Dominik Reifler

„Gott steht über jeder Vorstellung, die wir von ihm haben“

Seit zehn Jahren gibt es Alphalive-Glaubenskurse in der Schweiz. Dominik Reifler, Pfarrer in Winterthur-Seen, gehörte zu den Pionieren und ist immer noch begeistert.
Dominik Reifler gibt an einer Alphalive-Konferenz 2003 seine Erfahrungen weiter.
Der Kurs lebt davon, dass Menschen etwas mit Gott erleben – und es erzählen.
Dominik Reifler (43) ist Pfarrer in Winterthur-Seen.
Der Alphalive-Kurs stammt aus der anglikanischen Dreifaltigkeitsgemeinde Brompton in der Londoner City.
Diskussion: Seit dem Beginn 1996 haben die Kirchgemeinden Erfahrungen gesammelt, doch jeder Kurs ist eine neue Herausforderung.
Angeregte Gespräche beim Alphalive-Znacht in Seen, September 2005

Livenet: Dominik Reifler, wie hat der Alphalive-Kurs Ihre Gemeinde verändert?
Dominik Reifler: Unsere Gemeinde hat ganz viel Freude erlebt. Wir erlebten das, wonach wir uns sehnten, was auch in der Bibel als Traum von Kirche zu finden ist: dass Menschen die Liebe Gottes kennen lernen, nicht nur theoretisch, sondern praktisch, in den Gesichtern anderer Leute, durch deren Handeln. Dass diese Menschen zu Jüngern werden können, dass sie also Jesus wirklich nachfolgen, nicht nur begeistert sind von einem Kurs. Und dass dann diese Menschen sich selbst einzusetzen beginnen und wieder andere Menschen begeistern für Jesus. Und so schliesst sich der – gute – Kreis, und es beginnt von vorn. Dies in der Mitte der eigenen Kirchgemeinde zu erleben, davon haben viele geträumt.

Wenn es so begeisternd und beglückend ist, warum passiert es nicht überall?
Wir wären selber froh zu wissen, warum es bei uns passiert. Wir haben gemerkt, dass wir das begeisternde Bild von Gemeinde, das im Neuen Testament, in der Apostelgeschichte gezeichnet wird, bei uns erleben möchten. Dazu gehört eine gewisse Fokussierung auf das Zentrum dessen, was Jesus den Jüngern ans Herz gelegt hat, bevor er zum Vater gegangen ist. Darin scheint eine Kraft zu liegen, die wohl auch ausstrahlt.

Eine neue Freude an Gemeinschaft – eine neue Qualität von Gemeinschaft? Sind Sie in Winterthur-Seen glücklichere Christen?
Ganz sicher sind wir nicht besser. Mit denen, die neu dazukommen, sind wir begeistert, dass Gott so etwas tut. Und wir haben uns eins gemacht zu sagen: ‚O Herr, das soll nicht aufhören. Hilf uns weiter. Wir möchten noch mehr davon erleben.’ Jene, die lange schon dabei sind, und die neu Dazugekommenen ermutigen und befruchten einander.

Oft kommt es zu Neid und der Meinung: Die wollen jetzt frömmer sein… Bei Ihnen ist das nicht der Fall?
Wenn jemand sieht, dass ein anderer etwas ganz Gutes erlangt, weckt das einerseits sein Interesse, je nach persönlicher Verfassung kann es ihn auch ärgern. Das ist normal. Die Herausforderung an alle ist ja diese: Auf welchen Boden fällt bei mir die Botschaft des Evangeliums?

Sehen Sie Alphalive als Schlüssel, als Rezept – oder als ein Mittel, das Gott bei Ihnen gebraucht hat, damit Sie mit Freude Neues erwarten und erleben?
Viel von dem, was in Form von Sehnsüchten in uns steckte, konnten wir noch nicht praktisch umsetzen. Der Alphalive-Kurs ist eine Riesen-Hilfe für uns gewesen. Aber warum sich unsere Gemeinde so entwickelt, ist für uns ein Rätsel. Offenbar versteht auch die Muttergemeinde des Kurses in London nicht, warum er sich weltweit so verbreitet. Die einzige sinnvolle Erklärung: Gott segnet diesen Kurs. Wir hinterfragen das nicht. Was in England geschieht, das wünschen wir uns auch für die Schweiz.

