Die verschiedenen Bezeichnungen im Neuen Testament
Der deutsche Ausdruck Teufel ist eine Umformung des griechischen diábolos. Das Zeitwort, von dem diese griechische Bezeichnung stammt (diabállein), bedeutet wörtlich: durcheinanderwerfen, dann trüben, listige Anschläge machen, verführen, verklagen.Teufel heisst im Neuen Testament der oberste Dämon (Luk. 11,15). Wo Luther in seiner Übersetzung von Teufeln (Mehrzahl) spricht, steht im Urtext: Dämonen. Statt der griechischen Bezeichnung Teufel steht oft die hebräische: Satan. Satan bedeutet eigentlich: Anschuldiger, Verkläger, dann auch: Feind, Widersacher, Gegner, Hinderer.
Mit diesem Namen bezeichnet das Neue Testament einen gefallenen, einst sehr herrlichen Engel, dessen Tun stets gegen Gott und alles Göttliche gerichtet ist. Jesus nennt ihn den Fürsten dieser Welt (Joh. 12,31; 14,30; 16,11). Diese Bezeichnung kann auch übersetzt werden: Urheber dieser Weltzustände.
Der Teufel heisst manchmal auch: Widersacher (Luk. 18,3; 1. Petr. 5,8; 2. Thess. 2,4); im Griechischen stehen dafür zwei Ausdrücke: antidíkos (Prozessgegner; also entweder einer, der etwas unrechtmässig genommen hat, oder ein Verkläger) und antikeímenos (einer, der gegen jemanden im Feld liegt). Ausserdem findet sich oft die Bezeichnung: der Arge, griechisch: ponerós (wörtlich: einer, der Mühen und Qualen verursacht; aber auch: ein Unhold, ein Verkehrter, Verbrecherischer, Arglistiger).
Die letzte Bitte im Vaterunser lautet: »Erlöse uns von dem Argen.« Gemeint ist hier nicht eine Sache oder etwas Sächliches (»das Übel«), sondern eine Person: der Arge. Johannes sagt: »Die ganze Welt liegt im Argen« (1. Joh. 5,19). Das bedeutet: Die ganze Welt befindet sich im Machtbereich des Satan.
Nicht eine theoretische, sondern eine rein praktische Beleuchtung der ganzen Frage
Das Neue Testament behandelt nicht das Problem vom Ursprung des Bösen. Alle hierher gehörenden Verstandesfragen lässt es ganz auf sich beruhen. Wir erhalten so viel Einblick in die dämonischen Hintergründe des Lebens, als wir im praktischen Leben nötig haben.Wenn der Feind ins Land eingebrochen ist, kommt es nicht unbedingt darauf an, es wissenschaftlich zu erfassen, wie das hat möglich sein können und womit es anfing. Wichtig ist die Tatsache: er ist da. Wichtig ist es, seine Stärke zu kennen, notwendig ist es, die Mittel und Wege zu sehen, wie man seiner Herr wird.
Bitter nötig ist es, dass man den Mut nicht verliert durch eine unrichtige Einschätzung der feindlichen Position. Mit allem, was das Neue Testament über Gottes und unseren Widersacher sagt, wird darauf abgesehen, uns für den Lebenskampf zu orientieren und hierfür einsichtig und tapfer zu machen.
Das Neue Testament bringt die trostvolle Wahrheit, dass der Ursprung des Bösen nicht im Menschen liegt
Mut soll uns dadurch eingeflösst werden, dass wir es deutlich hören: Das Böse gehört nicht zur eigenen Art des Menschen; die Sünde ist im Menschenleben etwas Fremdes; ihre Urheber sind andere Mächte. Johannes sagt: »Wer Sünde tut, der ist vom Teufel« (1. Joh. 3,8), das heisst, er ist in seiner Art, in seiner Lebensrichtung vom Verderber bestimmt.Stammt das Böse aber letzten Endes von einer fremden Macht, so sind wir ihm nicht hoffnungslos verfallen. Von einer fremden Macht kann man befreit werden.
Ernstnehmen der Macht des Bösen: Innerhalb der Weltzustände herrscht unumstritten der Verderber
Freilich heisst das Neue Testament uns, diese Macht sehr ernst zu nehmen. Es gilt, ihren Umfang, ihre Stärke, ihre Schlagfertigkeit nicht zu unterschätzen. Es ist eine praktische Notwendigkeit, zu wissen, dass das Böse in der Welt nicht eine Naturkraft ist, also etwas Unbestimmtes, ziellos durchs Leben Wogendes.Alles Böse rührt her von einem persönlichen Wesen, von einem einst sehr hohen Geist, der mit grosser Machtvollkommenheit und Zielklarheit seine Zwecke verfolgt. Dieser Geist ist innerhalb dieser Weltzustände der unbestrittene Herrscher (Joh. 12,31; 14,30). Er verfügt über ein Heer von Dämonen (Luk. 11,15), die die Luft erfüllen (Eph. 2,2), die von verborgenen Lebenshintergründen her (Eph. 6,12) mächtige Einflüsse ausüben.
