Heilsarmee wehrt sich gegen Vorwürfe
Der Kanton Bern lässt das Durchgangszentrum für Asylbewerber in Enggistein bei Worb, das die Heilsarmee bis im Februar 2012 geführt hatte, nach Renovationsarbeiten von einer anderen Organisation betreiben. Die «Asyl Biel und Region» ABR hat anscheinend den Zuschlag erhalten.
Die Seeländer Organisation führt damit erstmals ein Zentrum im mittleren Teil des Kantons Bern, in dem bisher (von einem Stadtberner Zentrum abgesehen) allein die Heilsarmee als Partnerin des Kantons tätig war. Die Heilsarmee ist seit 30 Jahren in der Betreuung tätig: Von 70 Millionen Franken Bundesgeldern, die der Kanton Bern für die Betreuung von Asylbewerber weitergibt, erhielt ihre Flüchtlingshilfe bisher 20 Millionen.
Alle Zahlen zugänglich?
Die Heilsarmee hat der Aussage von Markus Aeschlimann vom Berner Amt für Migration und Personenstand widersprochen. Aeschlimann hatte der Berner Zeitung gesagt, die Heilsarmee lege ihre Rechnung nicht offen, deshalb könne der Kanton nicht nachvollziehen, wie ihre Defizite zustande kämen. Sie lasse ihre Flüchtlingshilfe im Kanton Bern jährlich von Wirtschaftsprüfern der PricewaterhouseCoopers prüfen, schreibt die Heilsarmee in einer Medienmitteilung, und dem Kanton seien alle Zahlen zugänglich. Die Defizitgarantie des Kantons sei nötig, weil die Dienstleistungserträge teilweise nicht mehr kostendeckend seien.
Versäumnis des Kantons
Die Heilsarmee hat bisher im Kanton Bern mit 220 Mitarbeitenden 1500 Asylbewerberinnen und -bewerber an 11 Standorten und Wohnungen betreut. Sie schreibt, der Artikel der Berner Zeitung sei «so offensichtlich gegen die Heilsarmee verfasst», dass man sich frage, ob sich die Presse «von anderen Leistungserbringern und dem Kanton instrumentalisieren» lasse. Die Zeitung hatte am 20. Juli geschrieben, der Kanton habe es «jahrzehntelang versäumt, seine Partner zu kontrollieren». Und: «besonders undurchsichtig geschäftet ausgerechnet die Heilsarmee».
Respekt vor der Aufgabe – und für die Helfer
Die AZ Medien griffen die Geschichte im «Sonntag» auf der Frontseite auf: «Asyl-Gelder: Heilsarmee unter Verdacht». Die überregional verkaufte Sonntagszeitung spitzte die Auskünfte aus dem unter Hochdruck stehenden Asylbereich und das Berner Problem (Kanton kontrollierte bisher die Finanzflüsse an die Organisationen nicht) zum Vorwurf an die Heilsarmee zu, sie scheine «in Sachen Asyl überfordert zu sein».
Die Heilsarmee will darüber in Kürze detailliert informieren, sagt Paul Mori, seit 2011 für die Flüchtlingshilfe zuständig, auf Anfrage. Offenbar hat der Kanton nicht nur die Heilsarmee im Blick, sondern will durch die Treuhandfirma KPMG die Geldflüsse an alle Partnerorganisationen, die Leistungsverträge und das Controlling untersuchen lassen. Im Asylwesen sei Respekt für die Grösse der Aufgabe angebracht, betont Mori. Die Schweizer müssten damit leben, «dass das Leid der Welt nicht an den Grenzen unseres Landes halt macht».
Datum: 24.07.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet