Das betont der Zürcher Kommunikations- und Medienpsychologe Daniel Süss. Er hat sich intensiv mit dem Thema "Medien in der Familie: Gefahr oder Chance?" gewidmet. Josef Bossart: Die jüngere Tochter schickt der Freundin ein SMS, die ältere blättert in einer Zeitschrift, der ältere Sohn chattet in einem Internet-Forum, der jüngere spielt ein Computergame, der Vater schaut am TV ein Fussballspiel, und die Mutter hört am Radio klassische Musik. Das ist zwar zugespitzt, aber in etwa so ist es in vielen heutigen Familien. Ist es überhaupt noch möglich, den Medienkonsum in der Familie gemeinschaftsstiftend zu thematisieren? Viele Medienerfahrungen finden innerhalb der Familie statt. Es beginnt beim gemeinsamen Erkunden eines Bilderbuches, beim gemeinsamen Fernsehen oder Spielen am Computer. Dabei sind gemeinsame Themeninteressen von Eltern und Kindern wichtig, sei es für Sportsendungen, Musik-Casting-Shows oder im Gespräch über die Nachrichten. Wird in unserer Gesellschaft der Einfluss der Medien tendenziell eher über- oder eher unterschätzt? Kinder und Jugendliche gehörten zu den intensivsten Mediennutzern, so die gängige Meinung. Psychologisch gesprochen: Weiss man, wie, wann und wozu sie Medien bevorzugt nutzen? Und: Unter welchen Umständen deutet der Medienkonsum auf Probleme hin? Kinder nutzen die Medien aus denselben Bedürfnissen wie Erwachsene: Um sich zu unterhalten, um etwas zu lernen oder sich zu informieren und aus sozialen Gründen - zum Beispiel, um mitreden zu können oder um in einer fiktionalen Welt Ersatz-Beziehungen zu erleben. Problematisch ist der Medienkonsum dann, wenn jemand vor Problemen im Alltag in die Medienwelt flieht und dadurch nichts zur Verbesserung seiner Lage tut. Gewalt und Sex sind medial rund um die Uhr zu haben. Wie kann man in der Familie damit umgehen? Ein gewaltfreier und respektvoller Umgang in der Familie selbst ist aber das Zentrale: Das reale Vorbild wirkt immer viel stärker als Medienbilder, das haben Studien gezeigt. Bei der Faszination von Mediengewalt geht es auch oft um andere Themen: Durchsetzung, Macht, Heldentum, Spannung. Man kann den Kindern auch Mediengeschichten anbieten, welche diese Themen auf gewaltfreie Weise beinhalten. Autor: Josef Bossart
Daniel Süss: Man spricht in der Forschung von Selbstsozialisation. Die Kinder eignen sich die Medien immer selbständiger an. Die Gleichaltrigen werden immer wichtigere "Miterzieher". Trotzdem nennen die Kinder auch heute noch ihre Eltern an erster Stelle, wenn man sie fragt, von wem sie den Medienumgang erlernt haben.
Die Medien werden überschätzt, wenn man sie für Gewalt im Alltag allein verantwortlich macht. Und sie werden unterschätzt, wenn man ihr Potenzial zur Lenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht erkennt. Die Medien können nicht steuern, was wir denken und fühlen, aber worüber wir denken und uns aufregen oder freuen. Dabei wäre genau so wichtig zu realisieren, was unter den Tisch fällt, als was über Gebühr im Rampenlicht steht.
Die erste Aussage ist falsch! Je älter die Menschen sind, desto intensiver nutzen sie das Fernsehen und viele andere Medien. Kinder schauen weniger lang fern als Jugendliche, diese weniger lang als Erwachsene und diese weniger lang als Senioren.
Ich halte es für wichtig, diese Themen nicht zu tabuisieren, sondern dazu Stellung zu nehmen. Man sollte den Kindern erklären, was die Konsequenzen von Gewalt sind, und wie man Konflikte besser lösen kann und - natürlich immer altersgerecht -, dass Zärtlichkeit und Sexualität zu einem erfüllten Leben gehören.
Datum: 29.07.2004
Quelle: Kipa