Sind Vernunft und Glaube vereinbar?

Ein Theologe unter Naturwissenschaftlern

Im aktuellen Magazin «Spektrum der Wissenschaft» stehen nicht handfeste naturwissenschaftliche Themen im Zentrum wie Weltraum, Klima, Bakterien, Materialforschung und Teilchenphysik. Ein Theologe referiert ein Theologe über das Verhältnis zwischen «Vernunft und Glaube».
Naturwissenschaft
Prof. Dr. phil. Dr. rer. nat. Christian Tapp

Prof. Dr. phil. Dr. rer. nat. Christian Tapp ist Juniorprofessor für Philosophisch-Theologische Grenzfragen in der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und Leiter der Emmy-Noether-Nachwuchsforschergruppe «Infinitas Die» (Die Unendlichkeit Gottes). Sein Leitartikel «Vernunft und Glaube» ist ein acht Seiten langer Versuch, erst ein Spannungsfeld zwischen Glaube und Vernunft, zwischen Religion und Wissenschaft, aufzuzeigen, um es dann als nicht wirklich stark zu relativieren.

Der Leser muss sich auf «Theologen-Sprech» gefasst machen, was bedeutet, dass er kaum persönliche Meinungen oder gar christliche Bekenntnisse erwarten darf, sondern eine Aneinanderreihung von Zitaten verstorbener Personen. Tapp stellt viele Fragen, beantwortet sie jedoch nur mit Worten anderer, gerne auf Latein. Manchmal prescht er aber auch mit eigenen Meinungen vor, etwa so: «Für den Gott des Christentums ist die Vernunft nicht irgendeine Äusserlichkeit, er ist selbst ‚höchst-vernünftig‘. Und der Mensch, der als sein Abbild geschaffen wurde, hat durch die Fähigkeit, zu erkennen und zu verstehen, Anteil am Göttlichen.»

Dabei ist nicht wirklich klar, an welche «Schöpfung» ein Theologe wie Tapp glaubt. Die Bibel und die moderne Naturwissenschaft stünden immerhin in Widersprüchen zueinander, meint der Theologe. Die biblische Schöpfungsgeschichte etwa einerseits, die Überzeugungen der meisten Naturwissenschaftler andererseits. Soll es eine Auferstehung der Toten gegeben haben? Tapp betont, dass es immer einer «angemessene Auslegung» der Bibeltexte bedürfe. Denn die seien «in einer ganz anderen Zeit als der unsrigen geschrieben worden, mit anderen Absichten und Zielen, mit einem anderen geistigen Horizont».

Der Theologe ist überzeugt: «Vernunftfreundlichkeit gehört zum christlichen Glauben.» Tapp ist jedoch auch bewusst, dass man so argumentieren könnte: «Gerade weil der christliche Glaube beansprucht, wahr zu sein, muss er davon ausgehen, dass er Ergebnissen der Naturwissenschaften nicht wirklich widersprechen kann. Denn wenn beides wahr wäre, Glaube und wissenschaftliche Erkenntnis, und beides sich widerspräche, müsste es zwei sich widersprechende Wahrheiten geben.» Der Theologe fügt jedoch gleich hinzu: «Das aber ist offenkundig unmöglich. Die entscheidende Frage lautet hier, ob der Glaube seinen Wahrheitsanspruch auch berechtigterweise erheben kann.» Auch wenn er die biblische Schöpfungslehre ablehnt, ist er der Überzeugung, dass Gott «der Grund für die Ordnungsstrukturen der Welt» ist, «Iogos der Grund dafür, dass die Welt für uns verstehbar ist».

Was also ist Glaube für Tapp? «Es ist schwierig, die Frage nach der Wahrheit des Glaubens von aussen zu beantworten. So lange sie aber offenbleibt, reduziert sich das Problem der Glaubensbindung darauf, dass es sich um die Bindung an etwas handelt, dessen Wahrheit sich erst noch herausstellen muss.» Immerhin, Theologie sei notwendig, denn: «Wenn wir uns staatliche Theologen leisten, hat das Vorteile für unsere Gesellschaft: Wir bewahren uns einen integrativen Teil der abendländischen Kultur.»

Eine der interessantesten Fragen stellt Patt zum Schluss: «Bei all den Problemen könnte man fragen: Warum überhaupt der ganze Aufwand? Warum denn muss der Glaube all seine Widersprüche auflösen? Warum muss Theologie unbedingt auch Wissenschaft sein wollen? Warum sich nicht einfach auf den Standpunkt privater Überzeugungen und weltanschaulicher Entschiedenheit zurückziehen?» Tapps Antwort: Weil der christliche Glaube immer den «ganzen Menschen» abziele. Sowohl Herz, als auch Verstand. «Er ist, in den Worten von Anselm von Canterbury (1033 – 1109) fides quaerens intellectum – Glaube, der nach Einsicht verlangt.» Ob diese Antwort befriedigt? Nun, vielleicht hängt es davon ab, ob Sie Theologe sind, oder nicht.

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Datum: 03.01.2012
Quelle: PRO Medienmagazin

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