Wie unterscheiden sich England und die Schweiz?
Ich glaube immer weniger, dass es auf äusserliche Unterschiede ankommt. Wenn wir bereit sind, den nächsten Schritt, den der Heilige Geist uns zeigt, im Gehorsam und in Demut zu tun, haben wir nach meiner Einschätzung nicht schwierigere Umstände in der Schweiz. Anders gesagt: Für Gott sind unsere kirchlichen Zustände kein Problem.

Steht vielleicht die Theologie der Erwartung, dass Gott Neues tut, im Weg?
Der Mensch hat immer zuwenig Kapazität, um Gott zu erfassen. Immer wieder übersteigt Gott die Theologie. Wenn man daran nicht irre werden will, ist eine persönliche Beziehung zu Gott sehr wichtig. Gott steht über jeder Vorstellung, die wir von ihm haben oder theologisch festlegen.

Wie häufig führen Sie Alphalive-Kurse durch?
Der erste Kurs begann im Januar 1996. Während fünf Jahren führten wir drei Kurse pro Jahr durch. Wir merkten aber bald, dass wir gern die Menschen weiter begleiten möchten, die in der Kirchgemeinde bleiben. Darum fingen wir einen Beta-Kurs an, in dem es um Nachfolge und Jüngerschaft geht. Dies brauchte Energie.

Dann wollten sich Abgänger der Kurse bei uns einsetzen; die Frage nach den Gaben kam auf. Wir übernahmen einen D.I.E.N.S.T-Kurs von Willow Creek (die Buchstaben bedeuten: Dienen im Einklang von Neigungen, Stärken und Talenten). Mit der Zeit merkten wir: Eigentlich ist alles wichtig. Daher machen wir seit 2001 noch zwei Alphalive-Kurse pro Jahr – und können für die Interessierten einen Förderungsprozess in Gang halten.

Kommen infolge des geschilderten Prozesses mehr Leute in den Gottesdienst?
Viele Kursteilnehmer stammen nicht aus unserer Gemeinde, sondern aus der Umgebung und anderen Teilen der Stadt Winterthur. Viele machen Schritte im Glauben und leben dies dann in ihren Gemeinden. So ergibt sich in unserer Kirchgemeinde eine kontinuierliche Zunahme, aber mit einer flachen Kurve.

Was sagen Sie zum oft geäusserten Vorwurf, der Alphalive-Kurs habe eine zu simple Theologie und stelle das Böse im dualistischen Sinn dar (als Gegenkraft zum Guten in der Welt)?
Da haben wir ein Problem. Ich sehe eine grosse Herausforderung darin, die Wahrheit, die die Bibel uns weitergibt, so zu kommunizieren, dass sie nicht einschüchtert, nicht Angst macht. Zugleich muss aber der Ernst dessen, was die Bibel sagt, erhalten bleiben. Wir dürfen ihn nicht herunterspielen. Wer den Kurs mit dem Dualismus-Vorwurf ablehnt, macht es sich zu einfach. Die Aufgabe ist anspruchsvoll: Wie formulieren wir die Botschaft von Jesus für Leute, die heute leben und sonntags nicht zur Kirche gehen, so dass sie sie begreifen und die Botschaft ihr Leben zu verändern beginnt?

An diesem Punkt erleben Sie Alphalive als hilfreich?
Ja, wir können mit dem Kurs versuchen, die grossen Fragen angemessen aufzunehmen. Ich sage bewusst: versuchen. Kursteilnehmerinnen und –teilnehmer wissen ausnahmslos um die Tatsache der Sünde – auch in ihrem Leben. Kategorien wie „gut“ und „schlecht“ sind für sie selbstverständlich. Wenn sie Gott im Kurs erleben, kommen sie mit ihren eigentlichen Fragen und sagen, wo sie der Schuh drückt.

Was sagen Sie zur Konkurrenz, die dem Alphalive-Kurs durch ‚Glauben 12’, gemäss seinen Autoren die „reformierte Einführung in den Glauben“, erwächst?
Konkurrenz heisst ‚miteinander laufen’. Insofern wir miteinander auf Christus zu laufen und auf seinen Auftrag, wünsche ich dem Kurs viel Segen.

Datum: 22.03.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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