen Bedingungen in der arabischen Welt; besonders im Irak, wo jemand wie Saddam Hussein 1968 Vizepräsident und 1979 auf eine beispiellos blutige und verschwörerische Art Präsident werden konnte.“

Zur Besinnung bringen sollte die Araber der Niedergang des Iraks, vor Saddam eines der bestentwickelten Länder der Region. Und: „Wir sollten uns gedemütigt fühlen, dass einige unserer Intellektueller - angeblich die Repräsentanten des Gewissens und die Verteidiger von Freiheit und Würde unserer Nation - nicht nur mit Saddam in Kontakt standen, sondern ihn auch noch unterstützten.

Schlussendlich sollten wir uns gedemütigt fühlen, dass die USA und Großbritannien Saddam Hussein stürzten, um ihre eigenen Interessen zu schützen. Saddam Hussein hätte aber durch Araber zu Fall gebracht werden sollen, die damit ihre Würde und ihre wirklichen Interessen verteidigt hätten.“

Die Hoffnung des ägyptischen Querdenkers für den Irak und die ganze Region kommt in folgenden Sätzen zum Ausdruck: „Wenn der Sturz von Saddam Hussein sich als Katalysator erweist und uns dazu inspiriert, demokratische Reformen in der Region zu beschleunigen, ist es nicht hilfreich, die amerikanische Intervention zum Schreckgespenst zu machen. Reform ist keine amerikanische oder britische Angelegenheit, sondern sie ist zuallererst unsere eigene Angelegenheit, für die sich die Elite und die ganze Gesellschaft einsetzen muss…“

Von ihrer Neigung zu abstrusen Verschwörungsgerüchten sollten sich die Araber endlich freimachen, meint Al-Ghazali. Denn es wäre „wirklich tragisch, wenn die Araber und Muslime weiterhin lamentieren, nach Verschwörungen suchen und es ein für alle mal ablehnen würden, sich damit auseinander zusetzten, welche Konsequenzen Diktatur, Despotismus und das Fehlen von Grundrechten und Demokratie mit sich bringen“. (MEMRI)

Datum: 20.02.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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