Porträt zum Evangelischen Brüderverein

«Das Wort ist frei»

Er gehört zu den ganz grossen unter den Schweizer Freikirchen. Trotzdem hört man wenig über ihn, den Evangelischen Brüderverein. – Hier ein Porträt.
EBV

Vor ein paar Jahren liess die Statistik aufhorchen: Der Evangelische Brüderverein (EBV) sei die grösste Freikirche der Schweiz. Umgehend spielte der damalige Präsident Fritz Pulver die Zahlen hinunter. Was war geschehen? Damit die Komponisten diverser Lieder genug Tantiemen erhalten, prüfte die «Suisa» nicht nur Radio und TV, sondern auch die Hörerschaft in Freikirchen1). Da der Brüderverein viele Evangelisationswochen, Weihnachtsfeste, Konferenzen, Taufen, Konfirmationen und Beerdigungen durchführt, kam man auf eine beachtliche Hörerzahl. Und damit die Komponisten auch ja anständig entschädigt würden, rundete man eher auf als ab. Es entstand ein Pamphlet gegen das Halsabschneidertum. Was man im EBV-Hauptsitz in Herbligen, Kanton Bern, aber nicht wusste: Statistiker verglichen diese Angaben gleich noch mit der Grösse anderer Freikirchen, und da schwang der EBV schwang weit obenauf.

Tatsache ist: Der Verein ist eine der grössten Freikirchen der Schweiz, auch wenn seine Mitglieder nicht registriert werden. Versammlungsplätze und Hausgemeinden gibt es ausser in vier Kantonen fast im ganzen Land, zur Zeit rund 120. Sogar im Tessin bestehen EBV-Gemeinden.

EBV-Gründer startete im «Blaues Kreuz»

Gegründet wurde der Verein von Fritz Berger. Das war vor bald 100 Jahren. Anfänglich setzte sich Fritz Berger im Blauen Kreuz für die Suchtprävention ein. Aber auch in anderen Bereichen sammelte er Erfahrungen und biblisches Erleben. So fand Berger während einer Hungerperiode immer auf wundersame Weise genügend Kartoffeln im Vorratsbehälter. Oder nach einem Unfall erlebte er eine Wunderheilung. Enrico Scacchia, ehemaliger Boxer besuchte zunächst verschiedene Freikirchen. Schliesslich fand er: «Die Predigten im Brüderverein finde ich am besten.»

Das Potential

Potential hat der EBV einiges, nicht nur durch seine Präsenz fast in der ganzen Schweiz. Vor allem die folgenden beiden Punkten wirken sich aus.

Predigerwechsel:

Fast in jedem Gottesdienst spricht ein anderer Prediger. Während man in den meisten anderen Kirchen immer den gleichen Mann hört, ergibt sich durch die rund 120 Prediger eine enorme Vielfalt. 25 von ihnen sind vollzeitlich angestellt. Da jeder ein wenig andere Schwerpunkte hat, erlebt man geistliches Wachstum in seiner vollen Breite. Dieses Rotationssystem der Prediger gibt den Ortsältesten im Vergleich zu anderen Freikirchen eine grössere Verantwortung.

Rednerwechsel:

«Das Wort ist frei.» Immer wieder hört ein Prediger früher auf zu sprechen und gibt das Wort frei. Das heisst: Wenn jemand von der Gemeinde noch auf einen Zusammenhang hinweisen möchte, kann er das nun anhängen. So kommt es vor, dass in der Predigtzeit noch drei, vier oder mehr Personen einen kurzen Input weitergeben. So wird der Gewinn für die Gemeinde noch grösser und der Gottesdienst noch abwechslungsreicher. Auch die ersten Christen haben früher ihre Versammlungen so gestaltet. Manche Gemeinde könnte sich davon eine oder am besten gleich mehrere dicke Scheiben abschneiden.

Die Reform

Der EBV fühlt sich verbunden mit allen Christen weltweit. Er distanziert sich jedoch von der Evangelischen Allianz, ganz zu schweigen von der Ökumene.

Von vielen wird der EBV nur als konservativ und fundamentalistisch wahrgenommen und dargestellt. Dabei geht er lediglich davon aus, dass man nur durch Jesus Christus, allein aus Gnaden und durch den Glauben gerettet wird. Das ist die Grundlage dieser Freikirche.

Der EBV stand lange Zeit in Gefahr, seine Gemeindeordnung (zum Beispiel bei Frauen aufgestecktes Haar zu verlangen) auf die Stufe des Wortes Gottes zu stellen. Solche Vorschriften standen vielen für eine nähere Kontaktaufnahme im Weg. Auch einige Frauen innerhalb des EBV hatten Mühe damit. Deshalb hat die Gemeindeleitung solche Vorschriften für die Gottesdienstbesucher gelockert und den privaten Bereich der Mitglieder unter die persönliche Verantwortung vor Gott gestellt.

Die Mission

Seit 50 Jahren engagiert sich der EBV in der Mission. In Papua-Neuguinea wurde eine breite Bewegung aufgebaut, die mittlerweile über 600 Versammlungsplätze zählt. Inzwischen ist man auch in Rumänien und Ghana tätig; durch das Engagement in Australien und Kanada somit auf allen fünf Kontinenten. Mit zusätzlichem sozialem Engagement leistet der Verein ganzheitliche Hilfe. Der EBV kann als eine Bereicherung der freikirchlichen Landschaft gesehen werden.

1) Die Suisa ist „Die Schweizerische Gesellschaft für die Rechte der Urheber musikalischer Werke“, die sie in Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern geltend macht.

Datum: 15.11.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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