Weisse Missionare - kommt und macht es besser als eure Väter!

Weisser Missionar mit einheimischer Schwester
Marj Crouch
Viele Brunnen wurden durch europäische Missionseinsätze gebaut.

Die Arbeit der weissen Missionare während der Kolonialzeit- ist sie nun positiv oder negativ zu beurteilen? Ich bin zu jung, um das aus eigener Anschauung zu beurteilen. Was ich über die Kolonialzeit weiss, habe ich von Verwandten und anderen Ghanäern der älteren Generation gehört. Historiker und Missionswissenschaftler haben viel darüber geschrieben. Einige rühmen diese Zeit als eine "gute alte Zeit", in der das Kolonialregime an der damaligen "Goldküste" für Ruhe und Ordnung sorgte und die Missionare sich um alle Belange der Kirchen kümmerten. Andere haben bittere Erinnerungen an Demütigungen und Unmündigkeit. Beide Auffassungen sind verbreitet.

Die Kolonialzeit - ein bitteres Erbe

Tatsache ist allerdings, dass die europäischen Kolonisierer es geschafft haben, die alten afrikanischen Ordnungen, das soziale Gefüge und die wirtschaftlichen Strukturen aufzulösen und ihre eigenen Strukturen durchzusetzen. Dies geschah sowohl im Namen des Fortschritts als auch des christlichen Glaubens. Alle Bereiche der afrikanischen Kultur waren davon betroffen. Das Ergebnis ist bis heute ein schwieriges Erbe kultureller Unsicherheit. Die Afrikaner bemühen sich, die von den Europäern übernommenen Einrichtungen wie Demokratie, Schulsystem, kapitalistische Wirtschaft und europäische Verwaltung wirklich zu beherrschen. Da diese aber nicht in unserer Kultur verwurzelt sind, macht es uns immer wieder Mühe, damit umzugehen.

Vergessen wir nicht das Gute

Bei aller Kritik sollten wir allerdings nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die Missionare einseitig verurteilen. Wir können nicht die grossen Opfer jener Pioniere übersehen, die ab 1828 nach Ghana kamen. Sechs der ersten sieben Missionare der Basler Mission und die ersten drei methodistischen Missionare starben innerhalb weniger Monate nach ihrer Ankunft. Aber auch die Leistungen der ersten Missionare dürfen wir nicht vergessen. Andreas Riss von der Basler Mission etwa brachte den Afrikanern verschiedene handwerkliche Fertigkeiten bei, verbesserte landwirtschaftliche Anbaumethoden und tat andere nützliche Dinge.

Sein Kollege Christaller übersetzte die Bibel in die Sprache der Twi; daneben sammelte er 3000 einheimische Sprichwörter und verfasste eine Grammatik und ein Wörterbuch des Twi. Damit legte er den Grund für ein beträchtliches Wachstum der christlichen Gemeinden und für die Schulbildung unter den vier Millionen Twi. Der Bremer Missionar Schlegel verbrachte vier Jahre damit, für das Volk der Ewe die Evangelien zu übersetzen und eine Grammatik, ein Wörterbuch, eine Lesefibel und ein Buch über den geschichtlichen Hintergrund der Bibel zu schreiben. Auch er legte ein solides Fundament für die weitere Entwicklung dieses Volkes. Ich könnte noch viele weitere Beispiele anführen.

Die Arbeit weisser Missionare hat auch heute noch positive Auswirkungen. Ich kenne zum Beispiel in Ghana die Bibelübersetzerinnen Marj Crouch, eine Amerikanerin, die unter dem Volk der Mo lebt, oder die Engländerin Mary Steele bei den Bimobas und Konkombas. Sie leisten Grundlagenarbeit für den Bau eigenständiger Gemeinden unter diesen Völkern, und ich bin sicher, dass die Nachwelt ihrer Tätigkeit Respekt zollen wird.

Braucht Afrika weisse Missionare?

Es wird dem Leser inzwischen klar geworden sein, dass ich nicht die Meinung derer teile, die überhaupt keine weissen Missionare in Afrika mehr sehen wollen. Selbst wenn es in Afrika genug Christen gäbe, um die weitere Arbeit der Evangelisierung zuende zu bringen, glaube ich nicht, dass Gott die weltweite Missionsarbeit so angelegt hat. Mir scheint eher, dass die Christen der Welt sich gegenseitig bereichern und korrigieren sollten, sowohl durch ihr gemeinsames Leben wie auch beim gemeinsamen Weitergeben der Guten Nachricht an die Menschen in aller Welt. In Offenbarung 7,9 und anderen Stellen wird uns als das Ziel aller Mission geschildert, dass einmal Menschen aus allen Völkern, Stämmen und Sprachen vor Gottes Thron versammelt sein sollen. Im Blick auf diese alle Völker übergreifende Gemeinschaft scheint mir eine internationale Partnerschaft in der Mission schon heute der rechte Weg zu sein, um Gottes Ziel zu erreichen.

