Glücksforschung

Er entschlüsselt den Weg zum Glück

Weil ihm die Lebensfreude fehlte, ist Alexander Hunziker den Spuren des Glücks nachgegangen. Als Glücksforscher lässt er heute alle an seinen Erkenntnissen teilhaben – so tat er es auch am Forum christlicher Führungskräfte vom 18. September 2020. Gibt es ein Glücksrezept und welche Rolle spielt dabei der Glaube?
Alexander Hunziker

Wegen Corona herrscht nach wie vor in vielen Unternehmen Kurzarbeit. Wie beurteilen Sie das als Glücksforscher: Macht Kurzarbeit unglücklich?
Alexander Hunziker:
Tendenziell schon. Da ist zunächst die Reduktion des Einkommens und dann kommt auch noch die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust. Beide Faktoren sind ungünstig. Andererseits ist da auch mehr Freizeit. Je nachdem, wie gut oder schlecht man sie zu nutzen weiss, kann die Summe in beide Richtungen ausschlagen. In einer solchen Situation ist die Lebenseinstellung besonders wichtig. Optimisten geniessen die Vorteile und hoffen auf das Beste. Sie können sich wohl am ehesten über Kurzarbeit freuen.

Wie können Führungskräfte dazu beitragen, dass ihre Mitarbeitenden glücklicher sind?
Führungskräfte können sehr viel tun: zuhören, fördern, coachen, Fairness walten lassen, über den Sinn einer Arbeit sprechen, Mitarbeitenden etwas zutrauen, Chancen geben, Grenzen setzen, Rollen klären, Freiräume und ein vertrauensvolles Klima schaffen und vieles mehr. Natürlich muss dann jeder Einzelne sein Glück in die eigenen Hände nehmen. Das bedeutet aber zum Beispiel auch, zu kündigen, falls die vorgesetzte Person nichts von alledem umsetzt.

Am Forum 2020 haben Sie darüber referiert, inwiefern Geld als Resultat der Arbeit glücklich macht. Macht Geld glücklich?
Es ist kompliziert. Es gibt gute Hinweise, dass Geld glücklich macht, und ebenso gute, dass dies nicht der Fall ist. Es kommt auf die Bedingungen an und der ökonomische und soziale Kontext spielt eine Rolle. So werden ärmere Menschen glücklicher, wenn sie mehr Geld zur Verfügung haben, bei reicheren ist der Effekt so gut wie nicht vorhanden – und wenn, dann ist er von kurzer Dauer.

Sie nennen zwei Aspekte, die wichtig sind, damit das Arbeiten befriedigend ist: «Präsenz im Moment» und «Einsatz der eigenen Stärken». Können Sie diese zwei Punkte etwas ausführen? 
Läuft etwas schief, reagiert man manchmal mit Ärger. Das ist zwar irgendwie schön, weil es zeigt, dass einem das Resultat nicht egal ist, aber Ärger ist nur selten hilfreich und auf lange Sicht ungesund. Wer präsent im Moment ist, spult nicht sein Ärgermuster ab, sondern schaut sich die Situation an, wie sie ist, und überlegt, was das Beste ist, was man daraus machen kann. So führt Präsenz im Moment zu besseren und auch zu mitfühlenderen Entscheidungen. Was die Stärken anbelangt, so zeigt sich, dass jeder Mensch ein kleines Set von Charakterstärken hat, die ihn oder sie ausmachen. Es ist so persönlich, dass man auch von «Signaturstärken» spricht. Wenn man diese Signaturstärken öfter bei der Arbeit einsetzt, ist man glücklicher – und erfolgreicher.

Sie sagen, dass es grundsätzlich einfach ist, glücklicher zu werden. Wie lautet – kurz zusammengefasst – das Rezept?
Es ist gleichzeitig einfach und schwer. Einfach ist es, weil es eine Reihe von simplen Übungen gibt, die man leicht auffinden und durchführen kann. Etwa, jemandem einen Dankesbrief zu schreiben, häufiger zu lächeln oder ein Tagebuch der schönen Momente zu führen. Schwer ist es, weil es Selbstdisziplin braucht und alte Gewohnheiten durchbrochen werden müssen. Das kann man vielleicht mit einer Raucherentwöhnung vergleichen.

Sind Sie von Grund auf ein «glücklicher» Mensch oder mussten Sie auch erst zu Ihrem Glück finden?
Ich hatte eine glückliche frühe Kindheit in einer intakten Familie. Dann hatte ich aber auch Schwierigkeiten in der Jugend, aus denen ich nicht als glücklicher junger Erwachsener hervorgegangen bin. Eines Tages habe ich festgestellt, dass ich nicht so lebensfroh bin, wie ich es sein möchte, und habe beschlossen, das zu ändern. Und dann habe ich die Ratschläge der Wissenschaft ernst genommen. So habe ich die vorgängig erwähnten Übungen gemacht. Und ich habe das Weiterentwickeln und Weitergeben dieses Wissens zu meinem Beruf gemacht. So kann ich auf sinnvolle Art meine Stärken einsetzen.

Ganz allgemein: Welche Parameter machen in der Regel das Glücklichsein hauptsächlich aus?
Da gibt es viele sehr wichtige Aspekte. Zwei möchte ich herausgreifen. Es gibt einen genetischen Faktor. Man spricht nicht so oft darüber, da man ihn nicht beeinflussen kann. Er dürfte aber erheblich sein. Nicht alle Menschen sind gleichermassen glückbegabt. Als weiteren Faktor möchte ich die optimistische Lebenseinstellung nennen. Sie hat nachweislich einen sehr starken Einfluss darauf, wie man das Leben erlebt, und auch darauf, wie alt man wird oder wie gut man sich von einem Herzinfarkt erholt. Optimismus ist weitgehend gut lernbar. Eingefleischte Pessimisten werden das nicht glauben oder sind mindestens davon überzeugt, dass jedes noch so gute Trainingsprogramm bei ihnen persönlich nicht wirken würde. Wahrscheinlich haben sie recht. Aber vor allem darum, weil sie den Erfolg durch ihre Haltung verunmöglichen. Insofern ist das, woran man glaubt, ein wichtiger Glücksfaktor.

Wissenschaftliche Studien zeigen auf, dass sich der Glaube – wenn auch in geringem Ausmass – positiv auf das persönliche Glück auswirkt. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen und Erkenntnissen?
In zahlreichen Studien ist belegt, dass es wichtig ist, Sinn zu finden in dem, was man tut, und dass soziale Beziehungen eine grosse Bedeutung haben. Beides wird durch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft gefördert. Bei Strenggläubigen, insbesondere wenn sie an einen strafenden Gott glauben, dürfte der Effekt hingegen eher in die ungünstige Richtung zeigen. Ich vermute, dass es verschiedene Arten von Gläubigkeit gibt, die mit den aktuellen Messmethoden aber im selben Topf landen. Das könnte der Grund für die aktuelle Datenlage sein.

Macht beten glücklich?
Auch diese Frage ist erstaunlich wenig untersucht und der Stand der Forschung deutet eher auf ein Nein. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass es da keinen simplen Zusammenhang gibt. Verschiedene Randbedingungen dürften eine Rolle spielen. Ich vermute, dass es wichtiger ist, wie jemand betet als zu welchem Gott. Aber das ist Spekulation, es wurde meines Wissens nicht rigoros untersucht.

Welche Frage im Zusammenhang mit Glück möchten Sie unbedingt näher erforschen?
Der Mensch strebt nach Glück, seit es ihn gibt. Was mich immer wieder erstaunt, ist, wie ungeschickt der Mensch darin ist, das zu veranstalten, was ihm seit Urzeiten wichtig ist: Wir wissen so viel über das Glück und setzen davon immer noch so wenig um. Was mich interessiert, ist, was wir tun können, damit wir uns das vorhandene Wissen tatsächlich erschliessen. Wie können wir Unternehmen, aber auch Familien, Vereine, Wohnquartiere und Schulen so gestalten, dass sie das individuelle Streben nach tiefem Glück wirklich unterstützen? Ich habe keinen Zweifel, dass sich Erkenntnisse auf diesem Gebiet auf allen Ebenen lohnen werden. Das schliesst die ökonomische Ebene ebenso mit ein wie die spirituelle.

Zur Präsentation des Forums: 

Zum Thema:
Suche nach dem Glück: Ein Leben im Überfluss 
Ein erfülltes Leben: Glück – wirklich das höchste Ziel?
Rachel Hollis: Unser Glück liegt in unseren eigenen Händen

Datum: 04.10.2020
Autor: Cyrill Rüegger
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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