Seit dem 16. Jahrhundert folgen orthodoxe und westliche Kirchen unterschiedlichen Kalendern: die russisch-orthodoxe dem auf Julius Caesar zurückgehenden Julianischen Kalender, katholische und evangelische Kirche dem 1582 von Papst Gregor XIII. reformierten Gregorianischen Kalender. Seit Jahrhunderten ist der Ostertermin also ein Zankapfel. Der Oberastronomierat Reinhold Bien und der Astronomierat Rainer Jährling wissen davon ein Lied zu singen. Die Wissenschaftler sind Spezialisten beim Thema Zeit. Das, was sie im Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg erarbeiten, hat Auswirkungen auf fast jeden Kalender. Das Buch ist ein Standardwerk: Auf Jahre im Voraus berechnet das Institut mit komplizierten Computerprogrammen den Lauf der Gestirne und die sich daraus ergebenden Jahresläufe und Feste. Kann da jemand so einfach am Kalender drehen und das Osterfest verlegen? "Kalender-Korrekturen waren in der Geschichte immer nur schwer durchsetzbar, weil Menschen ihre Gewohnheiten ändern und sich an neue Zeitrhythmen gewöhnen müssen", mahnt Bien. Wer etwa Ostern verschieben wolle, müsse nicht nur sämtliche Kirchenbücher wegen des veränderten Kirchenjahres umschreiben. Auch Ferientermine und die Karnevalssession seien betroffen. "Und wer will schon gerne Ostern im Mai feiern, wo doch für viele das Osterfest mit dem Frühling und dem neuen Leben verbunden ist?" rechnet Jährling vor. "Wenn Sie mich fragen: Am besten ändert man nichts", folgert Bien. Immerhin hätten die Kalenderreformen im 16. Jahrhundert zu Volksaufständen und Unruhen geführt.
Die Ostertermine können deshalb bis zu fünf Wochen auseinanderfallen. Gemeinsame Ostern gab und gibt es in den rund 1.500 Jahren zwischen 1583 und dem Jahr 3000 genau 271 Mal, wie zahlenbegeisterte Astronomen ausgerechnet haben - davon im 20. Jahrhundert 26 Mal, im 21. Jahrhundert 31 Mal.
Für viele Christen ist ein solcher kalendarischer Zufall deshalb von hoher Symbolik. Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist seit Jahrzehnten um eine Vereinheitlichung des Osterdatums bemüht. Bislang ohne Erfolg, denn alle Versuche, kirchliche, staatliche und gesellschaftliche Interessen unter einen Hut zu bringen, verliefen im Sand.
Diese Erfahrung machte schon Kaiser Konstantin, der geglaubt hatte, er habe die Christenheit auf dem Konzil von Nizäa im Jahr 325 endlich auf ein gemeinsames Osterdatum am ersten Sonntag nach dem Frühjahrs-Vollmond eingeschworen: Bereits ein Jahr später brach der Konsens wieder auseinander.Zahlenkolonnen
Ihr Jahrbuch besteht fast nur aus Zahlenkolonnen: Lange Tabellen mit täglichen Sonnenauf- und Untergängen, den Mondauf- und Untergängen für 16 deutsche Städte. Terminierung der jüdischen, islamischen und christlichen Feiertage, Berechnungen der "bürgerlichen Dämmerung und Tageslänge für die geographische Breite von plus 50 Grad", so lauten Kapitel in den "Astronomischen Grundlagen für den Kalender".Vom Sonntag zum Montag
"Natürlich kann heutzutage jeder seinen Kalender machen", schmunzelt Bien. Nicht mal der Staat schreibe vor, wann Ostern oder Weihnachten zu feiern seien. Es gelten weiter die alten kirchlichen Traditionen. Einzig die Industrie hat bislang in der Zeitrechnung eigene Vorstellungen durchgesetzt: Seit 1992 bestimmt eine Deutsche Norm, dass anders als nach kirchlicher Tradition der Montag der erste Tag der Woche ist.Kalenderreform?
Datum: 10.04.2004
Quelle: Kipa