Glaube in Bewegung

Umfrage zu evangelikalen Grundwerten

Was halten Menschen eigentlich von evangelikalen Grundwerten? Und wie unterscheiden sich die Meinungen von Christen und Nichtchristen? Dies ermittelte jüngst eine Umfrage unter US-Amerikanern. Die Bewertung der Antworten ist allerdings vielschichtiger möglich als in der Darstellung der Auftraggeber. Ein Kommentar.
Bibel auf Tisch

Was denken und glauben Menschen über Gott, Sünde, Rettung, Himmel und Hölle, die Kirche und Fragen der Autorität? Das liess der reformierte Theologe R. C. Sproul (77) über 3'000 US-Amerikaner fragen. Auch wenn die Meinungsumfrage von Lifeway Research sich auf Amerika beschränkt und eine fromme Grundhaltung dort verbreiteter ist als in Europa, ist die Tendenz vieler Einsichten darin auf Europa übertragbar. Doch was sind die Ergebnisse? Und wie sind sie zu bewerten?

Die Zielsetzung

Sproul hatte bereits 2014 eine Studie in Auftrag gegeben, die das Wissen über Gott in der Bevölkerung abfragen sollte. Die jetzige Umfrage sollte klären, in wieweit sich Denken und Glauben weiter verändert haben bzw. «das gegenwärtige theologische Bewusstsein von erwachsenen Amerikanern messen». Dabei unterstrich der Theologe bereits im Vorfeld als persönliches Bekenntnis, dass er sich verpflichtet fühlt, «Menschen treu die ungeschminkte Wahrheit der Schrift vorzustellen, damit sie in ihrem Wissen über Gott und in der Heiligung wachsen können».

Die Umfrageergebnisse

Ungefähr zwei Drittel der Amerikaner glauben, dass Gott vollkommen ist und Gebete erhört. 69 Prozent glauben an einen Gott in drei Personen. Gleichzeitig sind 64 Prozent davon überzeugt, dass Gott Anbetung aus jeder Art von Religion annimmt – und immerhin 48 Prozent der Evangelikalen sind derselben Meinung.

Viele Amerikaner tun sich schwer damit, dass Sünde ewige Konsequenzen haben soll. So erstaunt es nicht, dass nur 19 Prozent glauben, dass selbst kleine Sünden eine ewige Bestrafung nach sich ziehen können. Diesen Glauben an ewige Konsequenzen teilen auch nur 47 Prozent der Evangelikalen.
In ähnlicher Weise gehen die Meinungen auseinander, wenn es darum geht, ob man etwas zur eigenen Rettung beitragen kann – 76 Prozent sind davon überzeugt –, wie man zur Autorität der Bibel steht oder was man von der Gender-Ideologie hält. Auffällig ist, dass es etliche Bereiche gibt, wo die Evangelikalen der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung recht nah kommen und andere, wo die Unterschiede sehr gross bleiben.

Sprouls Bewertung

In seiner eigenen Beurteilung der Umfrage hält Sproul fest, dass viele Befragte, die sich als evangelikal verstehen, trotzdem deutlich von evangelikalen Grundpositionen abweichen: «Die biblische Weltsicht bekennender Evangelikaler zerbricht in Einzelteile.» Die ganze Glaubensbewegung sei ins Stocken geraten, was besonders an Überzeugungen deutlich würde, die sich gegenseitig ausschlössen. Trotz seiner Kritik an den für ihn verweltlichten Evangelikalen betont Sproul die gesellschaftsverändernde Kraft des Gottesdienstbesuchs wegen seines «enormen Gegenkultur-Effekts». Sein Fazit: «Treue Christen könnten die Umfrageergebnisse sehen und den Zustand der Theologie in Amerika beklagen. Oder wir können uns mit neuer Dringlichkeit für den Missionsauftrag einsetzen… Die Umfrage erinnert uns an die Notwendigkeit, grundlegende Wahrheiten zu lehren: die Heiligkeit Gottes, Christi Person und Werk, das echte menschliche Bedürfnis nach Rettung vor Gottes Zorn und die Autorität der Bibel – selbst im einundzwanzigsten Jahrhundert.»

Alternative Möglichkeiten der Bewertung

Viele der Inhalte, die in der Meinungsumfrage zur Sprache kommen, betreffen zentrale Fragen des christlichen Glaubens. Dass Nichtchristen hier abweichend antworten, liegt nahe. In der Schweiz oder Deutschland wären manche Antworten sicher noch ablehnender ausgefallen. Auffällig ist allerdings, dass Christen nicht immer einen «klaren Stand» beziehen. Das mag auch daran liegen, dass einige durch Einflüsse aus ihrer Umgebung verunsichert sind, ihnen die eigene Position nicht klar oder nicht wichtig genug ist. Doch Verweltlichung ist nicht die einzige Erklärungsmöglichkeit. Viele der Fragen beziehen sich nämlich auf evangelikale Positionen, also auf Fragen, die innerhalb der christlichen Familie schon immer unterschiedlich gesehen wurden. Und Evangelikalismus ist ja keineswegs überzeitlich, biblisch und letztgültig. In seinen Fragestellungen und Antworten ist er teilweise ein Kind des vorvergangenen Jahrhunderts. Das lässt evangelikale Einstellung nicht automatisch veralten, aber es zeigt trotzdem: Eine Anpassung ans Heute ist nötig. Glaube ist und bleibt in Bewegung. Oder wie der Theologe Fulbert Steffensky es ausdrückte: «Die Grundgefahr religiöser Systeme ist, dass sie sich selbst nicht endlich denken können.» So kann es auch ein positives Zeichen der Weiterentwicklung sein, dass manche Fragen heute anders beantwortet werden als vor 150 Jahren.

Zur Umfrage:
Meinungsumfrage

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Datum: 06.10.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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