Online-Liebe: Der Tag X

Hoffnung auf Freundschaft
dringende Warnung
emotionaler Druck
keine Auskunft

Monique ist wahnsinnig aufgeregt. Dave, ihr Lover aus Irland, der ihr übers Internet bereits einen Heiratsantrag gemacht hat, soll aus Westafrika kommend endlich in der Schweiz landen.

Herausgeputzt stand ich am Flughafen – und er kam nicht! Was war los, ist etwas geschehen? Er hatte mir gewisse Befürchtungen mitgeteilt. Aber Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) war kein sehr gefährliches Land. Zwischen Bangen und Hoffen hin- und hergerissen, erlebte ich zwei schreckliche Stunden am Flughafen. Erste Erkundigungen am Air France-Schalter ergaben, dass es für Mr. Dave McStanley keine Flugreservation gab. Ich war den Tränen nahe, klapperte alles ab, vom Infodesk bis zur Grenzpolizei...

Völlig demoralisiert fuhr ich nach Hause. Da war keine Nachricht von meinem Freund, weder in der Mailbox noch auf dem Telefonbeantworter. Hatte er seinen Flug kurzfristig umgebucht? Hatte er kalte Füsse bekommen und sich auf so gemeine Weise einfach aus meinem Leben davongestohlen? Ich weinte viele Tränen und schrie zu Gott: „Warum?“ Allmählich fand ich mich damit ab, dass ich wohl nie wieder etwas von Dave hören würde.

Ein schockierendes Mail

Zwei Tage später traf überraschend ein Mail von ihm ein: „Accident, my heart, please help me!“ Erregt überflog ich die Zeilen: Das Auto, das Dave genommen hatte, um zum Flughafen zu gelangen, war von Rebellen überfallen worden, wobei die beiden Hotel-Angestellten getötet wurden. Bei dem folgenden Unfall habe er komplizierte Brüche an den Füssen erlitten. Dave schrieb, im Spital sei er wieder zu sich gekommen. Er habe nichts mehr bei sich und brauche jetzt dringend meine Hilfe – sonst habe er niemand auf der Welt! (Er hatte zuvor mitgeteilt, seine Eltern seien gestorben und der Kontakt zu seinen Halbbrüdern sei abgebrochen). Er werde nicht behandelt, bevor Geld für ihn überwiesen werde.

Einerseits wurde ich von Mitleid übermannt für meinen armen Schatz, der dort in einem fernen Land unter Schmerzen und Ängsten im Spital lag! Andererseits kam mir die Geschichte – im Gesamtzusammenhang betrachtet, mit all den ’dunklen Punkten’ welche mich bereits beunruhigt hatten – mehr als seltsam vor. Ob die Bitte eine dieser berühmten Geld-Fallen war? Verrückt: Es bewegte sich immer noch im Bereich des Möglichen; ich musste sehr sorgfältig vorgehen! So begann ich intensiv nachzudenken und abzuchecken.

Keine Auskunft vom Spital

Im Internet vergewisserte ich mich, dass das genannte Spital in Abidjan existierte. Die internationale Auskunft gab zwei Telefonnummern an. Auf eine Mail-Anfrage hin erhielt ich weitere Telefonnummern. Ich rief an, doch mit meinem dürftigen Französisch erhielt ich keine Auskunft. Eine Afrika-kundige Freundin riet mir, an die Schweizer Botschaft in Côte d’Ivoire zu gelangen. Noch am selben Abend telefonierte ich auf ihre Notfallnummer. Der nette Herr versprach mir, am folgenden Tag Erkundigungen einzuziehen.

Jetzt ging es mir wieder etwas besser! Im Internet suchte ich die irische Botschaft im Land – sie wäre doch die erste Anlaufstelle für Dave gewesen. Ich mailte ihm die Daten und schickte ihm noch ein SMS. Ich versuchte alles, um ihm zu helfen. Es musste doch eine andere Lösung geben als dass ich gleich Geld schickte! Vielleicht war er ja in tiefster Not, vielleicht war es auch ein abgekartetes Spiel... Allmählich konnte ich kaum mehr unterscheiden zwischen Wirklichkeit und Illusion; ich war furchtbar aufgewühlt.

