Bekenntnisschulen liegen im Trend
Sie schenken sich nichts. Was Negativmeldungen in den Nachrichten angeht, laufen sich Kirchen und Schulen regelmässig den Rang ab: Die einen kämpfen mit Mitgliederschwund, die anderen mit schlechten Ergebnissen in der Pisa-Studie. Und beide ringen um ihre Zukunftsfähigkeit. Da überrascht es doppelt, dass ausgerechnet die Annäherung von Glauben und Lernen zu einem heimlichen Erfolgsmodell geworden ist: Konfessionelle oder Bekenntnisschulen liegen laut «Handelsblatt» voll im Trend. «Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, doch als Schulträger sind die Glaubensgemeinschaften gefragt wie nie. Woran liegt das?», fragt Kirstin von Elm dort. «Obwohl nur noch rund 45 Prozent der deutschen Bevölkerung Mitglied einer Kirche sind, gehören die christliche Glaubensgemeinschaften zur den grössten privaten Bildungsanbietern des Landes: Rund jede dritte der knapp 5’900 Privatschulen in Deutschland befindet sich in kirchlicher Trägerschaft», stellt sie fest. Momentan besuchen gut 570'000 Kinder und Jugendliche die ca. 1'900 kirchlichen Privatschulen. Das sind fünf Prozent aller Schülerinnen und Schüler. Tendenz: steigend.
Werte machen den Unterschied
Die Ausrichtungen der kirchlich geführten Schulen ist dabei sehr unterschiedlich: Die einen bieten internationale Bildungsabschlüsse, die anderen punkten mit besonderer Integrationsleistung. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie die Orientierung an christlichen Werten wie Respekt, Toleranz, Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft und vielen mehr hochhalten. Auch Eltern, die keinen Bezug zur Kirche als Institution mehr haben, sind diese Aspekte wichtig – und sie scheinen sie eher hier als an öffentlichen Schulen zu finden.
Ein praktizierter Glaube ist weder an katholischen noch an evangelischen Schulen Voraussetzung, auch bei den evangelikal geprägten Bekenntnisschulen nicht. Wohl aber die Zustimmung zu diesen Werten und die Bereitschaft, dass der christliche Glaube prägender Bestandteil des Ganzen ist. Das betrifft laut Kirchenamt der EKD nicht nur den Religionsunterricht, sondern ein «Unterrichten mit spirituellem Spürsinn» in «werteorientiertem Unterricht».
Geschichte, die bis heute wirkt
Aus heutiger Perspektive sieht es oft so aus, als ob sich Kirchen in den staatlichen Bildungsauftrag hineindrängen, dabei ist die Reihenfolge eine andere gewesen. In seiner Ratsherren-Flugschrift forderte Martin Luther 1524 Schulbildung vor Ort für alle, Jungen und Mädchen, Arme und Reiche. Sein Beweggrund für diese Bildungsinitiative war, dass alle lesen lernen sollten, um die Bibel selbst studieren zu können. Dazu reichten vereinzelte Klosterschulen für besonders privilegierte Menschen nicht aus. Deshalb schrieb er «An die Ratsherren aller Städte in Deutschland, dass sie einrichten christliche Schulen und sie erhalten». Kein Wunder, dass besonders die Bekenntnisschulbewegung sich hierauf beruft. So hält die Vereinigung evangelischer Bekenntnisschulen fest: «In Deutschland ist der Staat erst seit etwa 215 Jahren für Bildung zuständig, die Kirche war es zuvor ein ganzes Jahrtausend lang…»
Zwischen Elite und Inklusion, Isolierung und Leuchtturmcharakter
Seit Anbeginn bewegen sich christlichen Schulen zwischen den Polen der Leistung und Integration, des Elitedenkens und der Förderung Bedürftiger. Ein besonderer Vorreiter war der Pietist August Hermann Francke, der im 17. Jahrhundert in Halle eine ganze Schulstadt gründete. Nach einer Spende von vier Talern entschied er: «Das ist ein ehrlich Capital, davon muss man etwas rechtes stiften; ich will eine Armen-Schule damit anfangen.» So baute er Schulen für Arme und gleichzeitig Einrichtungen für Adlige, die diese mitfinanzierten. Diese Franckeschen Stiftungen existieren und arbeiten heute noch.
Auch wenn sich manche aktuellen Bekenntnisschulen nach Francke nennen, setzen viele von ihnen eher auf Hochbegabtenförderung denn auf Inklusion. Ein weiterer Nebeneffekt der wachsenden Bekenntnisschulbewegung ist das Weggehen sowohl christlich geprägter Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler von den «normalen» Schulen. Da sie verstärkt an konfessionellen Schulen anzutreffen sind, werden christliche Werte und Glaubensinhalte natürlicherweise an diesen deutlich betont und sind an Regelschulen immer weiter unterrepräsentiert. Manche fürchten deshalb eine Isolierung von Christen innerhalb ihrer Filterblase und sehen, dass christliches Leben an öffentlichen Schulen leidet – zum Beispiel durch einen Rückgang an Schülerbibelkreisen. Andere betonen den Leuchtturmcharakter von Bekenntnisschulen und erhoffen sich funktionierende Vorbilder für werteorientierten Unterricht.
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Datum: 12.11.2025
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet