Die «Mutter Teresa von Dresden» ist gestorben
Rund tausend Menschen haben am Dienstag in der Dresdner Kreuzkirche bei einem Trauergottesdienst Abschied von der Sozialwohltäterin Sabine Ball genommen. Die «Mutter Teresa von Dresden» war am 7. Juli im Alter von 83 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Nach dem Gottesdienst wurde sie auf dem Dresdner St.
Pauli-Friedhof beigesetzt.
Sabine Ball entfaltete ein unverwechselbares Charisma für die Jugend, sagte Pfingst-Pastor Roman Siewert im Gottesdienst. Ihr Leben sei eine «Liebesgabe Gottes für uns Menschen» gewesen, fügte er hinzu. Neben Familienmitgliedern waren auch zahlreiche Dresdner Jugendliche unter den Gottesdienstbesuchern.
Stoffwechsel
Die Deutsch-Amerikanerin wurde bundesweit vor allem durch ihren Einsatz für Strassenkinder und benachteiligte Jugendliche in Dresden bekannt. 1993 hatte sie das Café «Stoffwechsel» unter dem Dach des gleichnamigen Vereins eröffnet. Für denüberkonfessionellen Verein «Stoffwechsel», der mittlerweile mehrere Hilfsprojekte betreibt, arbeiten zahlreiche hauptamtliche und Dutzende ehrenamtliche Helfer. 2005 gab Ball im Alter von 80 Jahren die Leitung der Sozialprojekte ab.
Nach Angaben einer Sprecherin des von Ball gegründeten Dresdner Hilfsvereins «Stoffwechsel» starb sie unerwartet an einem Herzinfarkt. Sie sei bis zu ihrem Tod bei guter Gesundheit gewesen.
Talkshows
Die bundesweit bekannte Deutsch-Amerikanerin galt als eine markante Vertreterin christlicher Jugendarbeit und war häufiger Gesprächspartner in Fernseh-Talkshows. Zuletzt war sie Anfang Juni Gast in der Sendung «Menschen bei Maischberger».Sachsens Landesbischof Jochen Bohl hob in einer ersten Reaktion das Lebenswerk Balls hervor. Mit ihrer vom christlichen Glauben geprägten Persönlichkeit und ihrem grossen Engagement für benachteiligte Kinder habe sie viele Menschen beeindruckt, sagte er.
Hoffnung
«Die Hoffnungslosigkeit in dieser Welt und oft auch in unserem Leben nimmt zu. Wir lassen uns mit dem „Strom" treiben. Doch Veränderung beginnt bei uns selbst! Jesus kann nur dort wirken, wo Glaube lebendig wird.» Es scheint, als hätte Sabine Ball diese Worte vor allem deshalb gesagt, weil sie ihr eigenes Leben so gut beschreiben. Was Veränderung bedeutet, hat die Evangelistin gewusst.Sabine Ball wurde am 9. September 1925 als Sabine Koritke in Ostpreussen geboren. Sie erlebte den Zweiten Weltkrieg, floh mit ihrem Bruder Hans nach schweren Luftangriffen aus der Stadt und 1949 nach Amerika. In New York arbeitete sie als Kindermädchen und machte eine Lehre zur Hotelfachfrau, bis es die damals 25jährige nach Miami trieb. Dort arbeitete sie im „Quaterdeck-Club". Später wurde sie Managerin. Die Arbeit brachte zahlreiche interessante und so manche schicksalshafte Begegnung mit sich. Sie lernte den ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon kennen und - viel wichtiger - ihren zukünftigen Ehemann, den Millionär Clifford Ball.
Hippie
1953 heiratete das Paar. Die beiden bekamen zwei Söhne, bevor sie sich 1963 scheiden liessen. Sabine Ball zog daraufhin nach Santa Barbara. Die Zeit der Hippies, der freien Liebe und des Vietnam-Krieges war angebrochen - und sie wirkte faszinierend auf die Anfang Vierzigjährige. Angesteckt von der Freiheit und Unabhängigkeit der Hippies reiste sie nach San Francisco und hatte dort eine Vision: Sie wollte die Hippies frei von Drogen machen. Dazu kaufte sie ein Grundstück und beherbergte Menschen in Not.Auch Christen suchten ihr Land auf und standen in engem Kontakt zu den Hippies, der eigentlichen Zielgruppe Sabine Balls. Doch der christliche Einfluss tat sein übriges - viele der ehemals Drogenabhängigen bekehrten sich und das, obwohl Sabine Ball selbst nicht an Jesus Christus glaubte.
