Mensch

Was das Neue Testament vom Menschen sagt, berührt sich ganz mit dem ersten Blatt der Bibel; der Mensch ist göttlichen Geschlechts

Der hebräische Ausdruck für Mensch lautet adam. Er bezeichnet den Menschen als Typus oder in seiner Gesamtheit und kann deshalb auch mit »(die) Menschen« wiedergegeben werden.

Für die Grundauffassung vom Menschen ist im Neuen Testament massgebend das, was das erste Blatt der Bibel über seine Erschaffung sagt: »Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei (1. Mose 1,26). »Da bildete Gott der HERR den adam, Staub vom Erdboden, und hauchte in sein Antlitz den Odem des Lebens, und so ward der adam zu einer lebendigen Person« (1. Mose 2,7).

Die ursprüngliche Würde und Hoheit des Menschen, seine Gottähnlichkeit, seine Herrenstellung gegenüber der übrigen Schöpfung, seine innige Zusammengehörigkeit mit dem Schöpfer, die »tiefpersönliche« Betätigung des Allmächtigen bei der Erschaffung des Menschen, die Herkunft des menschlichen Lebens unmittelbar aus der Lebensfülle Gottes - von dem allen spricht das Neue Testament nicht in breiter, theoretischer Ausführung. Das wird von der Schöpfungsgeschichte her als bekannt vorausgesetzt.

Und doch bringt Jesus diese uralte Wahrheit ganz ausdrücklich, indem er seine Jünger lehrt zu sprechen: »Unser Vater«. Er will ihnen damit nicht nur sagen, dass der Mensch zum Allmächtigen aufblicken darf als zu seinem Versorger und Beschützer. Die Anfangsworte des Jüngergebets haben nicht bloss den Sinn, dass der Mensch die göttliche Vorsehung anruft etwa im Sinn des Liedes: »Befiehl du deine Wege.«

Die Anrede »Unser Vater« ist wie alle Worte Jesu im nächsten Wortsinn zu verstehen. Von meinem Vater stamme ich ab; in meinen Eltern liegt mein Ursprung. Der Gottesname des Neuen Testaments erinnert den Menschen an seine göttliche Herkunft, an den Adel seiner Abstammung, an sein Heimatrecht in der oberen Welt.

Der Mensch ist göttlichen Geschlechts; das ist die Grundvoraussetzung der Lehre Jesu und der Schlüssel zu ihrem Verständnis.

Jesus begründet die Höhe seiner Forderungen mit der angeborenen Hoheit des Menschen

Die unerhörte Wucht seiner Forderungen, ihre himmelanragende Hoheit begründet Jesus in der Bergpredigt mit der angeborenen Hoheit des Menschen. Es kommt dem Menschen zu, himmelhoch erhaben zu sein über alles Böse und Gemeine, wie es einem kaiserlichen Prinzen gebührt, in seiner Erscheinung ganz strahlend und fleckenlos zu sein.

Die Jünger sollen in ihrem Verhalten so majestätisch unabhängig sein von ihrer Umgebung, damit sie kenntlich seien als Söhne ihres Vaters in den Himmeln (Matth. 5,44. 45).

Weil der Mensch seine Heimat in den Himmeln hat, ist es sein angestammtes Recht, das Grösste von dort her zu erbitten. Der Heilige Geist - die unmittelbare Verbindung mit dem Allmächtigen selbst - kommt ihm so natürlicherweise zu wie im Elternhaus dem Kind das Brot (Luk. 11,9-13).

Das ganze Pathos des Vaterunser empfindet erst der, dem es mächtig aufgeleuchtet ist, von wo der Mensch herkommt. Er fühlt die tiefe innere Berechtigung der Bitten des Jüngergebets. Er versteht die Ruhe und Selbstverständlichkeit, mit der so welterschütternde Dinge vorgebracht werden. Ihn ergreift das himmelanstürmende, leidenschaftliche Sehnen, das hier laut wird.

Die ursprüngliche Würde des Menschen bewegt den Allmächtigen, so Gewaltiges zu tun zu seiner Erlösung.

Auch die kommende Vollendung des Menschengeschlechts ist begründet in dem, wozu der Schöpfer uranfänglich den Menschen bestimmte. Darum heisst die Herrlichkeit, die dem Menschen einmal gegeben werden soll, sein Erbe, das besagt: sein angestammtes Gut (Eph. 1,14.18; 1. Petr. 1,4).

Innerhalb dieser Weltzustände ist die Grundrichtung des Menschen widergöttlich

Das Neue Testament geht von der Tatsache aus, dass der Mensch seinem Ursprung nach zu Gott gehört, dass er aber hier in diesen Weltzuständen, in seiner Grundrichtung, ungöttlich ist.

In diesem Sinn sagt Jesus zu Petrus: »Du redest nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist« (Matth. 16,23); den Pharisäern sagt er: »Was hoch ist bei den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott« (Luk. 16,15). Ebenso ist zu verstehen das Wort des Paulus: »Gott ist wahrhaftig, und alle Menschen sind Lügner« (Röm. 3,4). Diese und alle ähnlichen Stellen sprechen vom gottfernen, also seinem Ursprung entfremdeten Menschen.

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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