Hat Francis Schaeffer Michele Bachmann geprägt?
Francis Schaeffer hat bis zu seinem Tod 1984 in Huémoz in der Waadt gelehrt, geschrieben und auch Filme gemacht, die in Europa und den USA viele Christen ermutigt und geprägt haben. Besonders sein Buch und der gleichnamige Film «Wie können wir denn leben?» (in deutscher Sprache vergriffen) hat denkende Christen geprägt. Schaeffer zeigte, dass die christlichen Wahrheiten nicht nur die persönliche Spiritualität prägen, sondern alle gesellschaftlichen Bereich umfassen sollen. Tausende junger Menschen besuchten den christlichen Denker in der Gemeinschaft L’Abri und wurden für ihr Leben geprägt.
Heute wird in den USA und in europäischen Publikationen daraus abgeleitet, Schaeffers Denken habe die religiöse Rechte in den USA und insbesondere die Tea Party entscheidend beeinflusst. Sein eigener Sohn Frank distanziert sich heute in einem Buch vom Lebenswerk des Vaters.
Schaeffers Schwiegersohn: «Michele Bachmann macht uns Sorgen»
Heute lebt Edith, die Witwe von Francis Schaeffer, in Gryon VD, wo sie zusammen mit ihrer Tochter Deborah und dem Schwiegersohn Udo Middelmann das Lebenswerk von Francis im Rahmen einer Stiftung weiterführt, während l’Abri sich zu einem Zentrum entwickelt hat, das Menschen vor allem in persönlichen Lebensfragen hilft. Die Aargauer Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 17. August 2011 davon und geht der Frage nach, ob Michele Bachmann tatsächlich eine Schülerin von Schaeffer sei. Sie zitiert dazu den amerikanischen Journalisten Christopher Findlay, der sich Amerikas rechtsevangelikalen Christen angenommen hat.
Findlay macht zwar Schaeffer für das politische Engagement der religiösen Rechten verantwortlich, weil dieser im modernen Säkularismus und Pluralismus eine Gefahr für die Gesellschaft gesehen habe. Er betont aber auch: «Schaeffer war sicherlich ein differenzierterer Denker als manche, die sich heute auf ihn berufen.» Die Familie von Schaeffer distanziere sich vom Denken Michele Bachmanns. «Was wir über Michele Bachmann lesen, macht uns Sorgen», sagt Udo Middelmann, der Bachmann schon persönlich getroffen hat. Der Theologe wirft ihr vor: «Sie reisst ein Zitat aus dem Zusammenhang, vereinfacht es und verwendet es für eigene Zwecke.»
Falsch dargestellt
Laut Middelmann wird Schaeffer heute in den amerikanischen Medien falsch dargestellt. Schaeffer habe keineswegs zu einer gewaltsamen Revolution gegen die Regierung aufgerufen, sondern im Gegenteil immer vor Extremismus gewarnt. Christopher Findlay bestätigt, Schaeffer sei kein politischer Extremist gewesen, obwohl Schaeffers Rhetorik «einen Unterton von Schwarz-Weiss-Denken» habe. Zum Beispiel wenn er das Recht auf zivilen Widerstand gegen «vermeintliches staatliches Unrecht wie Abtreibungen» postuliere. Gewalttätige Extremisten könnten dies als Freibrief für Angriffe auf Abtreibungskliniken verwenden.
Christliche Theokratie?
Stärker noch als von Schaeffer könnte Michele Bachmann vom Juristen Prof. John Eidsmore beeinflusst sein, für den die Jura-Studentin als Forschungsassistentin gearbeitet hat. Dieser warb mit einem Buch dafür, dass Amerika eine christliche Theokratie werden sollte, welche wieder alttestamentliches Recht einführt, zum Beispiel die Todesstrafe für Ehebrecher und für Homosexuelle. Bachmann spreche aber heute, so die AZ, nicht mehr so gerne über Religion.
Hinweis:
Buch und Film «Wie können wir denn leben?» sind momentan nicht mehr im Buchhandel erhältlich. Die 5. Auflage der deutschsprachigen Ausgabe aus dem Jahr 2000 ist vergriffen.
Gebrauchtes Exemplar via Internet kaufen (deutschsprachige Ausgabe)
Die englischsprachige Ausgabe aus dem Jahr 2005 ist bei Amazon erhältlich:
How Should We Then Live? (englischsprachige Ausgabe von «Wie können wir denn leben»)
Webseite:
L’Abri Fellowship
Weiteres Buch von Francis Schaeffer:
Die grosse Anpassung. Der Zeitgeist und die Evangelikalen
Datum: 19.08.2011
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch