Kostbar und gefährdet: die Menschenrechte

Rassismus
In über 70 Ländern wird weiterhin gefoltert.
Freiheit - Religionsfreiheit sind jede Mühe wert.
Schweigen ist Rückschritt

Die Schwachen und Wehrlosen vor der Gewalt der Stärkeren zu schützen, ist ein zentraler Auftrag Gottes, der alle Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat. Am Internationalen Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, zeigt sich regelmässig, wie massiv und vielfältig die Würde des Menschen verletzt wird.

Auf die jüdisch-christliche Grundlage der Menschenrechte verwies letzten Freitag der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, als er die zunehmende Anwendung der Folter anprangerte. Mit der Folter sei nicht nur die Erfahrung körperlicher Schmerzen verbunden, sondern der Gefolterte werde zum Objekt gemacht und seinem Folterer ausgeliefert. Nach christlicher Vorstellung komme dem Menschen als Geschöpf und Ebenbild Gottes jenseits von persönlichem Verdienst und Versagen und vor aller menschlicher Rechtsordnung Würde zu.

Christen dürfen sich mit Folter nicht abfinden

Christen dürften sich deshalb nicht mit der Tatsache abfinden, dass immer noch in mindestens 70 Ländern der Erde gefoltert werde, sagte Huber. Er zeigte sich auch besorgt über die Verhörmethoden der USA auf Guantánamo (Schlaf- und Lichtentzug, Bedrohung durch Hunde) und bezeichnete die Folterungen im Gefängnis von Abu Ghraib als „Warnzeichen für die Missbrauchsgefahren, die jede Lockerung des Folterverbotes mit sich bringt“.

Bundeswehr: Erniedrigte lassen Misshandlungen geschehen

Für Huber deuten die Folterfälle in mehreren Kasernen der deutschen Bundeswehr darauf hin, dass die Achtung vor der Integrität der menschlichen Person nicht ausreichend verankert ist. Nicht nur bei denen sei dies der Fall, die die Übergriffe begangen hätten, sondern auch bei den Betroffenen, die die erniedrigende Behandlung über sich ergehen liessen, ohne sich zu beschweren. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Menschenwürde für das christliche Menschenbild forderte der EKD-Ratsvorsitzende, dass gerade Kirchen und Christen einen Beitrag dazu leisten, dass diese Geltung neu und verstärkt ins Bewusstsein tritt.

Die Menschenrechtshüter der UNO ohne Durchsetzungsmacht

Die Menschenrechtsexperten der EKD haben sich zum 10. Dezember kritisch über die Arbeit der UN- Menschenrechtskommission geäussert. Die Kommission tagt jährlich während sechs Wochen von März bis April in Genf. Dass Libyen, der Staat Ghaddafis, 2005 den Vorsitz übernehmen kann, zeigt, welche Allianzen unter den politischen Blöcken spielen.

Dass die Kommission dadurch gegenüber den Mächtigen an Autorität gewinnt, ist nicht anzunehmen; sie hat Staaten wie China wiederholt von einer Verurteilung ihrer Menschenrechtsverletzungen ausgenommen. (Mehr als feststellen und verurteilen kann die Kommission nicht; über allfällige Massnahmen zur Durchsetzung und Wahrung der Rechte entscheiden der UN-Sicherheitsrat und/oder die UN-Generalversammlung.)

Die NGOs – allzuoft Sprachrohr der Mächtigen

Die EKD-Experten legen indes den Finger auf einen anderen wunden Punkt: die Anpasserei von vielen der etwa 200 Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die in Genf als Beobachter vertreten sind. Manche würden von ihren eigenen Regierungen gesandt und verträten einseitig deren Position (im Diplomatenjargon heissen sie GONGOs: Governmental organised NGOs – ein Widersinn schon im Wort). Die echten NGOs wie amnesty international und Human Rights Watch vertreten Bürgerrechtler und Minderheiten, nicht Regierungen.

Laut der EKD leisten die NGOs zuwenig zwischen den Sitzungsperioden, wenn die Umsetzung der Beschlüsse der Kommission in den Ländern überwacht werden müsste. Sehr bedeutungsvoll seien jedoch die Berichte der Sonderberichterstatter der UN-Kommission sowie anderer Spezialmechanismen zu Ländern und Menschenrechtsthemen, weil diese bei der Beschreibung von Missständen "keine diplomatischen Rücksichten" nehmen würden.

"Saudi-Arabien muss Religionsfreiheit gewähren"

Die internationale Gemeinschaft sollte mehr Druck auf Saudi-Arabien ausüben, damit das Land Religionsfreiheit zulässt. Dies fordert der Chefredakteur der katholischen Missionsnachrichtenagentur asia-news, Bernardo Cervellera. Er kritisierte, dass sich im Ölkönigreich nur der wahabitische Islam in der Öffentlichkeit zeigen kann. „Bis vor ein paar Jahren durfte ein Christ noch nicht mal bei sich zu Hause beten, das hat sich jetzt unter internationalem Druck geändert. Aber leider akzeptiert die Religionspolizei und ein Grossteil der saudischen Gesellschaft diese kleine Liberalisierung nicht, und darum werden Christen verhaftet.“

Auch im Ende September veröffentlichten Jahresbericht des US-Aussenministeriums über die Religionsfreiheit steht Saudi-Arabien auf einer Liste von Ländern, in denen die Religionsverfolgung besonders brutal ist. Sie treffe Nicht-Muslime, aber auch die Muslime, die nicht Wahabiten sind.

Laut dem Bericht "riskieren Nicht-Muslime Verhaftung, Freiheitsstrafe, Auspeitschung, Deportation und manchmal Folter, wenn sie sich religiös betätigen und damit die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich ziehen."

Gewalt gegen Frauen und AIDS – Angst ohne Worte

In der AIDS-Bekämpfung spielt der Kampf für die Rechte der Frauen eine zentrale Rolle. Am Genfer Sitz von UNAIDS wurde zum 10. Dezember auf die verbreitete Gewalt gegen Frauen hingewiesen, „meistens von Seiten ihrer Männer und Partner“, die in Tausenden von Fällen zur Ansteckung führt. „Wir müssen Gewalt gegen Frauen ausmerzen, wenn wir die Ausbreitung von AIDS stoppen wollen“, sagte UNAIDS-Chef Peter Piot.

Erzwungener Sex erhöht laut der Weltgesundheitsorganisation WHO das Ansteckungsrisiko, besonders bei Mädchen und jungen Frauen. Dazu kommt, dass viele Frauen aus Angst vor dem Zorn des Mannes sich nicht ins Bild setzen über die tödliche Krankheit, sich nicht testen lassen und Behandlung suchen. Die diesjährigen Aktionstage von UNAIDS waren der Gewalt gegen Frauen gewidmet. Wie Piot betonte, kann Gewalt gegen Frauen – wie HIV – abgewendet werden.

Datum: 15.12.2004
Autor: Peter Schmid

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