Regierungskritiker vor Gericht

Russland: Nawalny spricht vom Glauben

Gleich zweimal am selben Tag musste der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny vor Gericht. Dabei überraschte er mit einigen öffentlichen Aussagen über seinen Glauben.
Alexej Nawalny (Bild: Facebook)
Alexej Nawalny in Handschellen

Am 20. Februar 2021 wurde dem russischen Regierungskritiker Alexej Nawalny gleich zweimal vor dem Babuschkino-Bezirksgericht im Norden von Moskau der Prozess gemacht. Er hatte sich dafür zu verantworten, dass er die Bewährungsauflagen nicht eingehalten und dass er einen russischen Veteranen beleidigt haben soll.

Nawalny: Mit dem Glauben wird vieles einfacher

Vor dem Gericht sagte Nawalny, so berichtet «Der Spiegel», er sei ein gläubiger Mensch. Das sei nicht immer so gewesen und einige seiner Mitstreiter spotteten darüber. Dennoch helfe ihm der Glaube, «weil alles viel, viel einfacher» werde.

Nach Darstellung von «Der Spiegel» zitierte Nawalny in seinem Schlusswort die Bergpredigt: «Selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.» Das klinge seltsam, aber er sei der Überzeugung, dass sich am Ende die Wahrheit durchsetze und der Durst nach Gerechtigkeit gestillt werde. Diese Hoffnung sei die wichtigste politische Idee Russlands, so Nawalny.

Bekenntnis oder Taktik?

Bisher waren solche Aussagen von dem Oppositionspolitiker nicht zu hören. Der «Spiegel» berichtet, er habe sich damit von einer «ungewohnten Seite» gezeigt. Möglich ist aber auch, dass sich Nawalny aus Kalkül zum christlichen Glauben bekennt. Denn damit macht es der Regierungskritiker dem russischen Staat schwer, ihn als unmoralischen Kritiker und Querulanten abzutun, zumal Staatspräsident Wladimir Putin schon lange die Nähe zur orthodoxen Kirche sucht, um seine Politik zu legitimieren.

Dem Regierungskritiker stehen zweieinhalb Jahre Straflager bevor

Alexej Nawalny steht eine schwierige Zeit bevor. Das Gericht verurteilte ihn wegen Nichteinhaltung der Bewährungsauflagen zu zweieinhalb Jahren Nawalny Straflager – eine harte Strafe. Nach Darstellung von früheren Gefangenen gehören Folter, Schläge und Todesfälle dort zum Alltag. Die Gefangenen müssen von 7:30 bis 0:30 Uhr schwer arbeiten und sollen so gebrochen werden.

Absurde Anklage

Das Urteil erging, weil sich Nawalny nicht an die Bewährungsauflagen hielt. Absurderweise wurde ihm vorgeworfen, dass er sich während seines Aufenthaltes in einem Berliner Krankenhaus nicht bei den Behörden meldete, nachdem er mutmasslich von Geheimdienstmitarbeitern in Russland mit einem Nervengift vergiftet wurde und nach öffentlichem Druck im Ausland behandelt werden konnte.

Demonstrationen im ganzen Land

Nawalny war fast fünf Monate in Deutschland und kehrte am 17. Januar nach Russland zurück. Nach seiner erneuten Verhaftung soll es in mehr als 80 Städten im Land Solidaritätsdemonstrationen gegeben haben.

Auch wegen des Vorwurfs, einen Veteranen des Zweiten Weltkriegs beleidigt zu haben, wurde Nawalny von dem Moskauer Gericht schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von etwa 10'000 Euro (rund 850'0000 Rubel) verurteilt.

Es gehört seit Jahrzehnten zur russischen Staatsräson den Sieg über Nazi-Deutschland zu feiern, früher nahm das kommunistische Regime dies für sich in Anspruch, nun die Regierung unter Putin. Im Volk geniessen die Kriegsveteranen hohes Ansehen. Das Verfahren könnte angestrengt worden sein, um Nawalnys unehrenhaften Charakter zu beweisen.

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Datum: 23.02.2021
Autor: Norbert Abt
Quelle: Der Spiegel / Livenet

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