Gotteskinder (Söhne Gottes)

Ein Gotteskind sein heisst: Gott lebensverbunden und artverbunden sein

Die Bezeichnung Gotteskind ist im Neuen Testament kein blosser Titel. Wenn zum Beispiel Paulus den Römern oder Galatern schreibt, sie seien Gottes Söhne (Röm. 8,14; Gal. 4,6.7), so ist ihm das keine Bezeichnung, die dem Wesen der so Angeredeten »eigentlich« nicht entspricht. Er will damit nicht etwas im Grunde Unzutreffendes, sondern etwas Zutreffendes sagen.

Gotteskinder sind nicht Menschen, die Gott gleichsam nur adoptiert hat, sondern Menschen, deren Wesen gottentstammt, göttlich geartet ist. Jesus sagt seinen Jüngern in der Bergpredigt, sie sollen mit einer ganz gelösten Güte ihren Todfeinden begegnen, auf dass sie Söhne seien des Vaters im Himmel, also ihm gleichgeartet. Sie sollen durch den Lebenszusammenhang mit Gott eine angeborene Hoheit, eine königliche Unabhängigkeit der Haltung haben. Ihr Verhalten zu ihren Mitmenschen soll nicht abhängig sein von deren Verhalten zu ihnen.

Die Annahme zur Sohnschaft ist Neuschöpfung

Paulus sagt den Galatern wohl einmal, sie seien adoptiert zu Söhnen (Gal. 4,5); nach dem ganzen Zusammenhang meint er aber damit nicht ein Ereignis, durch das bloss ihre rechtliche Lage verändert wurde, ihr Wesen aber unverändert geblieben wäre.

Durch die »Einsetzung in die Sohnschaft« wird der Mensch in den verborgenen Urgründen seines Wesens göttlich erneuert; er wird eine neue Schöpfung. Es wird das wiederhergestellt, wozu der Mensch anfänglich erschaffen und bestimmt war: ein Bild Gottes zu sein; er hat seine Lebensantriebe aus dem Geist Gottes (Röm. 8,14; Gal. 4,6).

Ein Sohn Gottes sein heisst: in der Nähe Gottes bleiben

Was das Neue Testament unter einem Sohn (Kind) Gottes meint, können wir erst verstehen, wenn wir uns aus unsern abendländischen Verhältnissen, wo der Sohn nach erlangter Mündigkeit eine selbständige, unabhängige Grösse neben dem Vater ist, versetzen in die altorientalischen Verhältnisse, wo der Zusammenhang zwischen Vater und Sohn zeitlebens ein inniger blieb.

Ein Sohn sein heisst nicht nur: einmal als Sohn eines Vaters geboren sein; es bedeutet auch: sein Dasein in der nächsten Nähe des Vaters führen, »im Hause bleiben« (Joh. 8,35), Kontakt haben. Ein Sohn kennt sich aus im Vaterhaus, er ist eingeweiht in die Absichten und Pläne seines Vaters (Joh. 5,20). Schickt der Vater ihn mit einem Auftrag, so gibt er ihm Voll macht; darum kann der Sohn überall, wo er hingeht, sich sicher und freimütig bewegen.

Das sagt Jesus von sich. Aber Johannes sagt: Wie er ist, sind auch wir in dieser Welt (1. Joh. 4,17). Gottes Söhne sind in göttlichen Angelegenheiten wie Kinder im Haus: Sie finden sich mit Leichtigkeit zurecht; sie sind Eingeweihte; sie haben Vollmacht, im Namen des Vaters zu reden und zu handeln (1. Joh. 1,12). Sie sind aber auch ihrerseits ganz dem Willen des Vaters hingegeben; es ist ihnen selbstverständlich, dass sie da wirken, wo der Vater wirkt; in ihnen wirkt ein übermächtiges Muss, das zu tun, was sie den Vater tun sehen. Der Sohnesgehorsam ist immer die Grundbedingung der Sohnesvollmacht.

Im Gegensatz zum Sohn steht der Knecht (Sklave), der nicht im Haus bleibt (dem der dauernde Kontakt mit dem Herrn des Hauses fehlt), der nicht eingeweiht ist (Joh. 15,15), der von Furcht, Misstrauen, geheimer Feindschaft beseelt ist, dem durch den Stecken des Treibers (die gesetzlichen Forderungen) mühsam eine Art von Halbgehorsam abgezwungen wird (Röm. 8,15; Gal. 5,1).

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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