Familiensynode

Es lohnt sich, genauer hinzusehen

Im Abschlussdokument der Familiensynode von Rom gibt es bei genauerem Hinsehen Aussagen, die fast eine kleine Revolution darstellen. Im Zentrum bleibt aber der Schutz von Ehe und Familie und deren Förderung und Pflege.
Familiensynode 2015

Selten ist ein religiöses Papier mit so grosser Spannung erwartet und danach heiss diskutiert worden wie das Abschlussdokument der soeben beendeten Familiensynode der katholischen Bischöfe. Dabei handelt es sich um ein Arbeitspapier ohne verbindlichen Charakter, es dient lediglich dem Papst als Entscheidungsgrundlage.

Dennoch darf dem Dokument ein hoher Stellenwert eingeräumt werden, denn Papst Franziskus wird die neuen Töne und Feststellungen im Abschlussdokument kaum negieren.

Ehe und Familie im Zentrum

Klar ist: Die Synode tanzte nicht nach der Pfeife von Reformkatholiken, welche wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen volle religiöse Rechte in der Kirche einräumen wollten. Die Synodeväter waren sich bewusst, dass es sich bei beiden Gruppen, trotz dem hohen medialen Interesse, um relativ kleine Gruppen handelt (schätzungsweise weniger als ein Prozent der praktizierenden Katholiken), und dass die grosse Herausforderung in der Begleitung der Ehen und Familien liegt. Zur Familie sagte die Synode denn auch ein grosses «Ja», wie der Wiener Kardinal Schönborn nach der Synode betonte. Für die Familie hat die Synode den Dreischritt «Vorbereitung – Feier – Begleitung» formuliert. Paaren soll vermehrt ein Vorbereitungskurs auf die Ehe angeboten werden. Dem Feiern wird ein hoher Stellenwert eingeräumt. Und nach der Trauung steht die Ehe vor der Bewährung, in der sie von der Kirche unterstützt werden soll: bei verantwortlicher Elternschaft, Adoption, Schul- und Erziehungsfragen. Das ist auch Scheidungsprävention.

Mehr Flexibilität in der kirchlichen Praxis

Obwohl die Synode die Forderungen westlicher Reformkatholiken nicht erfüllt hat, hat sie bekräftigt, dass die Kirche auch Homosexuellen mit Respekt begegnet, auch wenn sie von ihnen erwartet, dass sie ihre Homosexualität nicht ausleben. Zur Frage der wiederverheirateten Geschiedenen und ihrem Zugang zur Messe hat sie das Prinzip Differenzierung und Dezentralisierung formuliert. Will heissen: In der Seelsorge werden die Umstände der Scheidung angesprochen. Erwähnt wird zum Beispiel der Schuldanteil, der je nach Verlauf der Scheidung sehr unterschiedlich sein kann. Wenn eine Ehe zerbricht, weil ein Partner wegen einer neuen Beziehung ausbricht, soll der verlassene Partner bzw. Partnerin nach der Wiederheirat nicht automatisch von Sakramenten ausgeschlossen werden. So viel zur «Differenzierung».

Rücksicht auf Kultur und Wertehaltungen

Das Prinzip Dezentralisierung bedeutet, dass je nach Erdteil und Kultur und Werthaltungen Entscheidungen anders fallen sollen und dürfen. Den Seelsorgern soll ein Spielraum eingeräumt werden, mit Menschen, die von Scheidung betroffen sind, so umzugehen, dass es im Umfeld nachvollziehbar ist. Dieses Prinzip ist in der katholischen Kirche nicht ganz neu. Aber in der Synode hat es offenkundig an Bedeutung gewonnen. Parallel dazu hat der österreichische Theologieprofessor Walter Kirchschläger darauf hingewiesen, dass die heutige römisch-katholische Kirche einem revidierten Bibelverständnis verpflichtet ist, das weniger das Gesetz hochhält, sondern Gnade und Barmherzigkeit, wie sie Jesus vorgelebt hat. Papst Franziskus hat dies bekanntlich in zahlreichen Auftritten und symbolischen Handlungen bekräftigt.

Fazit

Die katholische Kirche macht damit einmal mehr deutlich, dass die Zukunft einer Kirche nicht darin liegt, sich laufend dem Zeitgeist und seinen Forderungen anzupassen. Sie gibt ihre Lehre nicht auf, gibt aber Raum, sie im konkreten Fall in Liebe und Weisheit situationsgerecht anzuwenden. Jesus ist darin das grosse Vorbild, und mit diesem Jesusbezug ist sie durchaus auch modern.

Zur Webseite:
Bericht zur Familiensynode auf SSF

Zum Thema:
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Datum: 29.10.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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