Am Lebensende Frieden finden
Kathrin (66) und Gerhard (65) Kaltenrieder leben in Unterseen, haben drei Söhne, zwei Enkelkinder. Sie lieben Menschen – ob es sich dabei um Kinder oder Bewohnerinnen und Bewohner eines Altersheims handelt.
Grosses mit den Kleinen
Als Sozialdiakone in einer aargauischen Kirchgemeinde setzten sich Kaltenrieders für Jugendliche ein. «In unserem dritten Jahr führten wir ein Weihnachtsmusical auf», blickt Kathrin zurück. Sie erinnert sich an einen Profimusiker, der sich nach dem erfolgreichen Projekt für alles bedankte, was er im Umgang mit Kindern hatte lernen dürfen. Dieses Feedback ermutigte Kathrin und Gerhard. Sie verstanden es auch als grosse Bestätigung, trotz bescheidener Ausbildung am richtigen Platz zu sein. «Es war uns wichtig, dass Kinder mit christlichen Werten vertraut werden und erfahren, dass Gott sie liebt.» So erteilte das Paar auch mit Begeisterung Religionsunterricht und baute eine Jungschar-Arbeit auf. Als Kathrin und Gerhard fünf Jahre später in einem Gottesdienst verabschiedet wurden, erschienen 80 Jugendliche, die ihre Dankbarkeit ausdrückten. Kaltenrieders verliessen die Arbeit, damit Gerhard Sozialdiakonie studieren und so seine Kompetenzen erweitern konnte.
Offenes Haus für Menschen in Krisen
In jener Zeit wurden Kathrin und Gerhard drei gesunde Söhne geboren. Als Familie öffneten sie immer wieder die Türen für Jugendliche, die gerade ein Dach über dem Kopf brauchten. Einmal standen um 22 Uhr zwei Polizisten an ihrer Türe – im Schlepptau ein Teenagermädchen, das eine Unterkunft brauchte. Das Mädchen blieb drei Monate bei ihnen, bis eine geeignete Lösung gefunden werden konnte. Als eines Tages eine Mutter ihr vierjähriges Kind bei Kaltenrieders abgab, um an einer Hochzeitsfeier teilnehmen zu können, hegten sie noch keinen Verdacht, es könne sich um gröbere Probleme handeln. Erst als die Mutter das Kind nicht abholte, kamen diese ans Licht. Eine andere Mutter, deren Ehemann tödlich verunglückt war, stand vor einem operativen Eingriff. Gern bot Kathrin ihr an, die beiden Kinder zu beherbergen. «Es waren gute vier Wochen», blickt sie zurück. Auch die regelmässigen Aufenthalte eines Jungen, dessen Mutter wegen Depressionen wiederholt in die Klinik musste, bleiben Kaltenrieders in bester Erinnerung.
Plötzlich Leiter im Altersheim
Am Ende des Studiums wünschte sich Gerhard, ein Praktikum in einem Altersheim zu absolvieren. Er versprach sich davon eine Horizonterweiterung und fand einen geeigneten Platz. Als seine Begleiterin am Ende der Zeit zu ihm sagte, dass sie ihn sogar als Leiter eines Altersheims sehen würde, geriet etwas ins Rollen. Gerhard bewarb sich für eine offene Stelle als Heimleiter und wurde prompt angestellt. Obwohl er die Arbeit nach einem Jahr beendete, wagte er in einem anderen Altersheim einen neuen Anlauf. Es hatte sich gelohnt: Als Leiterehepaar verbrachten Kathrin und Gerhard neun gute Jahre in Beatenberg. Berufsbegleitend legte Gerhard die Prüfungen für die benötigten Diplome ab.
Den Menschen ganzheitlich sehen
Der Wechsel von der Kinder- und Jugendarbeit hin zur Leitung von Altersheimen schien Kathrin und Gerhard weniger extrem als anderen Personen in ihrem Umfeld. «Es geht doch immer um Menschen», sagen sie.
Zutiefst im Innern haben alle Menschen dieselben Nöte und Sehnsüchte. Letztlich brauchen alle ein versöhntes Leben. «Bei der Arbeit mit betagten Menschen konnten wir Betroffenen helfen, die Welt versöhnt zu verlassen – versöhnt mit ihren Angehörigen, mit sich selbst und auch mit Gott. Wenn wir sehen, wie Menschen trotz guter, psychiatrischer Hilfe Lasten tragen, motiviert uns dies, ihnen vom Angebot der Versöhnung zu erzählen. Diese Versöhnung finden sie bei Gott und erfahren sie, wenn sie ihm ihr Leben anvertrauen.» Für das engagierte Ehepaar gibt es nichts Grösseres als versöhnte Beziehungen und kein besseres Geschenk als eine versöhnte und lebendige Beziehung mit dem Schöpfer. Kaltenrieders sehen und verstehen den Menschen ganzheitlich, als Einheit von Geist, Seele und Körper. Im Altersheim konnten sie diese Wertvorstellung und Wertschätzung auf allen Ebenen leben. Körperliche Pflege hatte genauso ihren Platz wie das Schaffen von schönen Momenten oder das Hinweisen auf den Schöpfer. «Menschen können ein Leben lang mit Schuldgefühlen leben, ohne dass ihnen jemand sagt, wie sie diese loswerden können.» Am Ende des Lebens sollte man inneren Frieden haben. Noch besser ist es natürlich, dies schon in den Jugendjahren zu erleben.
Noch einmal Veränderungen
Im Laufe der Jahre intensivierten Kaltenrieders ihr Engagement in einer Schule für Persönlichkeitsfindung in Thun. «Um Zeit für das zu haben, was ich auf dem Herzen habe, kündigte ich meine Stelle im Altersheim», erzählt Gerhard. «In der Folge halfen wir unter anderem beim Aufbau einer entsprechenden Schule in der Ostschweiz.» Mit Seminaren unterstützt das Paar Menschen in ihrer Persönlichkeitsfindung. Als Präsident setzt sich Gerhard in einem Verein für therapeutisches Wohnen ein und im privaten Rahmen begleiten Kathrin und er noch immer Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Während sechs Jahren kümmerte sich Kathrin intensiv um Kinder aus ihrer Umgebung. Die meisten stammten aus Familien mit Migrationshintergrund oder lebten mit nur einem Elternteil: «Ich spielte mit ihnen, half bei den Hausaufgaben und fand Lösungen für die unterschiedlichsten Probleme.» Besonders freute Kathrin, wenn sich Kinder sich für den Glauben öffneten. «Es gibt für ein Kind – für jeden von uns! – nichts Wertvolleres, als sich vorbehaltlos angenommen und geliebt zu wissen.» (mrm)
Über Gerhard und Kathrin
Einer unserer Lieblingsplätze in Unterseen:
Von Frühjahr bis Herbst sind wir oft im Schülerbad oder beim Spaziergang durch das Naturschutzgebiet anzutreffen.
Unsere Lieblingsbeschäftigung an verregneten (Sonntag-)nachmittagen:
Karten- oder sonstige Gesellschaftsspiele spielen, am liebsten mit weiteren Personen.
Unsere Lieblingsmusik:
Gerhard - deutsche Anbetungsmusik
Kathrin - «alles was ich selber spielen oder singen kann.»
Auf diese App möchten wir auf keinen Fall verzichten:
Gerhard - Wetter-App der Landi
Kathrin - Die Losungen
Datum: 13.10.2022
Autor:
Markus Richner-Mai
Quelle:
HOPE-Regiozeitungen