Kritische Töne? Fehlanzeige

Synode winkt Untersuchungen zum Fall Locher diskussionslos durch

Obwohl ein Brief von Gottfried Lochers Ehefrau, der von kath.ch in voller Länge publiziert wurde, nochmals mächtig Zündstoff für Diskussionen gegeben hätte, nahm die Synode den Untersuchungsbericht widerspruchs- und geräuschlos zur Kenntnis.
September-Synode der EKS (Bild: Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz)

Die Ehefrau von Gottfired Locher fuhr in ihrem Brief an die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) durchaus schweres Geschütz auf: Die Reformierten würden «eine Inquisition wie im Mittelalter» und einen «kirchlichen Schauprozess» veranstalten, schrieb Barbara Locher in ihrem Brief, den www.kath.ch im genauen Wortlaut veröffentlichte. Niemand habe eine Klage eingereicht. «Das Kirchengericht, das Sie hier simulieren, ist Ihre Erfindung», heisst es weiter in diesem Schreiben. Es gehe nur darum, Gottfried Locher zum Schweigen zu bringen. Barbara Locher betont auch, dass sie nach wie vor zu ihrem Mann stehe: «Ich bin mit einem Mann verheiratet, der nicht fehlerfrei ist, aber authentisch... An seiner Seite zu stehen ist ein Privileg, jetzt ganz besonders.» 

Kaum ein kritischer Ton an der Synode

Von diesem Zündstoff, der in diesem Schreiben von Barbara Locher steckt (notabene das erste Zeichen aus dem Umfeld des Beschuldigten), war an der Synode schliesslich nichts zu spüren. Der Bericht zu den Vorwürfen gegen Gottfried Locher gab nicht zu reden, wie EKS-Kommunikationsleiter Dominic Wägli auf Anfrage von Livenet sagte. «Ich war ehrlich gesagt überrascht über die schlanke Abhandlung des Traktandums. Es gab nur vereinzelte Voten, keine echte Debatte.» Entsprechend war die EKS-Synode in Bern am Montagmittag bereits zu Ende.

Entsprechend unspektakulär liest sich auch die Medienmitteilung, welche das EKS-Kommunikationsteam verschickt hat: «Die Synode befasste sich mit der Aufarbeitung der Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Beschwerde gegen den ehemaligen Präsidenten. Sie nahm den Bericht der nichtständigen Untersuchungskommission zur Kenntnis und entliess die Mitglieder aus ihrem Mandat.»

Kein Mut, unbequeme Fragen zu stellen? 

Ob sich nun die kritischen Stimmen nicht exponieren wollten oder die Synodalen zufrieden waren mit der Aufarbeitung der Untersuchungskommission, ist natürlich Spekulation. Vielleicht gab es auch einen allgemeinen Konsens, nun diese Geschichte möglichst rasch hinter sich zu lassen. So oder so bleibt ein gewisser Zweifel an der Konflikftähigkeit der Evangelisch-reformierten Kirche zurück. Wird eine Kirche, in der niemand den Mut hat, in einer so heiklen Angelegenheit noch ein paar unbequeme Fragen zu stellen, in der Lage sein wird, künftige Konflikte und Herausforderungen zu meistern?

Immerhin haben die Untersuchungsergebnisse die berufliche Zukunft  einer prägenden Persönlichkeit in der Kirche definitiv zerstört.

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Datum: 06.09.2021
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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