Israel intern kennenlernen

«Nächstes Jahr in Jerusalem!»

Gruppenfoto der Reisengruppe vor Jerusalem
Die obigen Worte, welche Juden einander viele Jahre hoffnungsvoll zusprachen, wurden vor Ostern wahr: Livenet-Redakteurin Mirjam Fisch-Köhler und ihr Mann reisten mit einer Gruppe zwölf Tage lang durch Israel. Und erlebten Ostern damit hautnah.

Drei nachhaltige Eindrücke nehme ich mit von unserer Reise auf den Spuren Jesu. Zuerst war da unser Reiseleiter, Thomas Ledergerber: Er gab stets sehr differenziert Auskunft über die Verhältnisse im Land, seine Geschichte und das Leben hier. Der Schweizer ist mit einer Jüdin und Israeli verheiratet, die wie er Jesus nachfolgt. Die Familie lebt seit 20 Jahren in Negev. Ja, Gott habe den Juden dieses Land als ihre Heimat zugesagt und die Balfour-Erklärung bestätigte dies 1948. Und ja, viel des damals brachliegenden Landes wurde den Besitzern von Juden zu guten Preisen abgekauft, bestätigte er. «Aber stellt euch vor, was das für die Beduinen bedeutet hat, die seit Generationen hier mit ihren Tieren herumgezogen sind?» Immer wieder wies er auf Hintergründe hin, die den Konflikten vorangehen, welche im Land brodeln. Das macht einseitige Anklagen schwierig…

Widerstand

In Tel Aviv erlebten wir mehrmals die Protestaktionen, die sich gegen die Justizreform von Staatsoberhaupt Nethanyahu wenden. Unzählige Menschen zogen abends durch die Strassen, schwenkten Israel-Flaggen oder hatten sie sich oder ihren Kindern als Symbol um die Schultern gelegt. Es ging friedlich zu, unser arabischer Carchauffeur bekam durchs Fenster eine Tulpe geschenkt. Die Menschen wehren sich gegen Ungerechtigkeit – legal, friedlich, ausdauernd. Das beeindruckt mich. Dafür nehmen wir in Kauf, dass die Strasse gesperrt ist, die uns zur Produktionsstätte von GlowbalAct geführt hätte. Schweizer Christen leiten dort ein Projekt, das Menschen Arbeit und Begleitung anbietet, die in der Prostitution gefangen waren.

Gemeinden auf Jesu Spuren

41 Personen nahmen teil an der Israel-Reise der reformierten Kirchgemeinden Bauma-Sternenberg, Bäretswil und Fischenthal. Vor Ostern besuchten wir das Land, in dem Weltgeschichte geschrieben wurde. Die Rundreise führte zu den klassischen Stationen: Tel Aviv. Cäsarea Maritima, von wo aus Pontius Pilatus nach Jerusalem reiste, um über den «Fall Jesus» zu richten. Bootsfahrt auf dem See Genezareth, wo die Jünger den Sturm überlebten. Besuch der Ruinen in Magdala, wo eine der Marias herkommt, die Jesus in grösster Not nicht allein liessen.

Mirjam und Fredy Fisch-Köhler

Natürlich Jerusalem, die Klagemauer, das Felsengrab. An allen Stationen hielten die drei Pfarrpersonen abwechselnd Andachten, beleuchteten den geistlichen Hintergrund. Dabei am Jordan zu sitzen, wo Jesus vermutlich getauft wurde, oder oben auf Massada war beeindruckend. Am Toten Meer sprach Pfarrerin Regula Studer Schafflützel uns zu, dass Jesus in die Tiefe begleitet, hinunter zu den inneren Abgründen, die noch weiter unten liegen als dieser tiefste Punkt des Landes.

Wallfahrt

In Magdala beeindruckte mich Pater Patrick Kelly, ein irischer Priester, der uns durch die Ausgrabungsstätte führte. Er stellte bald klar, dass wir nicht als Touristen, sondern Wallfahrer unterwegs seien. «Ihr wollt doch Jesus begegnen, nicht nur das Land bereisen...» Er redete nicht von Trümmern, sondern vom Evangelium, das sie symbolisieren. Er zeigte uns Mosaiken und verband sie mit der Einladung, gerade jetzt im Gebet mit diesem Jesus Kontakt aufzunehmen und unsere Anliegen zu ihm zu bringen.

Vor einem Gemälde, welches die Berührung von Jesu Gewand durch die blutflüssige Frau zeigt, forderte er auf, für die zu beten, welche Heilung brauchen. Und zu erwarten, dass Jesus das Gebet erhört. «Geht als Botschafter zurück! Bezeugt euren Glauben, ladet euer Mitmenschen dazu ein», so sein Appell. Dass ein Führer durch historische Gemäuer klar vom Evangelium redet, seine Zuhörer persönlich anspricht, habe ich so noch nie erlebt. «Achtet aufeinander, lasst die Kleinen vorne stehen, damit sie auch etwas sehen», mahnt er. Er musste es mehrmals tun – wir sind offenbar nicht so schnell lernfähig…

Kibbuzleben gegenüber Libanon

Daniel, ein weiterer Schweizer, lebt seit 40 Jahren im Land. Er ist mit einer Jüdin verheiratet, die im Kibbuz aufgewachsen ist. Noch immer bewirtschaften er und Gleichgesinnte gemeinsam das Land. Sie leben direkt gegenüber der libanesischen Grenze, nah genug, dass sie von Raketen beschossen werden können. Er zeigt uns die Bunker und unterirdischen Gänge. «Meine Frau hat das Flüchten als Kind dorthin so traumatisierend erlebt, dass wir mit unseren vier Kindern jeweils im Wohnzimmer auf den Boden gelegen sind und uns gehalten haben, bis der Beschuss vorbei war. So konnten wir damit umgehen», erzählt Daniel.

Es sei herausfordernd, von der Landwirtschaft zu leben. «Wir haben vor zwei Jahren Kiwiplantagen angelegt – bevor wir die Früchte ernten konnten, fiel der Preis dafür in den Keller…» Doch dann erzählt er lächelnd von seinen Kindern, die mit ihren Familien wieder in die Nähe gezogen sind. Er sehe nun häufig seine Enkel und lasse nicht zu, dass die Umstände seine Hoffnung auf eine gute Zukunft zerstören. «Heute leben wir, heute geht es uns gut. Das reicht – wir machen weiter.» Wenn das kein Motto ist, um auch nach Ostern hoffnungsvoll zu bleiben!

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Datum: 13.04.2023
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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