Welchem Herrn dient die Schweiz?
In Matthäus 6,24 sagt Jesus: «Niemand kann zwei Herren dienen, denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten.» Und 1. Timotheus 6,10 lehrt uns: «Denn eine Wurzel alles Bösen ist die Geldliebe.»
Hier liegt meines Erachtens das zentrale Problem der Schweiz. Die Folgen unserer falschen Prioritäten werden immer offensichtlicher. Natürlich ist die Schweiz keine böse Nation. Aber wir dürfen auch nicht bei Kritik von aussen in einen nationalistischen Abwehrreflex verfallen. Unsere Aufgabe ist es, uns da für das Reich Gottes einzusetzen, wo wir sind. Also ist der Mammon unser Thema.
Wie wenn wir in Armut leben würden, betreibt unser Land noch immer eine sogenannte «Hungerökonomie»:
- Wachstumsförderung ist das Hauptziel der Politik. Die Schweiz soll noch reicher werden. Weil wir zu wenig teilen, fördern wir Wachstum, um genügenden Einkommen und Arbeitsplätze für die meisten (nicht einmal für alle) zu erreichen. Dieser Politik opfern wir biblische Werte wie Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Und auch den Sonntag, der als Ruhetag immer mehr ausgehöhlt wird.
- Die Legislaturziele 2007-2011 des Bundesrates begannen mit den Worten «Der Standort Schweiz ist attraktiv, wettbewerbsfähig.» Damit sind die Prioritäten klar. Mit Steuerdumping werden Konzerne und reiche Ausländer angelockt. Die Folgen zeigen sich am Beispiel Genf: Die Wohnungsmieten sind explodiert, und nachdem die EU das selektive Steuerdumping der Schweiz nicht mehr akzeptiert, muss Genf gleiche Steuern für alle Firmen einführen. Die Steuern werden also auf das Niveau der angelockten Multis gesenkt, damit diese die Schweiz nicht verlassen. Der Steuerausfall von einer halben Milliarde Franken wird Schulen und Spitäler hart treffen. Der Mammon, den der Kanton gerufen hat, ist zum Gefängnis geworden...
- Durch das Steuerdumping sind vor Allem Zug und Genf zum Hort skrupelloser Rohstofffirmen geworden, die arme Länder im Süden ausbeuten. Doch unsere Regierung will keine Regeln einführen, da es sich, laut Bundesrat Schneider-Ammann, um ein bedeutendes Steuersubstrat handle.
- Spekulation haben mitgeholfen, die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe zu treiben, sodass zusätzliche 100 Millionen armer Menschen im Süden hungern und viele von ihnen sterben mussten. Ein grosser Teil dieser Spekulanten operiert von Genf aus.
- Wegen dem Bankgeheimnis liegen immer noch rund eine Milliarde Franken Steuerfluchtgelder auf Schweizer Konten. Dieses Geld fehlt in den Ursprungsländern für wesentliche Aufgaben wie Bildung und Gesundheitswesen. Besonders in den armen Ländern des Südens, deren Fluchtkapital in der Schweiz unsere öffentliche und private Entwicklungshilfe bei weitem übersteigt.
- Der Finanzsektor übt grossen politischen Einfluss aus. Grossbanken haben eine Lösung des «too big to fail»-Problems verhindert und besitzen deshalb de facto eine Staatsgarantie. Entsprechend muss die Politik nun alles für deren Wohlergehen tun... Als «Gegenleistung» finanzieren die Banken mit Millionenbeträgen die ihnen wohlgesinnten Parteien, was uns in einen Graubereich der Korruption bringt.
- Wir tun alles für «Arbeitsplätze» und kümmern uns nicht mehr um deren Lebensdienlichkeit. Der zunehmende Berufsstress und die stärker geforderte Flexibilität lässt immer weniger Zeit und Kraft für Familie, Kirche und Engagements.
Mit der Hungerökonomie haben wir uns in die reine Geldlogik und in unethische Geschäftsformen verstrickt. Wir rechtfertigen uns damit, dass es Andere ja auch tun. Doch Gott fordert uns auf, für unsere eigenen Taten Rechenschaft zu geben. Dies auch dann, wenn wir materiell etwas verlieren würden, wenn wir von unrechten Praktiken Abstand nehmen und andere Länder «das Geschäft machen».
Als Nation denken noch zu stark in einer WIR-Logik, nach der wir zuerst für uns schauen und ein möglichst grosses Stück des Kuchens ergattern müssen. Gott sagt in Mat. 6,33, wir sollen uns zuerst um das Reich Gottes kümmern, alles andere wird uns zufallen. Es ist das Kapitel mit den zwei Herren (Mammon und Gott). Und genau hier erläutert Jesus, dass Gott ja weiss, was wir brauchen, und dass er unsere Grundbedürfnisse befriedigen wird. «Alles andere», das heisst auch das echte Leben, nämlich Zeit, Beziehungen, Familie, Genuss der schönen Natur, die Gott geschaffen hat etc. Ja, wir werden ärmer sein, dafür aber das Leben haben. Was ist also unsere Priorität: das Reich Gottes oder noch mehr materieller Wohlstand?
Datum: 03.05.2013
Autor: Markus Meury
Quelle: Livenet