Frust in der Schule

Sind die Buben wirklich benachteiligt?

Sind Jungen durch die Feminisierung der Schule im Nachteil? Die Experten streiten sich. So auch kürzlich an einer Tagung an der Uni Zürich.
Schulkinder: Junge und Mädchen sind dicke Freunde (Bigstock: 15703490)

Der Erziehungswissenschafter Peter Rieker von der Universität Zürich relativiert: Probleme mit dem Schulerfolg haben gerade im Sekundarbereich auch Mädchen. Aber bei Buben gehöre es oft zum guten Ton, sich zu verweigern und nicht als Streber zu gelten. Jedenfalls seien die Lernerfolge in dieser Phase nicht besser, wenn die Jungen von Lehrern statt von Lehrerinnen unterrichtet werden. Und sie hätten auch nicht mehr Freude an der Schule.

Echte und vermeintliche Bildungsverlierer

Die Knaben im Sekundarschulalter seien auch nicht in allen Bereichen schlechter als die Mädchen. Noch immer zeigten sie bessere Leistungen in Mathematik, während die Mädchen mehr lesen und damit auch mehr Lesekompetenz hätten. Buben hätten dagegen bessere Computerkenntnisse.

Auffällige Bildungsverlierer sind laut Rieker vor allem Knaben mit Migrationshintergrund und aus einem bildungsfernen Milieu. Diesen müsse man spezielle Programme anbieten, die es aber im normalen Schulprogramm nicht gibt, sondern eher auf einem Segelschiff mit einem Erziehungsprogramm für verhaltensauffällige Jugendliche.

Jungenpädagogik

Etwas anders sieht das der Sozialpädagoge und Supervisor Lu Decurtins, der sich auf die schulische Jugendpädagogik spezialisiert hat. Decurtins ist Mitbegründer des «Mannebüro Züri» und des «Netzwerks Schulische Bubenarbeit» sowie Mitglied der Kreisschulpflege Limmattal. In seiner Arbeit beobachtet er, dass den Jungs oft reale Männer als Vorbild und Orientierung fehlen. Denn Jungen suchten «Role Models», also Leitfiguren, die ihren Vorstellungen vom Mannsein Konturen geben. Seine Jungenpädagogik beinhaltet zum Beispiel Rollencoaching. Dabei werden auch Männerrollen thematisiert, die nicht unbedingt den Clichés entsprechen, wie etwa der nach einem verlorenen Finale weinende Roger Federer. Vorbilder auf dem Sockel taugen nichts, ist Decurtins überzeugt, es müsse klar sein, dass Männer auch Schwächen zeigen dürfen.

Männer dürfen auch schwach sein

Decurtins arbeitet dabei auch mit Leitsätzen wie «try again, try better, fail better» (versuche es nochmals, mache es besser – und scheitere besser). Angesprochen auf Störer im Schulunterricht rät Decurtins, Alphatiere und Gruppenhierarchien nicht zu bekämpfen, sondern sie zu nutzen und als «Hilfslehrer» einzusetzen. Decurtins ist zudem überzeugt, dass viele Jungen nach dem Sekundarschulabschluss nicht in der Lage sind, direkt in eine Lehre einzutreten. Viele brauchen demnach eine Zwischen- und Übergangszeit vor dem Einstieg ins Berufsleben.

Zum Thema:
Vier wesentliche Faktoren: Wie aus Jungs echt starke Kerle werden
Homosexuelle Anziehung: Wie junge Männer ihre Sexualität entwickeln
Fit für die Liebe? Warum Pornos im Schulzimmer nicht kompetent machen
Wissenschaftliche Bestätigung: Kein Klischee: Jungen spielen mit Autos, Mädchen mit Puppen

Datum: 14.09.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung