Seit 1995 nimmt die Zahl der Geburten in Italien wieder leicht zu. Dies stellte das „Europäische Institut zur Aufwertung der Erziehungsarbeit“ in Berlin mit Berufung auf italienische Zeitungen fest. 2002 sei die Zahl der Geburten um 2,3 Prozent gestiegen. Ist das purer Zufall oder Zeichen einer langsamen, aber wichtigen Tendenzänderung? fragt sich Institutsleiter Christian Leipert. Und er kommt zum Schluss, dass sich wirklich etwas geändert habe: In Italien kommen mehr Kinder zur Welt, 9 Prozent mehr in Turin und Provinz gegenüber 2002, 14 Prozent im Como, 14 Prozent auch in Ravenna. In den nördlichen Regionen Italiens seien die Geburtenzahlen zwischen 9 und 17,4 Prozent gestiegen, in der Toskana seit 1995 sogar um 16 Prozent. In Süditalien dagegen liegen die Geburtenzahlen höher als im Norden, aber sie sinken immer noch. Es sei möglich, dass der Süden gegenwärtig die Phase durchlaufe, die der Norden schon hinter sich habe, vermutet Leipert. Per Saldo nehmen die Geburtenzahlen insgesamt in Italien leicht zu. Wenn die Tendenz von Anfang 2003 gleich bleibt, erwarten die Demographen, dass der gesamte Zuwachs bis Ende 2003 auf 3,2 Prozent ansteigt. Dies entspräche einem Anstieg der Geburtenrate von 1,18 auf 1,26. Zum ersten Mal wagen die Experten des nationalen Statistikamtes, von neuen Szenarien zu sprechen. Zu den Faktoren, die zum Anstieg der Geburtenzahlen im Norden beigetragen haben, zählt nach der Analyse auch der wachsenden Anteil ausländischer Frauen. Aber auch bei städtischen Paaren liessen sich Verhaltensänderungen beobachten. Neue Faktoren spielten dabei eine Rolle: „Man gewöhnt sich immer mehr an die Situation der wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheit und lernt, damit zu leben“, stellt das Institut fest. Die jüngeren Städter seien weniger fixierte auf den Zwang, einen festen Arbeitsplatz zu finden in einer neuen Wirtschaftswelt, in der Flexibilität und Anpassungen an sich schnell veränderte Bedingungen gefragt seien und immer mehr auch gelebt würden. Sie entdeckten wieder den Wert der personalen Dimension, in der Familien mit Kindern ein höheres Gewicht hätten, nachdem die Emanzipation in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz zwei Jahrzehnte lang dominiert habe. „In Italien beginnt man zögernd, wieder Kindes zu kriegen“, stellt Leipert fest. Allerdings seien auch in Italien grundlegende Reformen nötig, um das System öffentlicher Leistungen, das gegenwärtig zum Nachteil der Jungen und der Familien mit Kindern verzerrt sei, entsprechend den demographischen Anforderungen neu zu justieren. In Skandinavien und in Frankreich, wo die Geburtenrate deutlich höher ist, flössen zirka 12 Prozent der gesamten Sozialausgaben den Familien und ihren Kindern zu – gegenüber 3,8 Prozent in Italien. Quelle: Livenet/ SSFFlexibel und lebensbezogen auch im Blick auf Unsicherheiten
Trotzdem dringend Reformen nötig
Datum: 08.12.2003
Autor: Fritz Imhof