Suche
Doch auch die ehemalige Millionärsgattin war auf der Suche, und so begab sie sich 1971 auf eine Reise, um den «Sinn des Lebens» zu finden. Sie verbrachte drei Monate in einem Kloster in Katmandu und meditierte viel. Doch erst ein Jahr später - zurück in ihrer Heimat Amerika - verlief ihre Suche erfolgreich. Ein sechunszwanzigjähriger Bekannter erzählte ihr von der Bibel und dem Christentum. Sabine Ball war berührt wie nie zuvor und bekehrte sich. Ihr Land taufte sie um in «The Lord's Land» («Gottes Land» - davor hatte es «The Land» geheissen.Ihre wohltätige Arbeit baute sie daraufhin noch aus. 1974 gründete sie ein evangelistisches Projekt für Junkies und Strassenkinder in Brooklyn. Zwei Jahre später eröffnete sie ein Schwesternhaus für misshandelte Frauen in Kalifornien. 1977 begann sie eine dreijährige Hospizarbeit. Doch Sabine Ball zog es zurück in die Heimat. Sie spendete den Rest ihres Vermögens für wohltätige Zwecke und verliess 1980 ihr amerikanisches Domizil und ging nach München. Sie lernte die DDR kennen und wünschte sich nichts sehnlicher, als dort zu arbeiten.
Dresden
Mit zwei Koffern und 1‘500 Dollar zog sie 1993 nach Dresden und begann die Arbeit, für die sie in Deutschland bekannt wurde. Sie mietete zunächst die Geschäftsräume eines alten Schnapsladens, um ihre Idee für ein Café und einen Secondhand-Laden zu verwirklichen.Täglich kamen Jugendliche, die dort mitarbeiteten und Zeit mit ihr verbrachten. Am 24. April 1993 öffnete das Café «Stoffwechsel» seine Pforten. «Wir wollen sie alle in Liebe empfangen», soll Sabine Ball gesagt haben. Punks, Obdachlose, Skins, aber vor allem Kinder kamen ins Café «Stoffwechsel».
Dort bekommen sie bis heute Kaffe, Kuchen, belegte Brötchen und Second-Hand-Klamotten. Im Jahr 1996 wurde ihr auf Vorschlag des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf das Bundesverdienstkreuz angeboten. Sie lehnte ab, weil ihrer Meinung nach «allein Gott der Verdienst zukommt» und die «Kinder und Jugendlichen der Neustadt diese Auszeichnung nicht verstanden hätten» und sie ihrer Arbeit so hätte schaden können.
Stiftung
Sabine Ball gründete zudem eine nach ihr benannte Stiftung, die die «Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen» zum Ziel hat. «Dabei besteht das vorrangigste Ziel darin, dass die Kinder und Jugendlichen Jesus Christus persönlich kennenlernen und zu einem praktischen Leben mit Gott ermutigt und angeleitet werden», heisst es auf der Homepage der Organisation.Zwei Zitate
Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a. D.: «Dem Verein Stoffwechsel in Dresden, der Gründerin Sabine Ball und den vorbildlichen Mitarbeitern gelten meine guten Wünsche. Von Neuem lernen wir von ihnen mit Dankbarkeit, dass Hoffnungslosigkeit keinen Platz im Leben der Kinder und Jugendlichen haben darf.»Andreas Malessa: «Kriegsflüchtling, Millionärsgattin, Hippie-Farmfrau, Straßenkinder-Oma - der rote Faden ihres abenteuerlichen Lebens ist: Gottes Liebe in einer Seele von Mensch.»Websites:
www.stoffwechsel.com
www.sabine-ball-stiftung.de
Sabine Balls Buch
Sabine Ball - Begegnungen und Erinnerungen
Quelle: livenet.ch, epd, Pro
Datum: 16.07.2009
Autor: Daniel Gerber