«Vergib ihre Sünden und vergiss sie!»
Während der ägyptischen Revolution recherchierte «livenet.ch» in Ägypten. Vor Ort trafen wir eine leidgeprüfte Familie. Zwei ihrer Töchter wurden im Jahr 2006 entführt, seither sind sie in den Händen von Fundamentalisten. Selbst zur Mittagszeit war die Haustüre verriegelt. Bedrückt schauten sich die Anwesenden im alten, flimmernden Fernseher eine Ansprache des koptischen Papstes Shenouda III. an. Seine Worte spendeten Trost.
Der Geistliche rief zur Nächstenliebe und Vergebung auf: «Wenn jemand dein Haus zerstört, verfluche ihn nicht, vielleicht hat Gott es getan. Lass deinen Ärger nicht bis auf deine Zunge kommen.» Das Oberhaupt verwies auf die Heilige Schrift. «Tue es wie Christus: vergib ihre Sünden und vergiss sie!»
Der verbannte Papst
Seine Worte berührten, denn sie kamen aus tiefstem Herzen. Der koptische Papst erfuhr täglich von neuem Leid seiner Gemeinschaft – und er war selbst davon betroffen. In den späten 1970er Jahren erlitt die christliche Minderheit Ägyptens harte Attacken von Fanatikern. Shenoudas Bitten um Schutz durch die Regierung verhallten ungehört. Nach einem Jahr weigerte sich das Oberhaupt der ägyptischen Kirche, das öffentliche Osterfest auszurichten, da bei diesem jeweils Abgeordnete mit Grüssen vom Präsidenten an der Zelebration teilnahmen.
Nachdem Shenouda das Osterfest aussetzte, reagierte das Herrscherhaus umgehend. Der damalige Regent Sadat verbannte den Patriarchen ins innerägyptische Exil, ins Kloster St. Pishoy in Wadi el-Natrun. Erst 1985 kam Shenouda wieder in Freiheit, auch unter Hosni Mubarak sass Shenouda für drei Jahre in Gefangenschaft.
40 Jahre im Amt
Nun verstarb Shenouda III. im Alter von 88 Jahren. Er war der 117 koptische Papst, seit November 1971 trug er dieses schwere Amt. Er erhielt Ehrendoktorwürden unter anderem von der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Am Samstag, 17. März 2012 schloss er seine irdischen Augen für immer.
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Buch zum Thema:
Schicksalstage am Fuße der Pyramiden - Sie nennen es den Arabischen Frühling
Datum: 19.03.2012
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet