Ingeborg Pleik-Kraffzick

Jeden Morgen erzählen sie sich ihre Träume

Vergesslich: Ingeborg Pleik-Kraffzick erinnert sich an Personen, nicht an Probleme.

Behagliches Licht dringt an diesem trüben Herbsttag von innen durch das Fenster des Beratungszimmers. Es ist das Wirkungsfeld von Ingeborg Pleik-Kraffzick im "Haus der Hoffnung" in Wiesbaden. Gut lesbar ist ein lateinischer Spruch auf dem grossen weissen, etwa hundertjährigen Gebäude: "Dominus providebit" (Der Herr wird Sorge tragen). Ob der Erbauer geahnt hat, dass hier einmal die Seelsorgearbeit des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes Hessen-Nassau (EGHN) einzieht?

Das Zimmer hält, was es verspricht - schlicht, aber liebevoll eingerichtet. Es dient sonntags als Mutter-Kind-Raum für den Gottesdienst der Stadtmission. So muss Ingeborg Pleik-Kraffzick zum Wochenende Blumentöpfe, Stehlampe und andere Dekoration wegräumen und ihren Schreibtisch hochklappen. Daran hat sie sich gewöhnt, und es scheint der Freude an ihrem Beruf keinen Abtrag zu tun.

Von Natur aus schüchtern

"Ich konnte mir nie vorstellen, Hauptamtliche zu werden. Von Natur aus bin ich schüchtern und kann nicht gut auf Menschen zugehen." Jetzt hält sie es mit dem Apostel Paulus: "Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung."

Ihren Beruf im Management der Elektronik-Branche liebte sie sehr. Sie zögerte zwei Jahre, ehe sie der Berufung durch die Jona-Geschichte nachgab und zur theologischen Ausbildung nach St. Chrischona ging. Nächstes Jahr hat sie ihr silbernes Dienstjubiläum. Zwölf Jahre war die "überzeugte Chrischonesin" in Homberg/Efze und bei Hanau als Jugendreferentin tätig. Vor etwa 15 Jahren machte sie bei Reinhold Ruthe die volle Ausbildung zur Biblisch-therapeutischen Seelsorgerin. Später schloss sie eine Ausbildung in Gestalttherapie an und nennt sich jetzt Gestalt-Pastoralpsychologin PSIG.

Glatt bügeln hilft nicht

Seit einem Dutzend Jahre ist sie beim EGHN für Seelsorge angestellt. In allen Himmelsrichtungen Deutschlands ist sie unterwegs zu Schulungen, Frauen-Frühstückstreffen, Frauen-Verwöhntagen, Vorträgen, Gottesdiensten oder Supervision. Die am meisten Rat Suchenden sind Christen, darunter auch viele "Hauptamtliche". Sie erlebt, dass Pastoren zunehmend ausgebrannt, hohem Erwartungsdruck ausgesetzt und oft auf einsamem Posten sind. Ingeborg Pleik-Kraffzick kommt zugute, dass sie sowohl die Situation eines Predigers kennt als auch die des Gemeindemitgliedes. Ihr Alter erweist sich ebenfalls als Vertrauen bildend. Die 52-Jährige hat selber dunkle Täler durchschritten und vermittelt den Klienten, dass sie nicht über ihnen steht. Statt dessen versucht sie zu verstehen, ermutigt und bügelt keineswegs Probleme fromm glatt. Jesus ist ihr Vorbild. Er ging mit in den Schmerz und die Traurigkeit hinein. Belastet es sie nicht, wenn sie die Sorgen der anderen dicht an sich heran lässt?

Ihr hilft, dass sie in der Beratung betet, das Gespräch nacharbeitet und bewusst in Gottes Hand legt. Das gelingt ihr zunehmend besser, denn sie weiss: "Ich bin nicht der Heiland. Diese Stelle ist eindeutig besetzt! Ich bin gerne sein Werkzeug und will ihn mit meinen Gaben verherrlichen." Hat sie eine Beratung abgeschlossen, vergisst sie den "Fall" und erinnert sich bei einer Begegnung an die Person, aber nicht ihr Problem.

In der Natur entspannen

Sie lebt von Beziehungen und hat zusammen mit ihrem Mann Uwe ein offenes Haus - das allerdings eine Wohnung in einem Haus für sieben Familien ist. Kraffzicks haben eine erwachsene Pflegetochter. Zum erweiterten Familienverband gehört eine Freundin mit zwei kleinen Kindern. Mit ihr teilt sich Ingeborg Pleik-Kraffzick ein Auto. Uwe Kraffzick ist Gartenbauingenieur und liebt wie seine Frau die Schönheit der Natur. Einen eigenen Garten vermissen die beiden. Aber der Balkon wird jedes Jahr mit den schönsten Blumen kreativ bepflanzt. Ingeborg Pleik-Kraffzick ist froh, dass sie von ihrer Wohnung aus in fünf Minuten in Feld und Wald ist. Sie ist morgens gern 20 Minuten im Freien unterwegs. Kraffzicks wohnen in Taunusstein, einer Schlafstadt elf Kilometer von Wiesbaden entfernt. Zum Abschalten braucht Ingeborg Pleik-Kraffzick Zeiten des Alleinseins. Während der Hausarbeit hört sie vorzugsweise Anbetungslieder, die zum Dank und weitem Horizont finden lassen. Klassische Musik, historische Romane, englische Krimis und das Schwimmen zählen zu ihren Freizeitbeschäftigungen.

