Gesellschaftlicher Wandel

Gesucht: Milieu-Missionare

Die gesellschaftlichen Milieus, aus denen sich Kirchen und Gemeinden zusammensetzen, schrumpfen dramatisch. Neugründungen für neue Milieus sind dringend notwendig.
Sinus-Milieus

Das ergab ein Studientag der Konsultation für Gemeindegründung in Deutschland, der am 5./6. März in Schwäbisch Gmünd stattfand. Zusammen mit dem Kirchensoziologen Dr. Heinzpeter Hempelmann beschäftigten sich etwa 30 Leiter aus ebenso vielen Kirchen und Denominationen mit der Herausforderung, neue Gemeinden in neue gesellschaftliche Lebenswelten hinein zu gründen.

Ausgangspunkt waren die bekannten Sinus-Milieus, die Hempelmann ausführlich für die kirchliche Wirklichkeit erforscht hat. Die deutsche, aber auch die Schweizer Gesellschaft zerfällt in mindestens 10 klar voneinander unterschiedliche «Milieus» oder Lebenswelten. Hempelmann: «DIE Gesellschaft gibt es einfach nicht. Auch nicht DIE Seniorenarbeit oder DIE Jugendarbeit. Auch Junge und Alte bewegen sich in sehr unterschiedlichen Milieus» Christliche Gemeinden deckten höchstens 2-3 dieser Milieus ab – damit seien rund drei Viertel der Gesellschaft von der Kirche und dem Zugang zum christlichen Glauben ausgeschlossen.

«Ekelschranken» - die Ästhetik stimmt nicht

Dabei seien viele Menschen bereit, sich auf den Glauben einzulassen. Aber die Ästhetik der christlichen Gemeinden, also Stil, Gebäude, Ausdrucksformen usw. stimme für die Leute nicht. «In ein christliches Gemeindehaus geht man einfach nicht.»

Traditionelle Kirchen und Gemeinden sind nach Hempelmann in aller Regel Milieugemeinden, selbst wenn  sie mit dem Anspruch gegründet oder gestaltet werden, «für alle» da zu sein. Sie ziehen einige Menschen aus ähnlichen Milieus an, stossen aber viele andere ab. Das habe noch gar nichts mit dem Glauben zu tun; Entscheidungen würden viel früher und meistens auf der ästhetischen Ebene getroffen.

Gemeindegründungen als Chance

Dr. Heinzpeter Hempelmann rief dazu auf, neue Gemeinden in Milieus hinein zu gründen, die nicht oder kaum von der christlichen Kultur erreicht seien. Das sei letztlich eine Überlebensfrage der Kirche, denn die Milieus, die bisher die Gemeinden getragen haben, seien dramatisch am Schrumpfen.

Wenn man die Anweisung Jesu ernst nehme, in alle (Lebens-) Welten «hinzugehen», müsse man Kirchen starten, die Stil und Lebensweise der Milieus, in denen man arbeite, widerspiegeln. Darum sei es entscheidend wichtig, eine Stadt oder ein Quartier gründlich auf seine Milieus hin zu untersuchen, bevor eine Gemeinde neu gegründet werde, sonst könne es sein, dass man massiv an den Menschen vorbeiplane. «Wir brauchen weder Barock noch Beton, sondern Bauhauskirchen: Form follows function - die Form einer neuen Gemeinde muss ihrer Gesellschaftsgruppe entsprechen».

Die Konsultation für Gemeindegründung in Deutschland ist ein Netzwerk von Gemeindegründungs-Verantwortlichen auf Leiterebene aus ca. 30 deutschen Denominationen, Kirchen und Werken. Sie hat das Ziel, die Gründung neuer Gemeinden in Deutschland denominationsübergreifend voranzutreiben.

Datum: 10.03.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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