Kappel

Welche Stille für das „Haus der Stille“ ?

Die reformierte Zürcher Landeskirche will im ehemaligen Kloster Kappel, das ihr als Studien- und Bildungszentrum dient, mit baulichen Massnahmen die Stille fördern. Zu reden geben weniger die Finanzen – das Fünf-Millionen-Projekt wird zu rund 40 % von Sponsoren finanziert – als die künftige Ausrichtung von „Kappel“.
Imposant: Kappel von Süden gesehen
Raum der Stille: die Simon und Judas-Kapelle.
Die Geschichte ist in Kappel allgegenwärtig.

Seit 1983 betreibt die Landeskirche in den Hauptgebäuden des ehemaligen Zisterzienserklosters Kappel am Albis ein „Haus der Stille und Besinnung“. Nun sollen der Kreuzgang und das Konventsgebäude mit einem Lift von Lärmimmissionen des Seminarhotels stärker abgesondert werden, was auch Gehbehinderten entgegenkommt.

Grosszügige Sponsoren der Stille

Der erste Impuls für das Bauprojekt kam von aussen: Die Paul-Schiller-Stiftung bot 2001 eine Million Franken für die Schaffung eines Bereichs der Stille an. Nahe bei der Kirche soll dieser neue Meditations-Raum eingerichtet werden. Gleichzeitig sind dringende Sanierungen (Risse im historischen Gemäuer, alte Nasszellen) und Zimmerumnutzungen (mehr Gruppenräume) vorgesehen. Sie verheissen für den chronisch defizitären Betrieb in der denkmalgeschützten Liegenschaft bessere Ergebnisse.


Das gesamte Bauprojekt wird auf 5.7 Millionen Franken veranschlagt, Reserven eingeschlossen. Der zuständigen Kirchenrätin Jeanne Pestalozzi ist es gelungen, Beiträge des Kantons Zürich, verschiedener Stiftungen sowie privater Gönner zu erwirken; so bleiben der Landeskirche Kosten von maximal 3.4 Millionen Franken. Der Eigentümer der Klosterdomäne, der Verein Kappelerhof, wird wie die Synode im Juni über das Projekt befinden. Vorstandsmitglied Andreas Müller sagte im Mai, es entspreche dem neuen Nutzungskonzept. Im Sommer 2007 soll gebaut werden.

«Kloster Kappel»: mit einprägsamem Namen Aufwind suchen

Kappel ist durch die Schlacht von 1531, bei der der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli zu Tode kam, in die Geschichte eingegangen. Wie die Landeskirche schreibt, ist „das Kloster Kappel ein Symbolort des Protestantismus, nicht nur regional, sondern schweiz- und weltweit. Es ist ein Ort, wo Menschen in Kontakt kommen können mit Werten, die hier seit Jahrhunderten gepflegt werden und aus denen sie für ihr Leben Nutzen ziehen können.“ Die Zürcher Landeskirche betont den „religions-, kultur- und gesellschaftspolitischen“ Wert von Kappel – und sie will dies mit einem Namenswechsel unterstreichen: von «Haus der Stille und Besinnung» zu «Kloster Kappel».

Seminarhotel mit fremdreligiöser Schlagseite

Das „Haus der Stille und Besinnung“ wird primär von Gruppen aus Industrie und Wirtschaft als Seminarhotel genutzt (39 Prozent der Übernachtungen 2005). 13,5 Prozent gingen auf das Konto kirchlicher und theologischer Gruppen. Die von der Landeskirche angebotenen Seminare „Kurse in Kappel“ brachten letztes Jahr 21 Prozent der Übernachtungen, Non-Profit-Organisationen und Einzelgäste je 13,5 Prozent. Die Zimmerauslastung erreichte 44 Prozent.

Das Bauprojekt ist wohl begründet und scheint – nach jahrelanger Planung – ausgereift. Zu reden gibt eher die Ausrichtung von Kappel. Stein des Anstosses sind für manche Kirchenglieder interreligiöse und esoterische Elemente bei den „Kursen in Kappel“, die von der landeskirchlichen Erwachsenenbildung angeboten werden.


2004 protestierte die Evangelisch-kirchliche Fraktion der Kirchensynode gegen nicht-christliche Einflüsse, doch weist auch das aktuelle Kursheft unter dem Titel „Christliche Spiritualität“ diverse Seminare mit ausserchristlichen Elementen auf: Yoga als Weg zur „Leichtigkeit des Seins“, die „körperliche Dimension der Sufi-Spiritualität“, eine „KleineZenSchule“, „heilende Berührung“, welche Energiestaus und Blockaden löst, das Wecken von Selbstheilungskräften… Das Übergewicht solcher Angebote im Spiritualitätsbereich (daneben lädt die Landeskirche in Kappel zu Zeiten poetischer Gestaltung und persönlicher Einkehr) schreckt viele evangelische Christen ab.

Kloster ohne christliche Kommunität?

Ohne dies ausdrücklich zu kritisieren, hat der Winterthurer Pfarrer Georges-Alfred Braunschweig im März in einem Papier dafür plädiert, Kappel zu einem „evangelischen Klosterort“ mit den Schwerpunkten Liturgie, Kirchenmusik und Ökumene umzugestalten. Wie bei der Gründung durch die Zisterzienser 1185 sollte wieder eine Gemeinschaft von christlich motivierten Menschen im Komplex wohnen und ihn beleben, findet der Theologe, der auch Mitglied der Synode ist. Braunschweig wird entgegnet, er hätte diese Alternative früher einbringen müssen. Doch die Frage, welche Ausrichtung „Kappel“ haben soll, ist berechtigt und stellt sich umso dringender, als die reformierte Landeskirche – aus Marketinggründen – wieder ein „Kloster“ will.

Homepage:
www.klosterkappel.ch

Datum: 08.06.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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