Ein Türöffner für Gottes Reich
SPM zoom: Markus Hofmann, Sie sind Pastor der Pfingstgemeinde Herisau. Sie sind aber auch durch eine ganz andere Tätigkeit bekannt geworden.
Markus Hofmann: Meine jetzige Haupttätigkeit ist, benachteiligten Menschen auf praktische Art und Weise die Liebe Gottes zukommen zu lassen. Über die Abgabe von Lebensmitteln ein «Türöffner für Gottes Reich» zu sein. Das hat sich über die letzten Jahre entwickelt.
Was hat Sie bewogen, diese Richtung einzuschlagen?
Bis zum 15. Lebensjahr bin ich in Afrika auf einer Missionsstation aufgewachsen. Dort habe ich schon als Kind miterlebt, wie wir als Familie und Missionare ganz praktisch der notleidenden Bevölkerung halfen. Das hat mein Leben früh geprägt. In der Schweiz stellte ich dann fest, dass es auch hier viele Menschen gibt, die am oder sogar unter dem Existenzminimum leben. Nach meiner Berufsausbildung und Heirat mit Daniela absolvierten wir unsere Ausbildung zum Pastorendienst. Danach zogen wir nach Herisau, wo wir als Leiterehepaar die Gemeindeverantwortung in der Pfingstgemeinde meines in den aktiven Ruhestand gehenden Vaters übernehmen durften. Es war eine herausfordernde, aber auch tolle Zeit.
Trotzdem hat Ihr Dienst eine ganz neue Ausrichtung bekommen...
In gut drei Jahren Pastoraldienst und vielen Predigten merkte ich, dass es andere Wege gibt, Gottes Wort und seine Liebe weiterzugeben. Ich begann, aktiv nach neuen Wegen und Lösungen zu suchen. An einem Wochenende der «Offenen Türe» in der Lebensmittelindustrie in der Nähe unseres Wohnorts fiel mir auf, dass unzählige Tonnen noch brauchbarer Lebensmittel tagtäglich entsorgt werden. Es war eine Art Schockerlebnis mit positiver Auswirkung: Es spornte mich an, etwas gegen diesen enormen «Food waste» zu unternehmen.
In den folgenden dreieinhalb Jahre besuchte ich wöchentlich die Chefs der verschiedenen Lebensmittelbetriebe und sprach mit ihnen über mein Anliegen, die überschüssigen Lebensmitteln den Menschen zukommen zu lassen, denen es finanziell nicht gut geht. Nach dieser intensiven Zeit geschah das Wunder. Die Türen gingen auf. Und so begannen wir, mit einem kleinen Anhänger Lebensmittel abzuholen und diese kostenlos und direkt an Bedürftige abzugeben. Wir wollten ein Zeichen setzen, um auf diese Weise Gottes Liebe praktisch weiterzugeben.
Eine nicht vorhersehbare sozialdiakonisch-evangelistische Tätigkeit entstand. Viele Menschen erfuhren, dass sie nicht vergessen werden, und dass es jemanden gibt, der sich um sie kümmert und sie liebt. Zwischenzeitlich hat die Arbeit so zugenommen, dass wir wöchentlich 20 bis 25 Tonnen Lebensmittel verteilen können. Gott ist grossartig – er macht auch heute noch scheinbar Unmögliches möglich.
Wie läuft normalerweise die Verteilung der Lebensmittel vom Grossisten bis zum Kunden ab?
Von Dienstag bis Freitag sammeln wir zwischen 10 und 13 Uhr Lebensmittel bei den Betrieben ein. Wir sind zwischen zwei bis vier Personen, welche aus den Retouren der verschiedenen Grossdiscounter-Filialen die brauchbaren Lebensmittel aus den Gebinden, Pallett-Gittern etc. aussortieren und palettisieren. Anschliessend werden sie in die Kühlanhänger verladen. Ab Dienstagmorgen kontaktieren uns unsere Netzwerkpartner und vereinbaren Abholtermine. Danach erfahren die Lebensmittelbezüger von uns, wann die nächste Abgabe stattfindet. An gewissen Standorten werden Sammel-SMS oder Mails versandt.
Tragtaschen mitzunehmen, ist Sache jedes Bezügers. Sich selbst telefonisch oder via Mail beim Standortverteiler zu melden, hilft jedem Lebensmittelbezüger, eigenverantwortlich handeln zu lernen. Persönlich verteilen wir in Gossau zwei bis drei Mal in der Woche vor unserem Wohnhaus Lebensmittel. Parallel oder separat holen unser Netzwerkpartner die Lebensmittel ab und verteilen sie an ihren Standorten. So läuft das etwa 40 bis 45 Wochen pro Jahr.