Röntgenbilder

Es kam noch dicker: Am nächsten Morgen fand ich ein Mail von dem behandelnden Arzt – inklusive Röntgenbildern von den gebrochenen Füssen und dem erschütternden medizinischen Bericht dazu! Darin hiess es, ’mein Mann’ leide grosse Schmerzen. Eine Entzündung sei dazu gekommen; er müsse dringendst behandelt werden. Er als Arzt könne dies (bei einem Ausländer) erst tun nach der Zahlung von 1300 Euro. Andernfalls drohe der Verlust seiner Lizenz. Und ’mein Mann’ könne seine Füsse verlieren...

Ich stand unter einem entsetzlichen emotionalen Druck. Trotz der vielen kleinen Ungereimtheiten – zuvor hatten die zärtlichen Worte in Dave’s Liebesbriefen sie wie Wellen weggespült – konnte dies alles noch möglich sein! Was war die Wahrheit? Wie konnte ich herausfinden – und zwar schnell –, was ich tun sollte? Per Mail kontaktierte ich die Botschaft und sandte gleich mit, was ich vom angeblichen Doktor erhalten hatte. Er hatte die Geschichte vom Rebellen-Angriff und dem darauf folgenden Unfall wiederholt und betont, es sei riskant, andere Personen zu involvieren. Zum Schutz von Dave’s Leben müsse das Ganze geheim gehalten werden.

Die Lösung des ’Falls’

Postwendend bekam ich Antwort: eine dringende Warnung, kein Geld zu senden. Die Botschaft kannte mehrere solche Betrugsfälle. Ich telefonierte ein weiteres Mal für teures Geld nach Abidjan – ich musste es für mich selbst einwandfrei geklärt haben. Die Botschaftsmitarbeiterin erzählte mir von einem ähnlichen Fall: Der gleiche Name, die gleiche Rebellen-Angriff-Unfall-Geschichte und der Hilferuf aus dem Spital. In jener Geschichte wurde Geld überwiesen, doch jener Mr. Stanley starb schliesslich. Der Helfende hätte noch anreisen sollen, um den Toten zu identifizieren... Kurz: Es gab gar keinen Dave E. McStanley und alles war sorgfältig inszeniert worden, um an das Geld von ’reichen Schweizerinnen’ bzw. von ’hilfsbereiten, verliebten christlichen Frauen’ zu kommen.

Ich hatte Glück im Seelenschmerz. Die Schweizer Botschaft klärte mich auf: Die Telefonnummern waren Handy-Nummern, der genannte Arzt existierte nicht in dem bezeichneten Spital, von Rebellen-Unruhen und einem Angriff war nichts bekannt – das Ganze war frei erfunden.

Einfach dankbar

So bin ich mit einem ’blauen Auge’ davongekommen! Die Hoffnung auf Freundschaft und Liebe wurde enttäuscht, doch ausser einer gesalzenen Telefonrechnung und Zeit habe ich nichts verloren. Einen Tag später schrieb ich meinem ‚Freund’ und dem ’Arzt’ ein kurzes Mail mit dem Vermerk: ’Game over’: dass ich nun wisse, was gespielt werde und dass das mit mir nicht funktioniere. Ich wurde fortan nicht mehr belästigt.

Mein grosser Dank geht an alle Freunde, die mich gewarnt und beraten haben. Ebenso an die Schweizer Botschaft in Abidjan, die mir so schnell, effizient und unbürokratisch geholfen hat. Und natürlich an Gott, der mich in all dem doch geführt und bewahrt hat – auch wenn meine Partnersuche bis jetzt nicht den Erfolg gezeitigt hat, den ich mir ersehne. Mit meiner Geschichte will ich nicht (christliche) Single-Plattformen in Verruf bringen. Ich habe ein ’Lehrgeld’ bezahlt, das im Rahmen ist – und diese meine Geschichte soll alle Internet-User und Partner-suchenden Menschen sensibilisieren... auf das, was möglich ist in unserer verrückten Welt!

Datum: 28.12.2007
Quelle: Livenet.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung