Christian Waber und sein Kampf gegen das Berner «Westside»

Christian Waber gewinnt dem «Westside» wenig Gutes ab.
Der Shopping-Tempel soll an 365 Tagen pro Jahr offen sein (Foto: Neue Brünnen AG).
So soll das «Westside» aussehen. (Foto: Neue Brünnen AG).
Die Krane ziehen das «Westside» in die Höhe. (Foto: Neue Brünnen AG).

Der Bau in Berns Westen ist gigantisch. Stararchitekt Daniel Libeskind inszeniert die Mega-Einkaufsmeile «Westside». Aber gegen das Mammut-Projekt regte sich auch Widerstand, etwa von EDU-Nationalrat Christian Waber – aus Spass am Bremsen oder mit stichhaltigen Argumenten?

Am 8. Oktober 2008 sollen die Türen für immer aufgehen. Die Einkaufsmeile «Westside» hat dann 365 Tage im Jahr geöffnet. Ein Einkaufspalast, vereint mit Kino, Erlebnisbad, Fitnesscenter, Konferenzzentrum, Altersheim, Restaurant und Hotel.

Das Gebäude sieht futuristisch aus. Mit nichts sparte Star-Architekt Daniel Libeskind, der ebenso für das Jüdische Museum Berlin steht wie für den «Friedensturm» auf dem Gelände des World Trade Center in New York.

Das Projekt in Berns Westen erntete aber nicht nur Beifall. Über Jahre kämpfte der Verein «Westside Abseits» dagegen an, EDU-Nationalrat Christian Waber präsidierte dem Verein. Vergeblich; die Bagger sind aufgefahren, und die Krane «ziehen» das Gebäude langsam in die Höhe. Eine Niederlage? Wir sprachen mit Christian Waber.

Livenet.ch: Christian Waber, für alle, die «Bern Westside» nicht kennen und es für einen musikalischen Kontrapunkt zur Mundartband «Züri West» halten: Was ist das «Westside» eigentlich?
Christian Waber: «Bern West» ist das Grossprojekt «Westside» der Migros. 70 neue Geschäfte sollen auf einer riesigen Verkaufsfläche ihre Waren anbieten; dazu kommt ein Wellnesspark. Das Ganze liegt am Stadtrand von Bern. Das Konsumverhalten wird dadurch ganz klar beeinflusst.

Das ist doch eine gute Sache.
Das ist eine schlechte Sache. Denn es wirkt sich aus in die angrenzende ländliche Gegend. Auch die Einzelhändler von Bern geraten in Schwierigkeit, denn die Leute können ihr Geld nur einmal ausgeben.

Die zweite schlechte Sache ist, dass auch am Sonntag offen ist. Als Folge davon werden Familien noch mehr zerrissen; es muss dann ja auch Verkaufspersonal da sein. Die 8000 Autos und 120 Lastwagen, die täglich dahin fahren, belasten Strasse und Umwelt.

Deshalb waren Sie dagegen. Andere Leute bewerteten das anders, Sie mussten eine Niederlage einstecken.
Nein, ich steckte keine Niederlage ein. Ich war der einzige, der dagegen kämpfte. Mit sehr guten Argumenten. Wir gingen bis vor Bundesgericht. Ein Richter sagte, die Verwaltung der Stadt Bern habe das Recht gebeugt – unsere Darlegung wurde akzeptiert.

Die Dimensionen dieses Einkaufstempels geben den Leuten zu denken. Und an diesem 450-Millionen-Franken-Projekt verdient niemand. Man sah nun bereits im Rohbau: die Firmen holen da kein Geld raus. Im Gegenteil, sie verlieren es.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das mitkriegen?
Ich kann gut damit umgehen. Es ist ein demokratischer Entscheid. Das Volk wollte es, es soll es auch haben. Aber ich bin 100prozentig sicher, dass mir die Zeit recht geben wird. Schon viele Bürger von Bümpliz* sehen der Eröffnung im Jahr 2008 mit Bedenken entgegen.

* Stadteil in Berns Westen

Sie sagen, es gehe ökologisch nicht auf. Die EDU ist eher bürgerlich, dennoch ist ihr Inhalt hier grün. Ist die EDU bei der Ökologie eine grüne Partei?
Zur Ökologie gehört für uns auch die geistliche Umweltverschmutzung, zum Beispiel, wenn der Sonntag nicht mehr geheiligt wird, sondern dann ein Einkaufstempel offen hat, der auch Familien auseinanderreisst. Auch das gehört für uns zur Ökologie. Zudem belasten solche Investitionen die Umwelt.

Wir haben gezeigt, dass der angenommene Radius von 9,6 Kilometern gelogen ist. Der Verkehr von viel weiter weiter her. Seit Jahren weisen wir auf diese Umweltzerstörung hin.

Wie wichtig ist der EDU die Ökologie? Sie spülen Ihre privaten Toiletten mit Regenwasser, leben in einer Minergie-Wohnung und so weiter. Ökologie scheint in Ihrer Partei wichtiger zu sein, als manche vermuten?
Sie ist uns sehr wichtig, aber wir setzen stark auf Eigenverantwortung. Gutes Umweltverhalten muss ja auch finanziert werden und führt beispielsweise zu Überlegungen wie, ob ich mit dem Auto fahre, das Rad benutze oder zu Fuss gehe.

Einerseits liegt es beim «Westside» in der Freiheit jedes Bürgers, ob er hingeht oder nicht. Andererseits kritisieren Sie die Wohlfühlgesellschaft.

Das ist eindeutig so. Und es begann ja nicht mit der «Westside». Ein paar Jahre vorher verhinderte ich im Alleingang das Nationale Schwimmbadzentrum in Bern. Nicht weil ich fand, man solle kein Schwimmzentrum errichten. Sondern weil es am falschen Ort war.

Auch dort gab mir die Zeit recht. Denn fünf Jahre später sagten mir alle Parteien, wie auch die Exekutivmitglieder des Kantons und der Stadt, dass man es zum Glück nicht baute, denn es wäre wirklich am falschen Ort gewesen. Das heisst, ich bin nicht gegen etwas oder will etwas verhindern, sondern es soll zum Wohl des Volkes dienen und nicht einfach zu einem Vorteil für die Migros, indem ihr die Öffentlichkeit den Platz zur Verfügung stellt.

Dann werden Sie im Jahr 2012 von den anderen Parteien hören, dass Sie beim «Westside» eigentlich recht hatten?
Das ist eindeutig so. Schon heute sagen die Leute, man habe den falschen Weg eingeschlagen. Sogar Exponenten des Investors sagen, es sei nicht richtig. Denn in Schönbühl, das nur wenige Kilometer entfernt, hat man ebenfalls einige Millionen investiert, und man hat die Einkaufsmeile des nahen Kirchberg verursacht auf der Autobahn einen grossen Rückstau.

Weiterführende Links:
www.westside.ch
www.christianwaber.ch

Datum: 05.12.2007
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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