Vision Frankreich

Dieser Gemeindebau braucht viel Geduld

Auch in Frankreich garantiert der Staat die Religionsfreiheit. Nirgends herrscht aber eine so strikte Trennung von Religion und Staat. Das erschwert den christlichen Gemeindebau stark.
Politische Demonstration vor einer Kirche in Westfrankreich
Frankreich

Ein Teil des Vorstandes von "Vision Frankreich" kommt von einer Erkundungsreise in Westfrankreich nach Hause. Hinter uns liegen 1100 Kilometer Autofahrt. Meine Stimmung ist gedrückt trotz der wunderbaren Landschaft dieser Region. Warum? In diesem Departement wohnen 560'000 Menschen. Sie haben kaum Möglichkeiten, das Evangelium zu hören. Es gibt nur etwa sieben kleine protestantische Gemeinden.

Dieses Beispiel zeigt, dass Gemeindegründungen im Missionsland Frankreich notwendig sind. "Vision Frankreich" hat im französischen Jura mit dem Bau von drei neuen Gemeinden begonnen. Sie möchte noch zwei weitere Gemeinden gründen und ab 2006 eine neue evangelistische Arbeit in Westfrankreich starten.

0,4 Prozent Evangelikale

Warum geht die Missionsarbeit in Frankreich so langsam voran? Warum sind Pioniermissionare und Umsiedler begehrte Leute in unserem Land? Die Franzosen leben in einer nachchristlichen Gesellschaft. Das Christentum gilt seit der Revolution als überholt. Der Wertezerfall ist voll im Gang. Zugleich blüht die Reli-
giosität neu auf. Die Protestanten bilden eine kleine Minderheit. Die Evangelikalen zählen sogar nur rund 0,4 Prozent der Bevölkerung. Sie versammeln sich in kleinen, schwachen Gemeinden. Die Neugründung von Gemeinden wird oft von Ausländern betrieben. Viele Gemeinden sind finanziell vom Ausland abhängig.

Konsequente Trennung

Der französische Staat garantiert zwar die Religionsfreiheit. Nirgends auf der Welt herrscht aber eine so strikte Trennung von Religion und Staat wie in Frankreich. Dies zeigt sich unter anderem im jüngst verabschiedeten Gesetz über das Verbot von religiösen Symbolen in der Schule. Öffentliche Gebäude für evangelistische Anlässe kann man fast nicht mieten, weil religiöse und politische Veranstaltungen darin verboten sind. Wo sollen wir die Menschen mit der guten Botschaft erreichen, wenn sie nicht in unsere Gemeinden kommen? Wie können wir in die Öffentlichkeit treten, ohne dass man uns "Proselytenmacherei", also Evangelisation mit unlauteren Mitteln vorwirft?

Kultus und Kultur

Ein Beispiel aus unserem Gemeindealltag verdeutlicht diese Gratwanderung. Im vergangenen Herbst organisierte unsere Gemeinde eine Bibel- und Kunstausstellung im örtlichen Kulturzentrum. Erste Voraussetzung: Jede Gemeinde muss sich in zwei Vereinen strukturieren. Der Kultusverein umfasst alle Aktivitäten, die mit dem Gottesdienst in Zusammenhang stehen, der Kulturverein die restlichen Gemeindeaktivitäten. Evangelisationen werden über den Kulturverein organisiert. Wir mussten also ein kulturelles Projekt erarbeiten. Nach etwa einem halben Jahr mit zähen Verhandlungen hatte ich endlich den Mietvertrag in den Händen!

Vertrauen gewinnen

Gemeindebau ist in Frankreich möglich, aber wir müssen mit viel Verstand, Behutsamkeit und Vorsicht das Vertrauen der Öffentlichkeit gewinnen. Schnelles und abruptes Vorgehen bewirkt das Gegenteil. Nur wer standhaft Beziehungsarbeit leistet, wird vielleicht nach zehn Jahren den Anfang einer Gemeinde erleben…

Autor: Jean-Georges Gantenbein

Datum: 08.07.2004
Quelle: Chrischona Magazin

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