Schweizer Kongress für Gemeindegründung

Mehr, bessere und neue Gemeinden in der Schweiz "dringend nötig"

"Menschen zu Jüngern machen, ohne immer wieder neue Gemeinden zu gründen, geht einfach nicht". Diese Ansicht vertrat der Missionswissenschaftler Prof. Johannes Reimer am Schweizer Kongress für Gemeindegründung, der vom 18.-20. März in der Baptistengemeinde Bülach stattfand.
Johannes Reimer
Workshops
Erwin Imfeld
«Prophetischer Apéro» am Donnerstagabend mit Florian Bärtsch, Andrea Xandry, Reinhold Scharnowski, Wolfgang Simson und Fritz Peyer (v.l.n.r.)
Florian Bärtsch

Der Kongress wurde von der Organisation Focusuisse und dem Institut für Gemeindebau und Weltmission (IGW) veranstaltet. Insgesamt etwa 170 (vorwiegend junge) Teilnehmer aus der Schweiz, Deutschland und Oesterreich arbeiteten in Seminaren, Vorträgen und einem "Open Space"-Tag an den verschiedensten Themen rund um Gemeindegründung.

"Unsere westlichen Länder sind voll von Bevölkerungsgruppen, die vom Evangelium völlig unerreicht sind", so Reimer in seinem Eröffnungsreferat. Als Konsequenz der Mission Gottes müsse das Evangelium immer wieder neu durch Gemeinden in die Gesellschaft hinein "Fleisch werden". Kirche in herkömmlicher Form werde weitgehend gar nicht mehr zur Kenntnis genommen – auch darum seien ständig neue Formen von Gemeinde nötig.

Das bedingt laut Reimer, dass man sich von allen überkommenen Strukturen immer wieder lossage und sich konsequent auf die "paradigmatischen Veränderungen" in der Gesellschaft einstellt: "Alle bekannten Studien bestätigen: wenn man das Evangelium in Zusammenhang mit Gemeindegründung verbreitet, wächst es. Wenn man es nicht tut, nimmt es trotz aller Anstrengungen ab."

Der Referent wandte sich allerdings auch gegen einen weit verbreiteten "Methoden-Fetischismus", die Fixierung auf bestimmte Vorgehensweisen: "Wir können nicht einfach die neuste Methode anwenden und meinen, das bringt Erfolg. Nicht neue Formen werden unsere Länder evangelisieren, sondern Hören auf Gott und kreativer Gehorsam."

Studie vorgestellt

Vier Studenten des IGW in Zürich untersuchen in einer gemeinsamen Diplomarbeit die freikirchlichen Gemeindegründungen in der Deutschschweiz von 1990-2000; die ersten Ergebnisse wurden am Kongress vorgestellt. Von den knapp 120 erfassten Neugründungen in diesen zehn Jahren konnten 59 anhand eines ausführlichen Fragebogens unter die Lupe genommen werden.

So zeigte sich, dass bei den "erfolgreicheren" Gründungen der Anteil der Leiter mit theologischer Ausbildung höher war als bei den weniger erfolgreichen. Ein anderer Befund: Nur eine Minderheit der Mitglieder dieser neuen Gemeinden kam durch ihre Aktivitäten zum Glauben an Christus. Die vollen Ergebnisse der Studie werden im Sommer vorliegen.

Arbeit in Seminaren

In Seminaren beschäftigten sich die Kongressteilnehmer am Donnerstag Nachmittag mit den verschiedensten praktischen Ausprägungen und Formen von neuen Gemeinden. Dabei spannte sich der Bogen von "Gemeindegründung auf dem Land" (Referenten Walter Wieland und Markus Zeier) über "Die Party: postmodern sensitive Gemeinden" (Mike Bischoff, Basel) und "Eine ganz normale Gemeinde gründen" (Volker Heitz, Birseck) bis zur Gemeindegründung in der Stadt (Chlöisu Burkhalter, ICF Bern).

