Leidenschaftlich glauben

Was hat natürliche Gemeindeentwicklung mit Leidenschaft zu tun?

In einer Umfrage im Rahmen der «natürlichen Gemeindeentwicklung» (NGE) haben sich Schweizer Chrischona-Gemeinden mit dieser Frage beschäftigt. Was ist dabei zutage getreten? Gibt es «leidenschaftliche Spiritualität»? Wir fragten Regionalleiter Dr. Peter Gloor. Seine Schlussfolgerungen treffen vermutlich auch auf viele andere christliche Gemeinden zu.Chrischona Panorama: Peter Gloor, was hat «leidenschaftliche Spiritualität» mit der «natürlichen Gemeindeentwicklung» (NGE) zu tun?
Leidenschaftliche Spiritualität: Das Herz am rechten Fleck.
Mit leidenschaft für Gott.

Peter Gloor: Leidenschaftliche Spiritualität ist eines der acht Qualitätsmerkmale, die bei NGE berücksichtigt werden, um den «Gesundheitszustand» einer Gemeinde zu beurteilen. Die NGE Analyse ist mit einem Gesundheitscheck beim Arzt zu vergleichen.

Die Stärken einer Gemeinde werden dabei klar sichtbar, die schwächeren Bereiche natürlich auch. Leidenschaftliche Spiritualität ist einer von acht Faktoren, die sich auch gegenseitig beeinflussen. Deshalb kann man davon ausgehen: Wenn man an einem Qualitätsmerkmal arbeitet, verändern sich auch die anderen.

Was verstehen Sie persönlich unter leidenschaftlicher Spiritualität? Welche Bedeutung hat sie für Sie?

Gloor: Leidenschaftliche Spiritualität hat für mich mit dem «Shema Israel» zu tun: «Höre Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit ganzer Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen sein» (Die Bibel, 5. Mose, Kapitel 6, Verse 4-6). Leidenschaftliche Spiritualität bedeutet für mich, Gott mit allen Sinnen erfahren zu können, und das heisst, ihm alle Sinne zur Verfügung zu stellen.

Michael Frost hat ein Buch geschrieben «Seeing God in the ordinary» (Gott in den gewöhnlichen Dingen sehen). Wenn ich in allem und überall mit Gott rechne, kann er mir da auch begegnen. Vielleicht hat leidenschaftliche Spiritualität mehr mit dem Leben im Alltag zu tun, als wir uns vorstellen.

Nach welchen Kriterien wird bei NGE leidenschaftliche Spiritualität gemessen?

Gloor: Die Fragebogen werden von 30 Gemeindegliedern, die sich in der Gemeinde engagieren, ausgefüllt. Zu allen Qualitätsmerkmalen gibt es ca. zehn Fragen. Im Denominationsprofil der Chrischona-Gemeinden Schweiz ist es zum Beispiel so, dass der zweithöchste Wert beim Satz liegt: «Ich lese persönlich gerne die Bibel. Die Aussagen: «Ich bezeuge oft vor anderen Christen, dass ich etwas mit Gott erlebt habe» und «Ich erlebe, welche verwandelnde Auswirkungen der Glaube auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche hat» hatten die niedrigste Bewertung. Aus der Auswertung der Fragen ergibt sich dann der Gesamtwert für ein Qualitätsmerkmal.

Ist leidenschaftliche Spiritualität eine Frage der Hingabe oder eine Frage des Temperaments?

Gloor: Das NGE-Konzept hilft mir, das Thema nicht zu polarisieren. Menschen leben ihren Glauben unterschiedlich. Es ist wichtig und auch befreiend, dass ich nicht alles in die Kategorien «richtig» oder «falsch» einordnen muss.

