Vom Kampf mit Panikattacken zur Verbundenheit mit Gott
Die Autorin und Illustratorin Jennifer Tucker, verheiratet und Mutter von Emma und Lily, erinnert sich an schwierige Tage für die Familie: «Vor etwa sechs Jahren begann meine jüngste Tochter – sie war damals dreizehn – unter schweren Panikattacken und massiven körperlichen Symptomen zu leiden. Es ging so weit, dass sie die Schule nicht mehr betreten konnte und ihr Alltag komplett zum Stillstand kam.»
Sie wandte mich an eine Bekannte, die Therapeutin war, einfach um zu fragen: «Wo fängt man überhaupt an? Ich hatte keinerlei Vorwissen.» Nach zahlreichen Arztbesuchen und mit Hilfe von Therapeuten und Psychiatern wurde bei ihrer Tochter eine generalisierte Angststörung diagnostiziert.
«Während ich versuchte, sie durch diese schwere Zeit zu begleiten, wurde mir klar: Ich musste mich auch mit meiner eigenen Angst auseinandersetzen. Jahrelang hatte ich meine Symptome ignoriert und unterdrückt. Doch um meiner Tochter wirklich helfen zu können, musste ich selbst heilen.»
Glaube und Angst: Ein schwieriges Verhältnis
Christlich aufgewachsen, wurde in ihrer Glaubensgemeinschaft vermittelt: Angst ist Sünde. «Die Bibel sagt: ‘Sorgt euch um nichts’, ‘Fürchte dich nicht’, immer und immer wieder. Das wurde mir tief eingeprägt. Ich konnte meine Angstgefühle nicht mit meinem Bild eines ‘guten Christen’ vereinbaren. Ich glaubte: Ich bete nicht genug. Ich habe zu wenig Glauben. Meine Angst war mit Scham belegt, also versuchte ich, sie mit Perfektionismus, Leistungsdruck und übertriebener Gefälligkeit zu kompensieren – alles Dinge, für die ich von aussen gelobt wurde. Aber innerlich war ich am Kämpfen.»
Bei ihrer Tochter äusserte sich die Angst stark körperlich: Herzrasen, Schmerzen, Panikattacken. «Bei mir selbst war es eher eine ‘hochfunktionale’ Form: Innerer Stress bei äusserlicher Kontrolle.»
Atmen als Brücke zwischen Körper und Seele
«Wir alle kennen das Gefühl der Sorge, der Angst, dieses Ziehen im Bauch. Das gehört zum Menschsein. Es ist Teil unseres von Gott geschaffenen Nervensystems: Der Sympathikus springt an, wenn Gefahr droht, ob real oder vermeintlich. Gut, wenn man einem Bären im Wald begegnet. Weniger hilfreich, wenn man bloss einen Raum voller Menschen betritt – doch für meine Tochter war genau das der Auslöser für Panikattacken. Ihr Körper reagierte als sei sie in Lebensgefahr», erinnert sich Jennifer Tucker.
In den ersten Jahren nach der Diagnose war es nicht nur schwer, Hilfe für sie zu finden, auch Jennifer Tucker fühlte sich überfordert. Ein Satz ihres Psychiaters blieb ihr besonders im Gedächtnis: «Der Atem ist die Brücke zwischen Körper und Geist.» Der Psychiater zeigte, wie wichtig langsames, bewusstes Atmen ist. «Anfangs klang das zu einfach, wir atmen doch sowieso. Doch ich lernte: Bewusstes Atmen sendet unserem Gehirn das Signal: Du bist sicher. Die Wirkung ist wissenschaftlich gut belegt.»
Hoffnung atmen
Dabei stiess Jennifer Tucker auf die Praxis des Atemgebets: Tief einatmen und dabei einen kurzen Bibelvers lesen oder in Gedanken aufsagen, die eine Hälfte beim Einatmen, die andere beim Ausatmen. «Diese Verbindung von Körper, Geist und Gebet war für mich ein echtes Aha-Erlebnis. Eine ganzheitliche Verbindung zwischen Körper, Seele und Gott.»
Etwa anderthalb Jahre später musste ihre Tochter erneut ins Krankenhaus, dieses Mal wegen etwas anderem, sie war schwer krank. «Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst. Es war 2021, während der Corona-Einschränkungen. Mein Mann durfte nicht mit ins Krankenhaus. Ich war allein mit ihr, übermannt von Sorge, Atemnot und Tränen. Ich hatte alle Gebete gesprochen, die ich kannte und fühlte mich trotzdem völlig hilflos.»
«Der Herr ist mein Hirte»
Doch dann konnte sie innehalten: «Ich erinnerte mich an ein Atemgebet aus Psalm 23: ‘Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir mangeln.’ Ich atmete langsam ein: ‘Der Herr ist mein Hirte’, ausatmend: ‘Nichts wird mir fehlen.’ Immer und immer wieder. Diese Worte, dieses Atmen, trugen mich durch diese Nacht und durch die drei Wochen Krankenhauszeit. Das war mein Anker, mein Trost, meine Hoffnung.»
Diese Leidenszeit mit ihrer Tochter veränderte alles für sie. «Ich habe körperlich weniger unter Angst gelitten, obwohl sich äusserlich kaum etwas besserte, im Gegenteil. Doch mein Inneres wurde ruhiger. Weil ich lernte, mein Herz Gott zuzuwenden, in jeder Situation. Das bewusste Atmen, verbunden mit Gebet, wurde zu einer Ressource, nicht nur zur Bewältigung meiner Angst, sondern auch zur Vertiefung meines Glaubens.»
Der liebende Vater
Für Jennifer Tucker ist klar: «Ich glaube nicht mehr, dass Gott uns wegen unserer Angst verurteilt. Er begegnet uns nicht als harter Richter, sondern als liebevoller Vater. So wie ich meiner Tochter sage: ‘Ich bin hier, ich gehe nicht weg, du bist nicht allein’, so sagt Gott das auch uns.»
Heute sehe sie Angst als Signal. «Wenn sie kommt, erinnert sie mich: Atme. Halte inne. Bete. Wende dich Gott zu. Es ist nicht leicht, es ist eine tägliche Entscheidung. Aber ich weiss, dass mein Frieden nicht von meinen Umständen kommt – sondern allein von Gott.» Gott ist unser Frieden, egal was um uns herum geschieht.
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