In der Gondel

Zwischen Himmel und Erde das Gewissen erleichtern

Die Gondel wird zum Beichtstuhl
Unkonventionelle Wege in der Seelsorge oder auf den Berg mit göttlichem Segen: Wanderer von Bad Ischl im Salzkammergut können nicht nur mit der Seilbahn auf den 1'500 Meter hohen Hausberg Katrin fahren, sie haben auch die Möglichkeit zur Seelsorge.

Die Idee ist einfach, aber innovativ: «In dieser speziellen Gondel wird es Fahrgästen ermöglicht, im Beisein eines Seelsorgers die Beichte abzulegen. Die 15-minütige Fahrt von der Tal- zur Bergstation eignet sich dafür perfekt», sagt Johannes Aldrian, Geschäftsführer der Katrin-Seilbahn, zur Online-Zeitung meinbezirk.at. Die Idee zur neuen Gondel hatten der Ischler Stadtpfarrer Christian Öhler und Katrin-Seilbahn-Geschäftsführer Johannes Aldrian schon vor einigen Jahren. «Pfarrer Öhler ist dann nochmal auf mich zugekommen und wir begannen, das Projekt zu konkretisieren», erklärt Johannes Aldrian, der selbst zwar evangelisch ist, aber ein sehr gutes Verhältnis zum katholischen Pfarrer hat. 

Nun wurde eine der Seilbahnkabinen erneuert, frisch lackiert und mit bequemen Sitzplätzen und dem Motto «Zeit zum Reden – Zeit zum Zuhören» ausgestattet. Die feierlich beklebten Fenster der Gondel sind jenen der Ischler Stadtpfarrkirche nachempfunden. Zum regionalen TV-Sender TV1 Oberösterreich sagte Stadtpfarrer Christian Öhler: «Wenn jemand vertieft über Gott und die Welt philosophieren will, können wir mit der Gondel auch gleich ein paar Runden drehen, damit die Zeit reicht. Andere wollen vielleicht nur das Fenster aufmachen und alles rauslassen, was sie belastet. Das mit einer gewissen Leichtigkeit. Wir wollen das nachvollziehen, was Jesus immer gemacht hat, Menschen heilsam begegnen.»

«Man muss keine Beichte ablegen

120’000 Wanderer werden von den 40 Gondeln der Seilbahn jedes Jahr auf die Katrin gebracht. Alle Fahrgäste, die nun fürchten, eine Beichte ablegen zu müssen, wenn sie genau die besagte Gondel erwischen, können beruhigt sein: «Die Gondel ist optisch gut zu erkennen, aber natürlich wird nicht immer ein Seelsorger vor Ort sein und es ist eine ganz normale Bergfahrt. Ansonsten kann man natürlich auf die nächste Gondel warten», erklärt Johannes Aldrian. 

Die erste Fahrt mit der neuen Gondel unternahm der Linzer Diözesanbischof und selbst begeisterte Bergsteiger Manfred Scheuer, wie er dem österreichischen Fernsehsender ORF berichtete: «Die neue Katrin-Gondel ist für die Kirche ein Anknüpfungspunkt im Sinne von: Wie können wir einander zuhören, miteinander kommunizieren, in Dialog treten?», sagte er zur Eröffnung.

Offenes Angebot für Aussprache und Beichte

Im Kurort Bad Ischl verbrachte einst der Habsburger Kaiser Franz Joseph l. mit seiner Gemahlin Kaiserin Elisabeth (Sissi) die Sommermonate. Auch bedeutende Komponisten wie Johann Strauss, Franz Lehr und Johannes Brahms sowie Literaten wie Mark Twain und Theodor Herzl haben sich in Ischl aufgehalten. Längst ist bekannt, dass der Spruch aus dem Volksmund nicht stimmt: «Auf der Alm, da gibt's koa Sünd.» In der Stadtpfarrkirche von Bad Ischl gibt es jeden Freitag ein offenes Angebot für Aussprache und Beichte, berichtete Stadtpfarrer Christian Öhler dem ORF: «Da ist ein Seelsorger da und man hat Zeit, sich alles von der Seele zu reden, was sich angesammelt hat und einen Segen zu bekommen - oder die Lossprechung wenn jemand das in Form einer Beichte gestalten will.» Das soll nun auch regelmässig in der Gondel angeboten werden.

Dieser Artikel erschien zuerst im Dienstagsmail.

Datum: 17.02.2023
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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