„Von welchem Gott sprichst du?“

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Glauben Christen und Muslime an den gleichen Gott? Sind interreligiöse Feiern theologisch verantwortbar - auch wenn es um ein Friedensgebet geht? Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) hat am Sonntag eine Stellungnahme veröffentlich, in der sie die beiden Fragen mit Nein beantwortet und sich kritisch zu den interreligiösen Friedensgebeten der vergangenen Monate äussert.

Ein interreligiöser Dialog sei nur möglich, wenn man die Wahrheitsfrage nicht ausblende und die Unterschiede zwischen den Religionen nicht einebne, heisst es im Manifest. Im Dialog mit Muslimen dürften diese Unterschiede nicht ignoriert werden, fordern die Autoren. Die Stellungnahme der SEA, einem Verband von Christen aus Landes- und Freikirchen, wurde vom reformierten Pfarrer Jürg Buchegger und dem Islamspezialisten Andreas Maurer erarbeitet.

Schon im März war ein Bericht im Nachrichtenmagazins "idea Spektrum Schweiz" zum Thema erschienen (wir berichteten darüber). Jetzt wurde ein ausführliches Positionspapier vorgestellt. Als erstes halten die Autoren des Papiers fest, dass Allah, Gott, in den verschiedenen Religionen jeweils anders verstanden werde. Erst Mohammed habe die vorislamische, in verschiedenen Kulturen und Religionen verbreitete Bezeichung gewissermassen mit seinen Gedanken gefüllt und islamisiert.

Dennoch hätten Christen und Juden in der arabischen Welt den Namen «Allah» zur Bezeichnung Gottes weiter gebraucht. Die Bezeichung sei also kein Gottesname, sondern ein Gattungsbegriff. Über das Wesen Gottes sei damit nichts gesagt. Deshalb müsse um der Redlichkeit Willen gefragt werden: «Von welchem Gott sprichst du, wenn du ‚Gott‘ sagst?»

Sodann gehen die Autoren auf die wichtigsten theologischen Unterschiede zwischen Christentum und Islam ein. Sie fragen nach der Gottesauffassung, der Lehre über Jesus Christus und der Erlösung des Menschen.

Das Verständnis Gottes als einen dreieinigen Gott (Trinitätslehre) werde von den gläubigen Muslimen besonders stark abgelehnt.


Allah eine andere göttliche Person (wie Jesus oder den Heiligen Geist) zuzuordnen, sei für die Muslime eine der schwersten Formen des Unglaubens. Damit sei aber für die Muslime auch die ewige Beziehung und Kommunikation der trinitarischen Liebe, an die Christen glauben, völlig unverständlich.

Abgelehnt werde als Folge davon auch die Menschwerdung Jesu als Gottes Sohn. Da er sich aus freiem Willen Gott zu unterwerfen hat, sei es für einen gläubigen Muslimen unvorstellbar, sich als ein mit dem Schöpfer versöhntes Kind Gottes zu sehen.

Aussagen im Koran über Jesus
Hier noch ein Auszug aus der Veröffentlichung der SEA:
„Der Koran vermittelt in 15 der 114 Suren Aussagen über Jesus. Keine der Suren behandelt ausschliesslich sein Werk. Wir müssen uns das Bild des koranischen Jesus anhand von 93 verschiedenen Stellen machen. Hier die wichtigsten Aussagen:
Sure 3, 45 Jesus ist im Diesseits und Jenseits angesehen.
Sure 4, 158 Er wurde von Gott in den Himmel erhoben.
Sure 4, 171 Er ist der Messias, das Wort Gottes, der Geist von Gott.
Sure 5, 110 Er schaffte Leben und heilte Kranke, weckte Tote auf.
Sure 19, 19 Er war lauter und rein, ohne Sünde.
Sure 19, 20 Er wurde von einer Jungfrau geboren.
Sure 19, 21 Er ist ein Zeichen für die Menschen.
Sure 19, 34 Er ist das Wort der Wahrheit.
Sure 43, 61 Er hat das Wissen der Stunde (des Gerichts).
Sure 43, 63 Er kam mit klaren Beweisen.

Diese Aussagen des Korans sind bemerkenswert. Auffallend ist, dass der Koran Jesus nie eine Sünde zuschreibt, auch dort, wo er sich mit schärfsten Ausdrücken gegen die christliche Lehre wendet. Das wird von den anderen Propheten nicht bezeugt. Jesus ist also auch für die Muslime eine unvergleichliche Person. Trotzdem lehrt der Islam, dass Jesus nicht mehr als ein Prophet war, wenn auch ein besonderer (Sure 4, 171). Er soll nur ein Prophet für das Volk Israel gewesen sein (Sure 43, 59). Dem widerspricht allerdings die Aussage in Sure 19, 21.

Selbstverständlich steht nach muslimischer Auffassung Mohammed über Jesus und ist der abschliessende Prophet. In Sure 19,35 wird die Gottessohnschaft von Jesus abgelehnt, obwohl in diesem Text Jesus sehr viel zugeschrieben wird. Mohammed hat die Gottessohnschaft im körperlichen Sinn aufgefasst, als ob Gott eine Frau gehabt und mit ihr einen Sohn gezeugt habe. Biblische Aussagen über Jesus werden abgelehnt.

Nach islamischer Auffassung hat Jesus verkündigt und geheilt. Er hatte aber keinen Erlösungsauftrag, wie der Islam überhaupt keine Erlösergestalt im eigentlichen Sinn kennt.

Muslime bezeichnen folgende neutestamentliche Aussagen als Irrtümer:
– Jesus starb am Kreuz.
– Jesus ist auferstanden von den Toten.
– Jesus ist der Erlöser.
– Jesus ist der im Alten Testament angekündigte Messias.
– Jesus ist Gottes Sohn, der Mensch geworden ist.
– Jesus ist die zweite Person der Trinität.

Allah teilt sich den Menschen nur durch sein Wort mit, das meist als Rechtsforderung formuliert ist. Zu diesem Zweck hat er Propheten und Gesandte ausgewählt. Allah hat Mohammed eine Abschrift des im Himmel aufbewahrten Korans diktieren lassen.

Die Christen erachten die Bibel als Wort Gottes, geschrieben von Menschen, die vom Heiligen Geist geleitet worden sind. Durch die Bibel teilt Gott sich den Menschen mit.

Der Schwerpunkt der christlichen Botschaft liegt auf der Aussage: Das Wort wurde Fleisch (Joh. 1, 14). Gott teilt sich den Menschen nicht nur in Worten mit, sondern indem er Mensch wird.

Diese Aussage kann von den Muslimen nicht akzeptiert werden. So nahe will Allah den Menschen nicht kommen. Weil sie diese und viele andere Aussagen der Bibel über Jesus nicht akzeptieren können, sind Muslime der Meinung, dass die jetzt vorliegende Bibel voller Fälschungen ist und deshalb Mohammed den Koran bringen musste. Damit kann jede Aussage über Jesus, die nicht mit dem Koran übereinstimmt, als Fälschung abgetan werden.“

Aus diesen Unterschieden werde klar, folgert das SEA-Papier, dass das öffentliche Beten zusammen mit Muslimen falsche Zeichen setze. Der Öffentlichkeit würde etwas vorgetäuscht, das nicht der Wirklichkeit entspreche. «Denn Christen beten im Namen von Jesus Christus zu Gott, der sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart hat. Doch solches Beten ist für Muslime, die ihrem Glauben treu bleiben wollen, Götzendienst und unvergebbare Sünde.»

Quellen: SEA/RNA

Datum: 30.07.2003

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