Gerhard Bärtschi

Es braucht mehr, damit Armut in Afrika Geschichte wird

„Die Leute haben gebrüllt und die Politiker haben geflüstert“: So umschrieb der Whiteband-Sprecher Kumi Naidoo das Resultat des G8-Gipfels. Gerhard Bärtschi, Geschäftsführer von TearFund Schweiz, zieht für Livenet Bilanz.
Glas halb voll – immerhin: Gerhard Bärtschi von TearFund Schweiz
Sprecher der Afrikaner in Gleneagles: Der nigerianische Staatschef Olusegun Obasanjo
Aids in Malawi: Die Eltern sind gestorben; die Grosseltern mit der Verantwortung für die Kinderschar überfordert.
Das Gleneagles Hotel, Schauplatz des G8-Gipfels

Wie immer, wenn Forderungen nicht zu 100 Prozent erfüllt werden, taucht die Frage auf: Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Um im Bild zu bleiben: In Gleneagles haben die G8 so viel in das Glas gefüllt wie schon lange nicht mehr. Und dennoch reicht der Pegel nicht, um „die Armut zur Geschichte zu machen“.

Entwicklungshilfe

Die G8-Staaten versprachen, dass ihre Entwicklungshilfe bis Jahre 2015 jährlich 50 Milliarden Dollar zunehmen würde, wovon 25 Milliarden allein für Afrika eingesetzt werden sollen. Auf der Basis der jetzigen Entwicklungshilfe von 79 Milliarden (2004) sollte ab 2010 ein Gesamtbetrag von jährlich 129 Milliarden zur Verfügung stehen.

Doch laut Weltbank ist eine Verdopplung der Entwicklungshilfe vonnöten, um die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen. Jeffrey Sachs, Leiter des Millenniumsprojektes, fordert gar eine Verdreifachung der jetzigen Entwicklungshilfebeiträge. Kurz: von den G8 wird zu wenig Entwicklungshilfe zu spät (erst im Jahre 2010) eingesetzt.

Es ist zu hoffen, dass der Schweizer Bundesrat sich angesichts der Vorhaben der G8-Staaten wenigstens zu einem Stufenplan bewegen lässt, 0,7 % des Bruttoinlandproduktes für die Entwicklungshilfe abzugeben. Zurzeit steht nicht einmal fest, ob er dieses Ziel erreichen will und wann.

Entschuldung

Die G8 haben lediglich den Entschuldungbeschluss der EU Finanzminister bestätigt. Die Schulden von 18 (besonders armen) HIPC-Länder bei IWF, Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank werden gestrichen.

Kofi Annan forderte vor dem Gipfel, dass alle Länder, welche aus eigenen Mitteln die Millenniumsentwicklungsziele (u.a. Bildung und medizinische Grundversorgung für alle) nicht finanzieren können, durch einen Entschuldungsprozess entlastet werden sollten. Leider wurde diese Forderung nicht aufgenommen.

Dringlich ist, dass die Entschuldung in den 18 Ländern auf verantwortliche Weise geschieht. So sollte mit den Mitteln, die nicht in den Schuldendienst fliessen, ein Gegenwertsfonds errichtet werden, durch den die Länder soziale Projekte unterstützten.

HIV/Aids

Eines der ermutigsten Resultate des Gipfels bezieht sich auf die Behandlung von HIV/Aids. Die Zusicherung, dass alle Menschen mit HIV/Aids Zugang zu anitretroviralen Medikamenten erhalten, verbunden mit einem entsprechenden Aktionsplan, ist der grosse Erfolg des Gipfels. Für die 40 Millionen Menschen, die zurzeit mit HIV/Aids leben, ist das ein Silberstreifen am Horizont.

Nächste Etappen

Es ist offensichtlich, dass der Kampf gegen die Armut erst richtig angefangen hat. Von vielen wird das Jahr 2005 als „Entscheidungsjahr“ bezüglich der weltweiten Armut bezeichnet. Der Druck der Zivilgesellschaft muss weitergehen. Die nächste wichtige Station wird der Millennium+5-Gipfel vom 14.-16 September in New York sein.

Ein weiterer Test ist die Ministertagung der WTO von 13.-18. Dezember in Hongkong. Wenn sich dort die Industrieländer nicht zu substantiellen Zugeständnissen an den Süden in der Handelspolitik durchringen, wird die historische Chance, die weltweite, extreme Armut zu beseitigen, fürs erste vertan.

Zum Thema:
Webseite von Gleneagles
www.g-8.org

Whiteband Day (mehrsprachige Webseite)
www.whitebandday.org

Autor: Gerhard Bärtschi
Quelle: TearFund Schweiz

Datum: 13.07.2005

Werbung
Livenet Service
Werbung