Säkularismus war gestern

UK: das überraschende Wiederaufleben des Glaubens

In Grossbritannien lebt der Glaube wieder auf!
In Grossbritannien ist der christliche Glaube zwar statistisch gesehen im Rückgang, erlebt aber gleichzeitig eine deutliche Neubelebung unter führenden Denkern. Der Autor und Publizist Justin Brierley versucht im «Spectator» eine Einordnung.

Da ist zum Beispiel der landesweit bekannte Radiomoderator Tom Holland, ein ehemaliger Agnostiker, der wieder in die Kirche zurückgefunden hat. Er lud Justin Brierley kürzlich zu einem Evensong-Gottesdienst in Londons ältester Kirche, St. Bartholomew the Great, ein. Brierley: «Holland begann die Kirche zu besuchen, als er für seinen Bestseller `Dominion` recherchierte, in dem er beschreibt, wie die christliche Revolution des 1. Jahrhunderts die moralische Vorstellungskraft des Westens im 21. Jahrhunderts unwiderruflich geprägt hat.»

Und tatsächlich gelangte dieser säkulare, liberale Westler, der als Jugendlicher jeglichen Glauben verloren hatte, zu der Erkenntnis, dass er in seinen Überzeugungen von Menschenrechten, Gleichheit und Freiheit im Wesentlichen ein Christ geblieben war. «Tom Holland ist nicht der einzige Agnostiker, der es wieder mit der Kirche versucht», kommentiert Brierley. «Im Gegensatz zur üblichen Überalterung vieler anglikanischer Kirchen scheint die Gemeinde von St. Bart's hauptsächlich aus jungen, professionellen Männern und Frauen zu bestehen. Ich bemerkte einen bekannten Politiker unter den versammelten Gläubigen, und mir wurde erzählt, dass auch ein bekannter Rockstar die Kirche in letzter Zeit häufig besucht hat.»

Brierley ist überzeugt, dass Hollands Reise eine breitere Wende in der säkularen Strömung im Westen widerspiegelt - ein Phänomen, das er in seinem Buch «The Surprising Rebirth of Belief in God» (Die überraschende Wiedergeburt des Glaubens an Gott) beschreibt.

Leere Versprechungen der Neuen Atheisten

Tom Holland

Brierley: «Die Neuen Atheisten der frühen 2000er Jahre - angeführt von Richard Dawkins, Sam Harris, Christopher Hitchens und Daniel Dennett - prophezeiten eine auf Wissenschaft und Vernunft basierende Utopie, sobald wir uns von der Religion verabschiedet hätten. Doch ihre Bestseller erwiesen sich als leere Versprechungen. Alles, was unsere postchristliche Gesellschaft bisher hervorgebracht hat, sind Verwirrung, eine Krise der geistigen Gesundheit der Jugend und Kulturkriege. Es ist daher nicht verwunderlich, dass eine Bewegung neuer Theisten entstanden ist.»

Einflussreiche Persönlichkeiten wie Joe Rogan und Douglas Murray sprechen immer häufiger über den Wert des christlichen Glaubens und die Gefahren, ihn aufzugeben. Die ehemalige neue Atheistin Ayaan Hirsi Ali preist die Vorzüge unseres jüdisch-christlichen Erbes, nachdem sie zu der Überzeugung gelangt ist, dass der säkulare Humanismus den Westen nicht retten kann. Die Frauenrechtlerin Louise Perry plädiert seit ihrem Buch `The Case Against The Sexual Revolution` für eine Rückkehr zur traditionellen christlichen Moral. Der Evolutionsbiologe Bret Weinstein bezeichnet Religion oft als `metaphorisch wahr`. Säkulare Psychologen wie Jonathan Haidt und John Vervaeke haben viel über den Wert des Glaubens inmitten einer `Sinnkrise` im Westen geschrieben.»

Jordan Peterson: «Tiefe Muster von Symbolik und Bedeutung»

Eine weltweit wichtige Stimme, die über den Wert des Christentums spricht, ist der kanadische Psychologe Jordan Peterson. Brierley: «Im November besuchte ich einen seiner Vorträge in der O2-Arena. Wie so oft verwies er sein grosses Publikum, das hauptsächlich aus jungen Männern bestand, auf die Bibel als Quelle tiefer Weisheit über das Menschsein.