Wir haben alle unsere Schlagseiten und Temperamente. Entsprechend unterschiedlich werden wir auch die Bibel lesen. Die Grundaussagen ändern sich dadurch nicht. «Allein durch die Schrift, allein durch die Gnade, allein durch den Glauben, Christus allein» – was heilsentscheidend ist, bleibt heilsentscheidend.
Aber wie mein Glaube sich nach aussen zeigt, kann ganz unterschiedlich sein. Der Zöllner, der betete: «Herr, sei mir Sünder gnädig!» (Lukas 18, 3) hat ebenso eine leidenschaftliche Spiritualität wie David, der mit voller Kraft vor dem Herrn tanzte (2. Samuel 6) oder Hanna, die vor Gott über ihre Kinderlosigkeit weinte und ihr Herz ausschüttete (1. Samuel 1). Wir brauchen die unterschiedlichen Formen leidenschaftlicher Spiritualität, wir brauchen einander. Wir müssen die unterschiedlichen christlichen Traditionen und Stile neu wertschätzen. Wir haben einen riesigen Reichtum, und Gott hat uns Kreativität geschenkt, auch ganz neue Wege zu gehen.

Leidenschaftliche Spiritualität scheint kein Kernthema von Chrischona-Gemeinden zu sein.

Gloor: Das kann ich so pauschal nicht sagen. Beim Denominationsprofil der Chrischona-Gemeinden Schweiz sind «leidenschaftliche Spiritualität» und «bedürfnisorientierte Evangelisation» die beiden Minimumfaktoren (siehe «Acht Qualitätsmerkmale» >> als zweiten Artikel anhängen).

Das Denominationsprofil beruht auf der Auswertung von 25 Gemeinden, die NGE durchgeführt haben. Inzwischen sind es bereits einige mehr. Über alle acht Qualitätsmerkmale gesehen, liegen wir im Durchschnitt. Stark sind wir in den Bereichen «gabenorientierte Mitarbeiterschaft», «zweckmässige Strukturen», «ganzheitliche Kleingruppen» und bei «bevollmächtigende Leiterschaft». Da wird für mich etwas von 1. Petrus 2,9 sichtbar, einem der Visionstexte der Pilgermission.

In unseren Gemeinden werden unsere Mitarbeiter und Gemeindeglieder mit einbezogen, gefördert und freigesetzt. Vieles, was wir tun, schafft Möglichkeiten
und Freiraum für das «königliche Priestervolk». Das werden wir auch weiterhin tun: Menschen für das Reich Gottes freisetzen!

Wie reiht sich leidenschaftliche Spiritualität in andere Kernthemen der Chrischona-Gemeinden ein? Wie können wir sie fördern?

Gloor: Zur Förderung von leidenschaftlicher Spiritualität tragen sicher die Kernthemen, die sich aus unserer Standortbestimmung ergeben haben, bei: «Hören auf
Gott», «Fokussierung», «geistliche Reife», «Beziehungen», «evangelistisch-diakonisches Engagement». Keine Gemeinde sollte alle Themen gleichzeitig anpacken wollen, es braucht eine ganzheitliche Sicht und die Gelassenheit, dass Veränderungen Zeit brauchen. Ganz wichtig: Es dürfen Fehler passieren, es wird nie perfekt sein. Wir wollen ja das «Lob der Unvollkommenheit» singen.

Wenn eine Gemeinde NGE machen will, wo kann man einen Kurs besuchen?

Gloor: Zu Hause in ihrer Gemeinde, mit einem unserer NGE-Coaches! Alle Regionalleiter aus Deutschland und der Schweiz sowie sechs Prediger aus der Schweiz haben sich zum NGE-Coach ausbilden lassen. Eine begleitende Beratung durch einen dieser Coaches hilft der Gemeindeleitung bei der Einführung und Umsetzung von NGE.

Das Ganze ist ein Prozess. Wer sich für NGE entscheidet, muss sich bewusst sein, dass das Profil mindestens alle zwei Jahre durchgeführt werden muss. Den Service beim Auto mache ich ja auch in regelmässigen Intervallen. NGE ist ein Hilfsmittel, das nicht nur im Bereich «leidenschaftliche Spiritualität» den Gemeinden hilft, ihren Auftrag besser zu erfüllen.


Datum: 30.08.2011
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Chrischona Panorama

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