Vielseitige Steine

Ihr Ehemann unterstützt und fördert sie, begleitet sie gerne zu Vorträgen. Er hat keine Probleme, seine Frau in der Öffentlichkeit stehen zu sehen. Den Urlaub geniessen die beiden am liebsten im Schwarzwald oder an der Nordsee. Im Frühsommer waren sie in Dänemark, wo sie sich am kilometerlangen weissen Sandstrand, bei Wind, Weite und Meer erholten. Von dort hat Ingeborg Pleik-Kraffzick viele verschiedene Steine mitgebracht, die in einer Schale auf dem Tisch liegen. Runde, weisse, bunte, eckige, kleine, grosse, mit und ohne Furchen - von Wind und Meer gezeichnet. Wie die Menschen, die zu ihr kommen, geprägt von ihren Erlebnissen oder Sorgen. Manchmal helfen die Steine, ins Gespräch zu kommen. Und für Ingeborg Pleik-Kraffzick gibt es nichts Schöneres, als dazu beizutragen, dass Stolpersteine im Leben von Menschen zu Pflastersteinen auf dem Weg zu sich selbst und zu Gott werden.

"Vergessene Sprache Gottes"

Sie hat in ihrer Tätigkeit das Einbeziehen von Träumen als nützlich erlebt. Sind Träume nicht Schäume? "Ja, natürlich! Es schäumt, wenn etwas von unten hochkommt!" Träume nennt sie "die vergessene Sprache Gottes". Zwar misst sie dem eine untergeordnete Rolle bei. Gott rede zuerst durch sein Wort, andere Christen, Stille Zeit, Predigt und Lieder. Aber eben auch durch Träume. Das sei in der Bibel belegt. Warum solle man das Ernstnehmen von Träumen den Esoterikern überlassen? Ingeborg Pleik-Kraffzick bedauert, das man auch andere Geschenke Gottes wie Segnen und Heilen so wenig in Anspruch nimmt. Die engagierte Seelsorgerin schätzt, dass Gott etwa durch ein Prozent aller Träume zu uns redet. Meistens verarbeite man Erlebtes im Traum oder bereite Zukünftiges vor. Es geht ihr nicht darum, Träume zu deuten - das kann nur Gott. Aber nachzufragen, das Grundgefühl des Träumers herauszuhören, zu entdecken, was der Traum bedeuten könnte. Jeder Traum, von dem man denkt, er sei bedeutsam, sei an der Übereinstimmung mit Gottes Wort zu prüfen und im Gespräch mit anderen Christen. Ingeborg Pleik-Kraffzicks Erfahrung ist, dass man Wiederholungsträume solange träumt, bis man kapiert hat, was man daraus lernen soll. Oft gehe es um etwas aus der Kindheit, das man nicht verstanden oder verarbeitet hat.

Traumhaft vertrauen

Die Therapeutin führt selbst kein Traumtagebuch. Aber jeden Morgen erzählen sie und ihr Mann sich ihre Träume. Sie möchte offen sein, falls Gott ihr etwas durch Träume sagen will, und bittet: "Sags mir so, dass ich es verstehen kann." Sie empfiehlt, sich bewusst mit seinen Träumen oder Alpträumen in Gottes Hand zu geben. Sie weiss von Menschen, die Gott um eine Fortsetzung eines fragwürdigen Traumes gebeten haben, die Erhörung erlebten und Frieden darüber fanden.

Ingeborg Pleik-Kraffzick strahlt grosse Gelassenheit aus. Sie hat geübt, sich und Situationen Gott zu überlassen - auch ob er durch Träume redet oder nicht. Wovon träumt sie am Tag? Nach der Pensionierung ihres Mannes mit ihm zusammen für Gott tätig zu sein: er als Gartenbauingenieur, sie in einer Seelsorge- und Lehrtätigkeit. Und davon, viel Zeit am Meer verbringen zu können. Sie erfuhr in den vergangenen Jahrzehnten, dass Gott sie in jede Situation ihres Lebens führte, ohne dass sie es selbst forcierte. Wenn sie Gewissheit hatte, dass etwas von Gott kam, sah sie es als richtigen und guten Weg an. Und sie ging ihn einschliesslich aller Risiken und Nebenwirkungen.

Datum: 03.02.2003
Autor: Christa Gatter
Quelle: Chrischona Magazin

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