Doch es wurde deutlich, dass Peterson das Christentum zwar für nützlich hält, aber nicht an seine Wahrheit glauben will. Er wendet seinen Blick im Sinne von C.G. Jung auf die Bibel an und erkennt `tiefe Muster von Symbolik und Bedeutung`. Aber wie bei Weinstein, Haidt und Vervaeke läuft diese Einschätzung des Glaubens darauf hinaus, Religion als `nützliche Fiktion` zu betrachten, um dem Leben einen Sinn zu geben.»

Aber ist das Christentum wahr?

Ist das Christentum demnach «ein nützliches Rettungsboot für gestrandete Intellektuelle»? Justin Brierley:

«Wenn es nicht buchstäblich wahr ist, hat es keinen Wert. Es ist wichtig, ob Jesus Christus wirklich von den Toten auferstanden ist. Für Paulus war das wichtig: `Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist euer Glaube vergeblich, dann seid ihr noch in euren Sünden.` Und das sollte auch für uns wichtig sein.»

Er zitiert C.S. Lewis: «Wenn man die Geschichte liest, wird man feststellen, dass die Christen, die am meisten für die gegenwärtige Welt getan haben, gerade diejenigen waren, die am meisten an die zukünftige dachten. Der Einfluss des Christentums auf das Abendland ist untrennbar mit dem lebendigen Glauben derer verbunden, die seine Institutionen und Werte geschaffen haben. Hätten die Menschen nicht wirklich an das christliche Heilsversprechen geglaubt und hätten sie sich nicht im Angesicht des Todes darauf verlassen, hätten sie nicht den Mut gehabt, die Welt im Namen Jesu zu verändern.»

Brierleys Folgerung: «Wenn konservative Intellektuelle das Christentum nur `nachspielen` (so Tom Holland), ohne wirklich daran zu glauben, wird diese Bewegung der `neuen Theisten` unweigerlich verschwinden.»

Gott bewegt sich auf geheimnisvolle Weise

Dennoch: «Als gläubiger Christ sehe ich Anzeichen dafür, dass Gott sich in den Köpfen und Herzen säkularer Intellektueller bewegt. Viele von ihnen erkennen, dass der säkulare Humanismus gescheitert ist, und scheinen sich wider Erwarten dem Glauben zuzuwenden.» Manche von ihnen seien sogar bewusst und öffentlich Christen geworden: «Der Schriftsteller und Dichter Paul Kingsnorth überraschte seine Leserschaft, als er 2021 seine Bekehrung bekannt gab. Russell Brand nennt sich jetzt Christ und sagt, er wolle sich taufen lassen. Ayaan Hirsi Ali sagt, sie habe sich dem Christentum zugewandt, nachdem sie erkannt habe, dass sie `spirituell bankrott` sei. Der Tech-Pionier Jordan Hall hat kürzlich seinen Übertritt zum Christentum öffentlich gemacht.»

Schliesslich Tom Holland selbst: Nach einer Reihe von spirituellen Erfahrungen, die ihm einen «existentiellen Abgrund» auftaten und einem verzweifelten Gebet, auf das hin seine Krebsdiagnose umgekehrt wurde, sieht er sich als «sehr berührt» an. Er gibt unumwunden zu, dass keines dieser Beispiele einen hartgesottenen Skeptiker umstimmen könne. Aber seine Erfahrungen hätten ihn davon überzeugt, dass das Christentum wahr sein könnte.

Viele Male gestorben und wieder auferstanden

Justin Brierley

Brierleys Fazit: «Wohin diese Bewegung führt, bleibt abzuwarten. Die Statistiken zeigen ein Gesamtbild, das von einem stetigen Rückgang der Religiosität geprägt ist. Die Zahl der Kirchenbesucher befindet sich in einigen Konfessionen seit Jahrzehnten im freien Fall. Eine aktuelle Studie hat mich jedoch nachdenklich gemacht. In Finnland hat sich die Zahl der Kirchenbesucher unter den 18- bis 29-jährigen Männern zwischen 2011 und 2019 mehr als verdoppelt. Auch ihre Gebetsgewohnheiten und ihr Glaube an Gott haben zugenommen (…).

Als Christ glaube ich, dass Dinge, die tot sind, wieder lebendig werden können. Das ist schließlich der Sinn der Geschichte. Wie G.K. Chesterton schrieb: `Das Christentum ist viele Male gestorben und wieder auferstanden, weil es einen Gott hatte, der den Weg aus dem Grab kannte`.»

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Datum: 03.04.2024
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: livenet / The Spectator / Justin Brierley

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