Raketen für Bethlehem, Vergebung für die Schützen

Das Haus nach dem Raketeneinschlag.
Hier durchschlug die Rakete Michels Zimmer.
Und hier durchschlug sie die Hausmauer.
Palästinensische und israelische Christen treffen sich in der Versöhnungsbewegung Musalaha; rechts im Bild mit schwarzem Hemd: Michel.

Michel Katimis Haus wurde von einer Rakete getroffen. Es liegt nahe Bethlehem, dem Geburtsort von Jesus Christus. Michels Reaktion: Vergebung und Versöhnung, gleichwie es der prominenteste Bürger von Bethlehem gelehrt hatte.

Bethlehem, Beit Sahur und Beit Jala sind praktisch zu einer Ortschaft zusammengewachsen. Immer wieder sind sie der Schauplatz von Kämpfen zwischen Israelis und Palästinensern. Eines Nachts, am 8. März 2002, traf es auch das Haus von Michel Katimi in Beit Jala.

Michel Katimi, wie war das, als die Rakete in Ihr Haus einschlug?
Michel Katimi: Nun, es war halb zwölf Uhr in der Nacht. Mutter und ich sassen im Wohnzimmer und schauten fern. Wir konnten nicht schlafen. Mein Vater und meine Schwester schliefen schon in ihren Zimmern. Dann schlug eine Rakete bei den Nachbarn ein, in eine christliche Mädchenschule. Die Fenster unseres Hauses barsten, das über Vaters Bett fiel ihm auf den Kopf. Gott sei Dank verletzte es ihn nicht.

Wir waren in Panik und wollten das Haus verlassen, falls wieder hierher geschossen würde. Ich ging in mein Zimmer, um mein Handy zu holen. Zwei Sekunden, nachdem ich wieder draussen war, schlug eine Rakete ein. Sie durchschlug das ganze Haus, zuerst eine Mauer, dann vier weitere. In der fünften blieb sie stecken.

Ich wurde durch die Luft geschleudert wie in einem Action-Film, es war verrückt. Gott sei dank ist keinem von uns etwas passiert. Nur Mutter hatte einen kleinen Kratzer über dem Auge und ich eine kleine Wunde am Knie. Die Nacht verbrachten wir dann bei den Nachbarn. Am nächsten Tag wurde unser Haus noch einmal getroffen, aber diesmal war keiner drin.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als das geschah?
In so einer Situation ist es schwer, überhaupt etwas im Kopf zu haben. Ich dachte nur: «Ist das wahr?» Ich kniff mich, um sicher zu sein, dass ich nicht träumte, denn wir hören und sehen solche Dinge oft im Fernsehen. Ich brauchte einige Zeit, um den Schock abzuschütteln und zu merken, dass das wirklich passiert ist.

Wie schlimm war das Haus zerstört?
Das Haus wurde schwer beschädig. Mehrere Fernsehreporter aus der Gegend berichteten darüber. Sie brachten Sondermeldungen im Lokalfernsehen und sagten, fünf Menschen seien verletzt worden, ohne das geprüft zu haben. Sie dachten sich’s so aufgrund des Einschlags.

Nebenbei: wir waren nur zu viert. Keine Ahnung, wer der fünfte hätte sein sollen. Am ehesten Jesus, der uns beschützte. Am nächsten Tag kamen die Leute angerannt, um sich die Zerstörung anzuschauen. Sie glaubten nicht, dass wir im Haus drin waren, als die Rakete einschlug.

Alle Möbel im Haus waren kaputt, nur die im Zimmer meiner Schwester blieben ganz. Wir wohnten dann elf Monate in einem gemieteten Haus und schliefen am Boden auf Matratzen, bis unser Haus wieder aufgebaut war.

Warum schlug die Rakete in Euer Haus ein? Gab es da einen speziellen Grund?
Es war eine schwierige Zeit in Bethlehem. Überall fielen Schüsse und explodierten Bomben. In der Nacht, als unser Haus getroffen wurde, schossen Männer aus unserer Nachbarschaft gegen die israelische Ortschaft Gilo gegenüber von Beit Jala. Aber unser Haus wurde erst 30 Minuten später getroffen, nachdem sich alles beruhigt hatte und die Schützen abgezogen waren. Ich denke, es gab keinen Grund, unser Quartier weiterhin zu attackieren.

Hassen Sie die Menschen, die Ihr Haus angegriffen haben?
Als Christen sollten wir den biblischen Aufrufen folgen und uns nicht nur ein paar Dinge herauspicken. Dort heißt es, man solle seine Nächsten lieben – und dazu gehören unsere Geschwister wie auch unsere Feinde. Da gibt es keinen Ermessensspielraum. Vergebt jedem; das ist der biblische Standpunkt.

Wenn man das aus eigener Kraft versucht, erleidet man Schiffbruch. Mein innerer Frieden kommt von Jesus und dem heiligen Geist. Sie hatten in dieser Situation dafür gesorgt, dass ich nicht zornig war oder mich jetzt rächen will. Im Gegenteil: Ich hab ihnen vergeben und empfinde Liebe für sie.

Im Fernsehen hörte ich mal eine interessante Umschreibung von Vergebung: «Hör auf zu hoffen, dass sich die Vergangenheit ändert.» Nur Jesus Christus kann uns helfen, daß wir diesen ständigen Blick nach hinten überwinden und unser Herz von Frieden, Liebe und Freude erfüllt ist.

Mehr zum Thema:
Teil 1: Michels Beitrag für Frieden im Heiligen Land

Weiterführende Links:
Musalaha
Bethlehem Bible College
Livenet-Dossier Bethlehem

Datum: 25.12.2006
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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