Noch einmal zurück zu unserer Frage. Ich habe nicht die geringsten Zweifel, dass Afrika eine grosse Zahl reifer Christen aufweisen kann. Ich kenne mehrere ghanäische Christen, die gegenwärtig als Missionare tätig sind, einige in Ghana, andere im Ausland. Sollten wir darauf bestehen, dass ghanäische Christen nur in Ghana, europäische Christen nur in Europa tätig sind? Das ist jedenfalls nicht meine Überzeugung. So wie biologische Inzucht ungesunde Nachkommen hervorbringt, so würde meiner Meinung nach missionarische "Inzucht" einen Mangel an Kraft und frischen Impulsen nach sich ziehen. Ich sehe genügend Aufgaben sowohl für den einheimischen als auch für den ausländischen Missionar. Wichtig ist, dass sie mit ihren verschiedenen Gaben und Fähigkeiten zusammenarbeiten, um ihren Auftrag auszuführen, "alle Völker zu Jüngern zu machen" (Matth.28,19).

Was für Missionare werden gebraucht?

Für mich lauten die eigentlichen Fragen also: Was für Qualitäten sollten heutige Missionare aufweisen? Welche Rolle sollten sie in Afrika spielen? Was für eine Ausbildung sollten sie absolvieren, um in dieser sich verändernden Welt eine wirkungsvolle Arbeit tun zu können?

Zum Kontrast möchte ich zunächst einmal in vereinfachender Weise einige Kennzeichen früherer Missionare aufzeigen. Sie hatten ein weites Herz und grossen Eifer, aber nur geringe Kenntnisse. Zum Beispiel wussten sie damals noch nicht, wie man seine Gesundheit in den Tropen wirksam schützen kann, deshalb starben so viele von ihnen. Sie hatten nur wenig oder gar kein Verständnis für die afrikanische Kultur, deshalb haben sie auf diesem Gebiet so viel durcheinandergebracht. Sie waren sich ihres eigenen Weltbildes kaum bewusst und auch nicht des Unterschiedes zwischen den Gepflogenheiten ihrer europäischen Kultur und der Botschaft der Bibel. Sie sahen die Welt durch die gleiche westlich gefärbte Brille wie die Kolonialherren.

Deshalb versuchten sie, die Afrikaner nach ihren eigenen kulturellen Vorstellungen zu verändern. Zum Christsein gehörte in den Augen dieser Missionare, dass die Afrikaner so sangen wie sie, dass sie in der Liturgie, im Kirchenbau, in der Kleidung und vielen anderen Bereichen die Vorbilder Europas nachahmten. Und vor allem lebten die Missionare mit dem Dilemma, dass sie zugleich Gott und der jeweiligen Kolonialregierung zu dienen hatten. Die jeweilige Regierung hatte weitgehend die Kontrolle auch über die Missionare. In Ghana bestimmte zum Beispiel die Kolonialverwaltung, wo und wie weit eine Missionsgesellschaft tätig sein durfte.

Die heutigen Missionare müssen den Eifer ihrer Vorfahren mit besserem Wissen und einer besseren Einstellung verbinden. Wir alle, Afrikaner wie Europäer, wissen heute mehr als die früheren Missionare zu ihrer Zeit. Wir haben Einsichten gewonnen, etwa im Bereich der Kommunikation über Kulturgrenzen hinweg, die dem Missionar helfen, seine Botschaft frei vom Ballast seines eigenen kulturellen Hintergrundes weiterzugeben. Mit guter Ausbildung und der entsprechenden Bereitschaft können und müssen heutige Missionare in der Lage sein, die wesentlichen Wahrheiten des Evangeliums von den politischen Trends, den wirtschaftlichen Zwängen, den gesellschaftlichen Gepflogenheiten ihrer eigenen Kultur zu trennen.

Afrika braucht, wenn ich mich einmal zum Sprecher des Kontinents machen darf, keine kolonialistischen Missionare mehr. Wie die übrigen Kontinente, so braucht auch Afrika einen neuen Schlag von Missionaren. Es müssen gereifte Christen sein, die sich ohne Vorurteile für die Verbreitung des Evangeliums einsetzen. Das schliesst auch die Bereitschaft ein, abzutreten, wenn die Zeit reif ist, und den einheimischen Christen das Heft in die Hand zu geben.

Mission ist Gottes Geschäft. Er ist es, der dazu ruft und sendet. Der Vater will nicht, dass Menschen verlorengehen, sondern dass sie das ewige Leben haben (Joh. 3,16). Christus hat den Christen aufgetragen, seine Zeugen zu sein, sowohl in der eigenen Umgebung als auch bis an die Enden der Erde. Das schliesst nach wie vor ein, zu Menschen in anderen Völkern und Kulturen zu gehen und sie ins Königreich Gottes einzuladen. Entscheidend für die Boten ist nicht ihre Nationalität, Rasse oder Hautfarbe, sondern Gottes Ruf und seine Gegenwart in ihrem Leben.

Joseph William Addai wurde als 12. Kind eines animistischen Vaters und einer christlichen Mutter in Ghana geboren. Er studierte Telekommunikation und arbeitete mehrere Jahre für die Regierung. Dann wurde er Mitarbeiter des “Ghana Institute of Linguistics, Literacy and Bible Traslation”, einer Organisation, in der Ghanäer und Ausländer zusammenarbeiten, um für Bibelübersetzung und Leseunterricht in den Sprachen Ghanas zu sorgen. Mehrere Jahre lang war er Leiter des Instituts. Zur Zeit (1995) studiert er in den USA, um den Doktorgrad in Missiologie zu erwerben.

Quelle: „Mission unter Beschuss“, Hänssler-Verlag 1996. Copyright beim Herausgeber, Andreas Holzhausen.

Datum: 29.11.2003
Autor: Joseph William Addai, Ghana
Quelle: Hänssler Verlag

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