Als Pastor bist du in erster Linie berufen, das Evangelium zu verkünden. Wie verknüpfst du diesen Auftrag mit deinem sozialen Engagement?
Jeder Pastor wünscht sich, dass Menschen in seine Gemeinde finden und die Gemeinde wächst. Doch das geschieht nicht einfach so. Jeder Nachfolger Jesu ist berufen, in der Welt Licht und Salz zu sein: in der Schule, in der Berufslehre, am Studien- oder Arbeitsplatz, als Mutter oder Vater, am Wohnort, im Quartier etc.
Wenn wir nicht lernen, wieder aktiv raus zu gehen, werden nicht viele Kirchenferne auf Gottes Königreich aufmerksam werden und in die Gemeinde Gottes hineinfinden. Viele Menschen haben mich im gewöhnlichen Alltag beim «Brötliverteile» kennengelernt und scharf beobachtet. Und anscheinend haben die einen oder anderen etwas an meinem Lebensstil entdeckt, das sie auf Jesus Christus hingewiesen hat. Wenn wir als Gemeinde Gottes mehr Einfluss bekommen wollen, sollten wir an unseren Wohnorten auch sozial aktiv werden. Da gibt es unendlich viele Möglichkeiten…
Gab es Momente, wo das Verteilen der Lebensmittel der Verkündigung des Evangeliums im Weg stand?
Ja – das gab es auch. Jede Pionierarbeit hat ihre Entwicklungsphasen. Wir haben auch Fehler gemacht. Und aus diesen Fehlern haben wir gelernt und uns weiterentwickelt. Und dieser Lernprozess hört nie auf. Lernen ist eine Eigenschaft, die ein echter Nachfolger Jesu haben muss.
Was ist Ihnen wichtig in der Begegnung mit Menschen, denen Sie Lebensmittel verteilen?
Mir ist sehr wichtig, Menschen so anzunehmen, wie sie sind. Sie einfach zu lieben. Ich möchte an ihrem Leben teilnehmen und sie spüren lassen, dass sich jemand um sie kümmert. Ich möchte Menschen Gottes Liebe vorleben. Echt und ehrlich sein. Mit den Weinenden weinen – mit den Lachenden auch lachen. Ich will Freude weitergeben. Und sehr viele freuen sich, uns zu begegnen. Unser Ziel ist nicht, Menschen zu «bekehren», sondern alles daran zu setzen «Türöffner für Gottes Reich» zu sein.
Welches war Ihr eindrücklichstes Erlebnis im Zusammenhang mit diesem Projekt?
Eine Schlüsselperson der Lebensmittelindustrie, zu der ich eine freundschaftliche Beziehung pflege, traf ich eines Morgens nach längerer Abwesenheit im Büro an. Mein Freund sah schlecht aus. Er erklärte mir, dass er am Aufräumen seines Arbeitsplatzes sei, denn am nächsten Morgen müsse er zu intensiven Untersuchungen in Spital gehen. Dort werde abgeklärt, ob er gleich an lebenserhaltende Geräte angeschlossen werden müsse. Die Leber sei kaputt! Mein Freund sagte: «Markus, mein Leben ist am Aushauchen, und ich bin doch erst etwas über 50.»
Ich erinnerte ihn daran, dass ich selbst fünfmal kurz vor der Nieren-Dialyse gestanden und schon zweimal klinisch tot war. Jedoch habe Gott jedes Mal eingegriffen. So fragte ich ihn, ob ich für ihn beten dürfe. Er bejahte, denn er hatte nichts mehr zu verlieren. Ich bat Jesus um ein Wunder. Als ich mit dem Gebet fertig war, sah ich, dass mein Freund feuchte Augen hatte. Die Gegenwart Gottes war spürbar.
Am folgenden Tag sah ich wieder Licht im Büro meines Freundes und ging umgehend hoch. «Und wie geht es dir heute?» Aus meinem Freund schoss es heraus: «Markus, setz dich. Ich erzähle dir, was passiert ist. Nach mehrfachen sehr intensiven Untersuchungen hat die Ärzteschaft festgestellt, dass nichts mehr an meiner Leber darauf hinweist, dass sie nicht funktioniert. So wurde ich umgehend aus dem Spital entlassen und kann wieder vollumfänglich meiner Arbeit nachgehen. Ich kann es kaum fassen! Etwas ist passiert!»
Datum: 27.09.2013
Quelle: SPMzoom