Das Reich des Satan heisst auch das Reich der Finsternis (Kol. 1,13), weil die Verschleierung der Wirklichkeit, die Verdunklung der Wahrheit, vor allem aber das Versteckte des eigenen Tuns eine Grundvoraussetzung der dämonischen Herrschaft ist. Die menschlichen Machthaber und Einflussreichen innerhalb der Weltzustände scheinen bloss zu herrschen (Mark. 10,42).
In Wirklichkeit sind sie beherrscht, in ihrer Grundrichtung völlig bestimmt von dem einen unsichtbaren Machthaber. Sie sind seine Vasallen, Träger seiner Einflüsse.
Es gibt keine neutrale Zone; entweder Reich Gottes oder satanische Herrschaft
Was das Neue Testament über das Reich Gottes sagt, beginnt erst verständlich zu werden, wo es aufleuchtet, dass das Kommen des Reiches Gottes den Herrschaftswechsel bringt: an Stelle des satanischen Regiments tritt das göttliche Regiment; statt der Artgebung von unten kommt die Artgebung von oben.Es gibt kein allmähliches, unmerkliches Hinübergleiten ins Reich Gottes, keine »Entwicklung« aus dem Machtbereich des Bösen heraus. Die Gottesherrschaft kommt, wenn sie kommt, als Einbruch in die andere Herrschaft. »Wenn ich durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so hat ja Gottes Herrschaft euch überrascht« oder: »Sie ist plötzlich, ehe ihr es denken konntet, hereingebrochen« (Luk. 11,20).
Die Gemeinde steht für Paulus so klar im Bereich der Gottesherrschaft, dass der Ausschluss eines Menschen aus der Gemeinde ihm gleichbedeutend ist mit dem Übergeben dieses Menschen an den Satan (1. Kor. 5,5; 1. Tim. 1,20).
Jeder neue Einbruch der Gottesherrschaft ruft ein neues Machtaufgebot der finsteren Gewalten hervor
Bei dem scharfen Gegensatz zwischen den beiden Reichen ist es selbstverständlich, dass da, wo sich irgendein grosses Göttliches vorbereitet, die Dämonenherrschaft alle ihre Kräfte aufbietet. Es war gewiss kein Zufall, dass es zur Zeit Jesu so viel Dämonisches gab.Wie der Versucher gleich nach der Erschaffung des Menschen an ihn herantrat, so tritt er gleich nach der Berufung an Christus heran, um ihn aus seiner Bahn zu werfen (Matth. 4). Gleich am Anfang der Urgemeinde wird von unter her versucht, Verwirrung in ihren Reihen anzurichten (Ananias und Saphira, Apg. 5).
Das gefährlichste Kampfmittel des Widersachers ist das Umbiegen der göttlichen Wahrheit
Der Verführer verstellt sich am liebsten als Engel des Lichtes (2. Kor. 11,14). Er beruft sich gern aufs Bibelwort: »Es steht geschrieben« (Matth. 4,6). Das falsch ausgelegte und angewandte Bibelwort war zu allen Zeiten die mächtigste Waffe in der Hand des Feindes.Die Offenbarung des Johannes zeigt uns den grössten menschlichen Vertreter der Satansherrschaft, den Antichristen, nicht als Religionsfeind. Im Gegenteil: Er ist sehr religiös, hat einen weihevollen Kultus und einen Propheten (Offb. 13,11-15). Die grösste Macht wird der Verführer da entfalten, wo man sagt: »Siehe, hier ist Christus« (Matth. 24,23. 24).
Die Grenzlinie der zwei Reiche
Die Trennungslinie zwischen dem Reich des Satan und dem Reich Gottes ist im Neuen Testament klar gezogen. Im Reich der Finsternis herrscht Zwang, Druck der Stärkeren auf die Schwächeren bis in die Religion herein (Matth. 20,25ff.; Offb. 13,15), Mordgier und Lüge (»der Teufel ist ein Mörder von Anfang an, er ist ein Lügner und der Vater der Lüge«, Joh. 8,44) - im Reich Gottes Freiheit, dienstwillige Liebe zum gottentstammten Leben und Wahrheit.In der diabolischen Herrschaft hat alles Tiercharakter (Grausamkeit, Gewalttätigkeit), in der Gottesherrschaft geht alles menschlich zu (im Sinne des ursprünglichen, gottentstammten Menschentums, Dan. 7,2-14).
Alles in allem kündigt uns das Neue Testament den Menschensohn an, der der Schlange den Kopf zertritt
So eindrucksvoll uns das Neue Testament die gewaltige Macht des Satan schildert: der Nachdruck liegt doch überall auf der Botschaft von der grösseren und herrlicheren Macht Christi.- »Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre« (1. Joh. 3,8).
- »Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verliess, und verteilt die Beute« (Luk. 11,21. 22).
- Johannes freut sich über die jungen Männer, die den Argen besiegt haben (1. Joh. 2,14), und
- Paulus sagt: Gott sei Dank, der uns allezeit im Dienst Christi fortwährend Siege feiern lässt (2. Kor. 2,14).
Wenn Christus kommt, wird der Satan gebunden. Sein Einfluss ist dann ausgeschaltet aus dem Leben der Völker (Offb. 20,1-2). Wie der ganze Machtapparat des napoleonischen Reichs zusammenbricht mit dem Sturz Napoleons, so wird die gesamte Weltmachtstellung des Bösen dahin sein mit dem Fall des Verderbers.
Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch