Pflichtfach Weltreligionen statt Religionsunterricht?
In den letzten zehn Jahren wurden die rund dreissig Petitionen der Jugendsession vom eidgenössischen Parlament alle abgelehnt - mit einer Ausnahme: Das Verbot von Nazi-Symbolen schaffte es als Motion auf die Traktandenliste der Räte.
Thema Schule und Religion zum Abschluss
Die Jugendsession wurde von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) organisiert. Sie dauerte vom 19. bis 21. November. Am Abschlusstag stand das Traktandum Schule und Religion auf dem Programm.
Die Jugendlichen konnten sich ihre Meinung zum Thema Schule und Religion aufgrund eigener Erfahrungen, aber auch aufgrund eines umfangreichen Dossiers bilden. Das von der SAJV zusammengestellte Dossier wurde den Jungpolitikern mitgegeben. In diesem wird festgehalten, dass die Rolle der Religion in der Schule immer wieder politisch thematisiert wird, «und doch nie abschliessend beantwortet werden kann».
Sensibler Bereich Schule
Die Bundesverfassung schreibe die Glaubens- und Gewissensfreiheit fest und verpflichte den Staat zu religiöser Neutralität, heisst es im Dossier. Bei der Schweiz handle es sich aber nicht um ein laizistisches Land. Kirche und Staat seien nicht vollkommen getrennt, sondern arbeiteten in gesellschaftlichen Belangen zusammen. Besonders im Bereich Schule finde ein Austausch zwischen den Landeskirchen und den Bildungsverantwortlichen in Bezug auf die Gestaltung des Religionsunterrichtes statt. Für die Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat seien die Kantone zuständig.
In den vergangenen Jahren ist es wiederholt zu juristischen Auseinandersetzungen bezüglich des Einflusses der Religion auf den Schulunterricht gekommen. Besonders die Frage, ob Kreuze oder Kruzifixe in den Schulzimmern vorhanden sein dürfen, habe wiederholt zu Auseinandersetzungen geführt, heisst es im Dossier. 1990 hielt das Bundesgericht fest, dass das Aufhängen von Kruzifixen in Schulzimmern gegen das religiöse Neutralitätsprinzip des Staates verstosse und somit nicht legal sei.
Kompromiss abseits von Extrempositionen
«Radikalforderungen» nach der völligen Abkehr eines in den Lehrplan integrierten Religionsunterrichtes seien bereits laut geworden. Stimmvolk und Parlamente hätten diesen bis anhin jedoch eine Abfuhr erteilt. Es stelle sich zudem die Frage, so das Dossier weiter, «inwiefern eine laizistische Minderheit der Mehrheit ihren Willen per Gerichtsentscheid aufzwingen darf».
Viele Kantone hätten sich dieser Thematik bereits angenommen und versucht, in Zusammenarbeit mit den Kirchen ein zukunftsfähiges Modell auszuarbeiten. Hierbei sei vor allen Dingen ein «mehrheitsfähiger Kompromiss abseits der Extrempositionen» anzustreben, halten die Autoren des Dossiers fest.
Akzent auf Christentum
Der völlige Verzicht auf religiöse Inhalte könne nicht die Antwort auf eine zunehmend pluralistische Gesellschaft sein, was auch die ausgearbeiteten Lösungen innerhalb der Kantone zeigten. In den meisten Fällen setzen die Verantwortlichen auf einen überkonfessionellen Unterricht, der die religiöse Bildung in den Vordergrund stelle, aber Akzentsetzung auf das Christentum erlaube.
Zudem müsse man sich die Frage stellen, inwiefern eine Verdrängung des Religiösen aus dem Unterricht überhaupt wünschenswert sei: «Würden wir damit nicht auch Adventskalender, Weihnachtsmann oder Osterhasen aus dem Schulalltag verdrängen?»
Staat in der Pflicht
Hinsichtlich der Schulpflicht weisen die Verfasser des Dossiers darauf hin, dass der Staat bei seinem Bildungsauftrag rechtlich gesehen niemandem eine andere Religion aufzwingen darf und auch niemanden an der Ausübung der eigenen Religion hindern kann. Dieser Grundsatz sei an sich unumstritten, die Meinungen gingen jedoch sofort auseinander, «wenn es um die Definition von Religion oder religiöser Handlung geht».
So stelle sich die Frage, ob das Singen eines Weihnachtsliedes bereits eine religiöse Handlung sei. Sollen Dispense vom Unterricht aus religiösen Gründen erlaubt sein? Wie sollen die anderen Religionen in der Schule behandelt werden?
Ganz grundsätzlich geht es um das Wissen über die eigene Kultur und die gesellschaftliche Relevanz religiöser Themen und Termine. Die Autoren des Dossiers bringen den Stellenwert dieser Frage so auf den Punkt: «Spielt es eine Rolle, ob jemand weiss, warum er an Pfingsten frei hat, oder ist das unwichtig?»
Datum: 24.11.2010
Quelle: Kipa