Weiter wurde über die systematische Gründung von Hauskirchen gelehrt (Wolfgang Simson). Ronald Morand und Sebastien Rollier stellten das alternative, ganzheitliche Gemeindemodell "Le Phare" in Fleurier im Neuenburger Jura vor. Dass selbst sterbende Gemeinden zu einem Turnaround geführt werden können, schilderte auf eindrückliche Art Marc Nussbaumer (EMK Lenzburg).

Die weltweite Forschung belegt, dass Denominationen, die neue Gemeinden gründen, wachsen und erneuert werden. Erwin Imfeld, Leiter der Inlandmission des Bundes der Freien in der Schweiz, zeigte das anhand der mittlerweile fast 20 jährigen Strategie dieser Denomination auf.


Open Space – mit Busszeit

In einem offenen Diskussionsprozess erarbeiteten die Teilnehmer am Freitag Themen und Bereiche ihres eigenen Interesses. Unter Anderem wurden Gründe und konkrete Vorschläge besprochen, wie Frauen ihre Gaben vermehrt in die Gründung neuer Gemeinden einbringen können.

In einer Gebetszeit taten junge Leiter unter dem Eindruck des Redens Gottes Busse über der Verachtung gegenüber älteren Gemeinden und Denominationen.

Aufbruch oder Katastrophe?

Der Abend des 2. Kongresstages brachte einen "prophetischen Apero". Moderiert von Reinhold Scharnowski (Leiter Focusuisse) diskutierten Florian Bärtsch (Luzern), Andrea Xandry (Zürich), Wolfgang Simson (Jestetten) und IGW-Leiter Fritz Peyer über die Frage "Was kommt auf uns zu?".

Auf der einen Seite wird ein grosser Abbruch, ja "Schiffbruch" und Krise vorausgesehen, auf der anderen Seite zeigte sich die Erwartung, dass das Reich Gottes wachsen und noch weite Kreise ziehen werde. Interessiert und kritisch verfolgt von jungen Leitern, liess die Runde die Auflösung dieser Spannung letztlich offen, versprach aber, das Gespräch fortzusetzen.

M 28 in Luzern: Gemeinschaft, Jüngerschaft und Multiplikation

Der Samstag gehörte dem Gemeindegründer und Evangelisten Florian Bärtsch (Luzern), der mit einem Team von "Gemeindegründungs-Lehrlingen" von gg-LIVE kam. "Gemeinde ist Familie, und die Familie kommt zentral aus dem Herzen Gottes" stellte er fest. Jüngerschaft und wirkliche Veränderung geschehe nicht vor allem in geistlichen Veranstaltungen, sondern in konkreter Lebensgemeinschaft in den Häusern und überall da, wo Menschen zusammen leben, lachen und leiden, streiten und lernen.

Anhand des von ihm lancierten Projektes M28 in der Innerschweiz skizzierte Bärtsch Grundzüge einer Bewegung von kleinen, flexiblen Gemeinden, die sich multiplizieren und ein ganzes Gebiet durchdringen könnten. Als die drei Kernelemente nannte er die echte biblische Koinonia, die ein "ganzheitliches Anteilnehmen und –geben von materiellen und geistlichen Gütern" bedeute, sodann die Jüngerschaft (das Anleiten on-the-job) und die Multiplikation von Gemeinden.

Die beiden ersten Elemente könnten in jeder Gemeindeform erlebt und praktiziert werden, das dritte weniger, weil die Strukturen in der Regel nicht auf Multiplikation angelegt seien. Unter Hinweis auf dynamische und explosiv wachsende Gründungsbewegungen – etwa in Indien oder in China – rief Bärtsch zu einem Paradigmenwechsel auf. Je einfacher Gemeinde gesehen werde, um so mehr könne sie sich "von selbst" multiplizieren.

Die Referate des Kongresses werden im MP3-Format in den nächsten Wochen auf www.focusuisse.ch aufgeschaltet.

Livenet-Bericht vom Kongressbeginn:
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/189/15700/

Datum: 23.03.2004
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Focusuisse

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